Herne. Dem Fußball-Oberligisten wird das Stadion am Schloss Strünkede zu teuer. Dabei ist kaum vorstellbar, dass Westfalia Herne anderswo spielt. Oder?

Das schönste Oberliga-Stadion Deutschlands? Im Ranking eines Fußball-Bloggers wurde dem Stadion von Westfalia Herne zuletzt dieser Titel verliehen. Die alte Schüssel im Schlosspark, die aktuell unter dem Namen „Polygonvatro-Arena“ firmiert, ist eins der ikonischen alten Ruhrgebiets-Stadien. Mehr als 100 Jahre Tradition und Fußballromantik, von den weiten Stehrängen bis zur (später errichteten) Tribüne. Untrennbar ist das Stadion am Schloss Strünkede mit dem SC Westfalia verbunden, der das Stadion von der Stadt gepachtet hat. Jetzt hat der Verein den Pachtvertrag allerdings gekündigt.

Die Begründung: Der Klub kann sich das Stadion nicht mehr leisten. „Das kostet uns sechs- bis siebentausend Euro im Monat“, sagt der Vereinsvorsitzende Ingo Brüggemann. Geld, das Westfalia nicht hat. Der Verein hat von 2019 bis 2020 ein Insolvenzverfahren durchgemacht, muss immer noch jeden Euro umdrehen. In der Oberliga kann der Verein sportlich und wirtschaftlich nicht mithalten, steht abgeschlagen und sieglos am Tabellenende.

Westfalia Herne hofft auf 200.000 Euro Fördermittel für das Stadion

2018 wurde das Herner Stadion grundlegend erneuert, unter anderem wurde ein Kunstrasenplatz gelegt und Flutlichtmasten installiert (vor der Tribüne).
2018 wurde das Herner Stadion grundlegend erneuert, unter anderem wurde ein Kunstrasenplatz gelegt und Flutlichtmasten installiert (vor der Tribüne). © Funke Foto Services GmbH | Rainer Raffalski

Dazu kommt, dass am Stadion viel zu tun ist: Im Vereinsheim und in den Kabinen waren im Spätsommer die Decken heruntergekommen. Für die Instandhaltung der Anlage ist grundsätzlich der Verein verantwortlich. Der Verein hat das Grundstück von der Stadt gepachtet, zahlt einen kleinen Pachtzins.

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Im Gegenzug fließt ein Zuschuss von der Stadt an Westfalia, um Energiekosten und laufende Kosten (z.B. Platzwart, Reparaturen) zu sichern. Ingo Brüggemann sagt: „Zuletzt mussten wir in der Dusche neue Duschknöpfe anbringen. Das hat uns 2500 Euro gekostet. Das geht so nicht weiter – das kann der Verein nicht mehr tragen.“ Er sieht dort die Stadt in der Pflicht.

Anlass für die Kündigung war nun das Programm „Moderne Sportstätten“. Das ist ein Programm der Landesregierung zur direkten Unterstützung der Sportvereine bei Renovierungen oder Bauprojekten, die Stadt bleibt dabei außen vor. 200.000 Euro sollte Westfalia aus diesem Topf bekommen. Dafür bräuchte Westfalia allerdings eine vereinseigene Sportstätte – oder einen Pachtvertrag über mindestens zehn Jahre. Aus dem gleichen Grund hatte die Stadt schon andere Pachtverträge anderer Sportanlagen (z.B. Börnig, Holsterhausen) angepasst.

Den Pachtvertrag fürs Stadion hat Erhard Goldbach unterschrieben

Fürs Stadion am Schloss galt bis zuletzt allerdings noch ein Pachtvertrag aus den 70er-Jahren, der sich jährlich verlängerte. Unterschrieben wurde er von Erhard Goldbach, dem „Ölkönig“ und ehemaligen Westfalia-Mäzen. Diesen (zwischenzeitlich allerdings angepassten) Vertrag hat der SCW-Vorstand nun gekündigt, fristgerecht mit Wirkung zum Ende des Jahres 2022. Vergangene Woche wurden die Mitglieder im Herner Sportausschuss davon unterrichtet.

Ingo Brüggemann, 1. Vorsitzender des SC Westfalia Herne.
Ingo Brüggemann, 1. Vorsitzender des SC Westfalia Herne. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Der Sportausschuss-Vorsitzende Martin Kortmann (SPD) sagt: „Vielleicht gehört dieser alte Vertrag einfach mal ins Fußballmuseum in Dortmund.“ Der Verein habe natürlich jedes Recht, diese Kündigungsfrist wahrzunehmen – grundsätzlich sei die Problematik der Vertragslaufzeit bekannt gewesen. Und für die Verkehrssicherheit könne auch nicht der Verein zuständig sein, findet der Politiker.

Stadt und Verein wollen schnell eine Lösung finden

Verwaltungsintern sucht man jetzt nach einer Lösung. Auch die Kassen der Stadt Herne sind zwar nicht voll. Aber Martin Kortmann sagt: „Es ist ja im Interesse beider Seiten, eine Lösung zu finden. Westfalia hat kein Interesse, das Stadion zu verlassen. Und wir haben kein Interesse daran, die Anlage brachliegen zu lassen.“ Auch Brüggemann betont die enge Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Sport.

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Eine zeitnahe Einigung (auch um die Fördermittel fließen lassen zu können), erscheint wahrscheinlich. Aktueller Stand ist aber: Der SC Westfalia hat ab 1. Januar 2023 kein Stadion mehr, würde im Extremfall eine andere Sportanlage im Stadtgebiet zugewiesen bekommt. Dass es dazu kommt, ist kaum vorstellbar. Oder kann man sich das doch vorstellen, den SC Westfalia ohne das Stadion am Schloss, das Stadion ohne Westfalia?

Brüggemann sagt: „Ich kann mir vieles vorstellen. Wir wollen alle Maßnahmen ergreifen, die für den Verein förderlich sind.“ Kortmann sagt: „Nein.“