Ruhrgebiet. Fußballprofis kämpfen gegen Homophobie. Auch im Amateurbereich gibt es Bemühungen für Toleranz – der Anfang muss aber in den Vereinen geschehen.

„Ihr könnt auf uns zählen“ – diese ermutigenden Worte senden mehr als 800 Fußballprofis an ihre Kollegen, die zwar homosexuell sind, aber dies nicht öffentlich zeigen können oder wollen. „Wir werden euch unterstützen und ermutigen und, falls notwendig, auch gegen Anfeindungen verteidigen. Denn ihr tut das Richtige, und wir sind auf eurer Seite“, heißt es in dem Solidaritätsschreiben, welches das Magazin „11 Freunde“ in seiner jüngsten Ausgabe veröffentlicht.

Für Borussia Dortmund unterzeichnete Hans-Joachim Watzke, für Schalke 04 die komplette Profimannschaft. Luis Hartwig, Wittener Fußballprofi in Diensten des VfL Bochum, schickte der WAZ die gleiche Solidaritätserklärung, die auch auf dem 11-Freunde-Cover zu finden ist: Er zeigt Gesicht und posiert mit dem Kampagnen-Motto: „Ihr könnt auf uns zählen.“ Auch Amateurvereine haben sich in den sozialen Medien angeschlossen, allerdings eher vereinzelt.

Auch im deutschen Amateurfußball gibt es kaum offen homosexuelle Spieler

Dabei gibt es unter Deutschlands Fußballern nicht nur keinen geouteten Profi. Auch im Amateurbereich ist Homophobie ein Thema, das nur selten angesprochen wird. Offen homosexuelle Amateurfußballer gibt es nur ganz vereinzelt; homophobe Kommentare auf dem Sportplatz dagegen fast jeden Sonntag.

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Ein Kreisliga-Kicker, der offen zu seiner Homosexualität steht, hätte im Gegensatz zum geouteten Bundesliga-Profi zwar nicht den Druck des großen medialen Interesses, dafür treffen Anfeindungen und Beleidigungen ihr Ziel auf dem kleinen Sportplatz deutlich direkter als im großen Stadion. Das Problem ist auch den Verantwortlichen in den Verbänden bewusst.

Die Fußballverbände wollen einen „Kulturwandel“ vorantreiben

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Schon 2018 veröffentlichte der DFB eine Broschüre zum Thema, die in den Vereinen für Sensibilität sorgen sollte. Fußballverband Niederrhein und Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen machten mit auf die 11-Freunde-Kampagne aufmerksam.

Der FLVW unterstützte die Kampagne ausdrücklich mit den Worten: „Das Thema Homophobie kennt nicht nur die Bundesliga, sondern insbesondere auch der Amateurfußball, in dem der Großteil aller Fußballerinnen und Fußballer in Deutschland aktiv ist.“

Auch Manfred Schnieders, Präsidiumsmitglied im Westdeutschen Fußball-Verband, sagt: „Ich persönliche kenne keinen Amateurfußballer, der geoutet ist. Das ist immer noch ein Tabuthema. Ein paar wird es immer geben, die sagen: Das wollen wir nicht. Die Frage ist: Wann gibt es generell das Umdenken in allen Bereichen, auch denen, die mit dem Fußball zu tun haben?“ Die Verbände wollen dieses Umdenken forcieren.

Bei den Frauen gilt: Wer wen liebt, ist höchstens ein Thema unter vielen

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Der DFB hat als Pilotprojekt eine Anlaufstelle für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt eingerichtet. In einem auf dfb.de veröffentlichen Interview sagt Fritz Keller, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes: „Auch im Amateurfußball ist ein Coming-Out noch lange keine Selbstverständlichkeit. Das wird es aber hoffentlich eines Tages.“

Längst Realität ist das im Frauenfußball. Ob eine Spielerin Männer oder Frauen (oder beides) liebt, ist im Team höchstens ein Thema unter vielen – von der Kreisliga bis zur Nationalmannschaft. Bundesligist SGS Essen beteiligt sich offensiv an der Aktion #ihrkönntaufunszählen.

Der männliche Amateurfußball als Abbild des Profifußballs

Auch im Amateurbereich fällt auf: Bei Anfragen unserer Sportredaktion, ob sich Mannschaften an der Aktion beteiligen würden, war das Feedback aus Frauenteams groß; bei Männern dagegen herrschte Zurückhaltung.

„Der Frauenfußball ist ein sicherer Rückzugsort für Homosexualität“, sagte Deborah Timm, die als Juristin für den FLVW arbeitet und sich im NRW-Vorstand für den „Lesben- und Schwulen-Verband in Deutschland“ engagiert, kürzlich in einem Interview. Der männliche Amateurfußball dagegen sei mehr oder weniger ein Abbild des Profifußballs.

Was können Vereine tun, um niemanden auszugrenzen und zu verlieren

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Ganz wichtig bei der ganzen Thematik: Ein Outing kann und sollte nie erzwungen werden, letztendlich sollte jede Person selbst entscheiden, wem sie wann von ihrer sexuellen Orientierung erzählt. Bis dahin kann es nur darum gehen, ein Klima zu erzeugen, das es dem Mitspieler so leicht wie möglich macht.

Auch Deborah Timm glaubt, dass das Outing eines Profis den Schritt für Amateurfußballer leichter machen könnte. Noch wichtiger sei aber die Sensibilisierung: Der „schwule“ Pass sei halt immer noch etwas anderes als ein „scheiß“ Pass. Ein Punkt, an dem auch jeder Amateurverein ansetzen kann und der mindestens genauso wertvoll ist wie ein Bekenntnis in Sozialen Medien.

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