Herne. Der Aufstieg in die Westfalenliga ist geschafft, Westfalia Herne will mehr. Vorsitzender Ingo Brüggemann über die Ziele, die gesperrte Tribüne und finanzielle Anforderungen.

Wie kommt man eigentlich dazu, Sponsor oder Gönner zu werden? Ingo Brüggemann ist Vorsitzender von Westfalia Herne, Aufsteiger in die Fußball-Westfalenliga, und sagt: „Westfalia Herne liegt bei uns in der Familie - ich bin in einer Westfalia-Familie groß geworden.“

Um die 20 Jahre ist es her, dass Ingo Brüggemann angefangen hat, Westfalia Herne zu unterstützen. Oder, in seinen Worten: „Ich habe irgendwann im Jugendbereich mal vergessen, ,nein‘ zu sagen.“ Brüggemann ist Gründer und Markenrechte-Inhaber der Firma Abisol, tritt seit einigen Jahren aber beruflich kürzer. Unsere Fragen hat der Westfalia-Vorsitzende auf digitalem Weg beantwortet.

Westfalia Herne: „Entscheidungen waren gut und richtig“

Herr Brüggemann, viele waren in der vergangenen Saison überrascht, als Westfalia Herne sich trotz Tabellenplatz zwei von Hayrettin Celik trennte und Christian Knappmann zurückholte. Wie sehen Sie diese Entscheidung im Nachhinein?

Ingo Brüggemann: Wir haben Henry Celik im Herbst 2022 quasi aus dem Nichts zum Cheftrainer einer Westfalenliga-Mannschaft gemacht, mit der er als Tabellenletzter, weit abgeschlagen, abgestiegen ist. Würden wir unseren Trainer ausschließlich nach dem Tabellenplatz beurteilen, wären wir nicht mit ihm in die neue Saison gegangen. Es gab andere gute Gründe, zu denen wir uns nicht äußern, die zur Trennung beigetragen haben. Die Trennung hat nichts mit der Person Christian Knappmann zu tun. Sie wäre auch ohne Knappis Comeback vollzogen worden. Heute wissen wir, dass die Entscheidungen gut und richtig waren. Wir haben frühzeitig die Meisterschaft erreicht und einen Kader für das neue Spieljahr aufgebaut, wie wir ihn uns vorstellen.

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Noch im Winter hat sich der SCW mit den Ex-Profis Marcus Piossek und Jeron Al-Hazaimeh verstärkt. Beide haben wichtige Rollen beim Double-Gewinn gespielt, Piossek ist auch Co-Trainer und Sportlicher Leiter. Ist das nicht eine ungewöhnliche Konstellation?

Richtig ist, dass uns die beiden genannten Spieler verstärkt haben. Andererseits haben uns einige Spieler verlassen, bei denen der Aufwand nicht zum Ertrag passte. Ohne Marcus Piossek und Jeron Al-Hazaimeh hätten wir unsere Ziele ganz sicher nicht erreicht. Das darf ich so deutlich formulieren. Marcus Piossek besetzt bei uns drei Positionen. Das erscheint auf den ersten Blick vielleicht etwas ungewöhnlich, funktioniert aber prima. Er ist Führungsspieler und verfügt über eine enorme Erfahrung. Diese Erfahrung macht uns auf dem Platz, aber auch auf der Trainerbank besser. Bei der Kaderplanung stimmt er sich im Team mit Knappi ab, hat im Ernstfall das letzte Wort. Bisher läuft die Zusammenarbeit der beiden Jungs reibungslos.

Marcus Piossek (vorn, im Spiel gegen die SSV Buer) ist Spieler, Co-Trainer und Sportlicher Leiter von Westfalia Herne.
Marcus Piossek (vorn, im Spiel gegen die SSV Buer) ist Spieler, Co-Trainer und Sportlicher Leiter von Westfalia Herne. © FUNKE Foto Services | Biene Hagel

Aufbruchstimmung nach dem Double-Gewinn

In der Szene fragen sich manche, wo nach der Insolvenz 2019 das Geld herkommt, um Spieler wie Ex-Bundesligaprofi Yanni Regäsel zu bezahlen…

Das frage ich mich manchmal auch (lacht). Fakt ist, dass wir unseren Etat seit dem letzten Winter gesenkt haben. Auf der einen Seite haben unsere Aufwandsentschädigungen rein gar nichts mit denen ihrer Ex-Vereine zu tun, auf der anderen Seite sorgen unsere Sponsoren dafür, dass der SCW in ruhigem Fahrwasser bleibt.

Woher kommt das Geld? Ingo Brüggemanns Einstiegssatz zur Antwort auf unsere Frage.
Woher kommt das Geld? Ingo Brüggemanns Einstiegssatz zur Antwort auf unsere Frage. © WAZ | stepicam (Screenshot)

Die finanziellen Anforderungen werden sicherlich nicht kleiner, schließlich ist die Oberliga das erklärte Ziel der Westfalia. Wie soll das bezahlt werden?

Genau. Die Oberliga ist unser Ziel. Wir halten nichts von der üblichen Floskel, oben mitspielen zu wollen. Oben mitspielen oder unter die ersten Fünf zu wollen, bedeutet nichts anderes, als: „Ich will aufsteigen, mir fehlt jedoch der Mut, es zu sagen“. Wir sind so mutig und sagen, dass wir innerhalb der nächsten zwei Jahre aufsteigen wollen. Nach dem Double-Gewinn spüren wir eine Aufbruchstimmung. Die Situation im Sponsoring hat sich bereits verbessert. Abisol hat in den letzten Tagen als Hauptsponsor sein Engagement für die kommenden drei Jahre entsprechend angepasst, damit wir im Falle einer Oberligazugehörigkeit auch dort eine gute Rolle spielen könnten. Ohne Knete keine Tore, so isset nun mal.

Jugendfußball: „Herner Leistungszentrum“ könnte eine Lösung sein

Welche Rolle spielt die gesperrte Tribüne im Stadion am Schloss Strünkede für die Finanzen?

Die Tribüne ist die große Unbekannte, die uns tatsächlich einen Strich durch die Rechnung machen kann. Bekommen wir gemeinsam mit der Stadtverwaltung keine schnelle und gute Lösung hin, können wir die oben genannte Ziele, wenn unser Publikum zu Hause bleibt, vergessen. Ich möchte mir einfach nicht vorstellen, dass eine Großstadt dieses tolle Fußballdenkmal einfach abreißt. Es wäre eine Schande.

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Im Kader der ersten Mannschaft sind auch einige Eigengewächse, aber ist der Zustand des Jugendfußballs – nicht nur beim SCW, sondern in der Stadt – nicht bedenklich?

Mit Ausnahme unserer U19 sind sämtliche überkreislich spielenden Mannschaften unserer Stadt abgestiegen. Trotz des sowieso schon mäßigen Niveaus. Da bekommst Du Hektikflecken im Gesicht, wenn Du darüber nachdenkst. Vor Jahren bist Du rüber nach Wanne-Eickel gefahren, hast denen ein paar Jungs weggenommen und Du warst gut aufgestellt. Heute kannst Du Dir die Spritkosten sparen, da es dort nichts mehr zu holen gibt. Andersherum stellt es sich natürlich genauso dar. Ein „Herner Leistungszentrum“, an dem sich mehrere Vereine beteiligen, könnte eine Lösung sein, um den Jugendfußball unserer Stadt wieder besser zu positionieren.

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