Herne. Vor den Basketballerinnen des Herner TC steht ein Dezember mit sechs Pflichtspielen. Doch die Personalsituation ist weiter angespannt.

Gemeinsam arbeiten sie für den Herner TC , gemeinsam wollen sie für ihren Verein nur das Beste. Ihre unterschiedliche Funktion aber bedingt einen immanenten Interessenskonflikt.

Cheftrainer Marek Piotrowski trägt die sportliche Verantwortung für die Bundesliga-Basketballerinnen, will mit seinem Team den maximalen Erfolg, tut alles dafür. Wolfgang Siebert, der Vorsitzende des Mehrspartenvereins HTC, und seine Frau Felicia als Abteilungsleiterin Basketball haben darüber hinaus die Interessen der gesamten Vereinsfamilie im Blick. Sie tragen letztlich auch die wirtschaftliche Verantwortung, müssen achtgeben, dass der Etat nicht aus den Fugen gerät.

Läuft alles glatt, ergänzen sich beide Seiten. Der Vorstand wirbt Sponsoren an, stellt ein verantwortbares Budget zur Verfügung, kümmert sich um Formalitäten, Wohnungen, die Berufsgenossenschaft, organisiert die Abläufe rund um die Spiele – in Coronazeiten eine besondere Herausforderung. Der Trainer sichtet Videos, pflegt seine Kontakte auch in die internationale Szene, stellt seine Mannschaft zusammen und versucht, aus den verfügbaren Mitteln das Optimum herauszuholen.

Der Schwung des Doublegewinns ist beim Herner TC verflogen

Im Idealfall gibt es am Ende etwas zu feiern, sei es den Klassenerhalt, das Erreichen der Playoffs, oder gar wie beim HTC im Frühjahr 2019 den Gewinn der Deutschen Meisterschaft und des DBBL-Pokals. Damals lief alles perfekt. Das Gros des Kaders war bereits im zweiten Jahr zusammen, es gab kaum ernsthafte Verletzungen, Piotrowski konnte fast an jedem Wochenende aus einem Kader von zwölf nahezu gleichwertigen Spielerinnen wählen, die Belastung steuern und auf Formschwankungen reagieren.

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Das ist jetzt anders. Piotrowskis Hoffnung, den Schwung des Doublegewinns mitzunehmen, damit neue Türen aufzustoßen und den HTC längerfristig in der nationalen Spitze zu etablieren, diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Den Weggang einiger Leistungsträgerinnen konnte er noch gut auffangen, trotz des langfristigen Ausfalls von Jordan Frericks und Chloe Bully lag der HTC als Vierter aussichtsreich im Rennen, als die letzte Saison wegen der Pandemie abgebrochen werden musste.

Verletzte Spielerinnen bereiten Trainer Marek Piotrowski Sorgen

In der gut siebenmonatigen Pause vor dem verspäteten Beginn dieser Spielzeit ist die Double-Euphorie in Herne weiter abgeebbt. Trotzdem gelang es Vorstand und Trainerteam, auch für die laufende Saison einen vielversprechenden Kader nach Herne zu locken. Auch aus finanziellen Gründen, nicht zuletzt aber wegen der schwierigen Corona-Situation stieg der HTC aber erst vier Wochen vor dem ersten Punktspiel ins Training ein, verzichtete auch auf das seit Jahren bewährte Trainingslager in Polen.

Chloe Bully am Ball.
Chloe Bully am Ball. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

War es nun die suboptimale Vorbereitung, oder war es einfach Pech – jedenfalls hat den HTC jetzt eine Serie von Verletzungen aus dem Tritt gebracht. Binnen 14 Tagen erwischte es Chloe Bully, Alyssa Lawrence und Laura Stockton. Alle drei humpelten beim Osnabrück-Spiel mit Gehhilfen bzw. einer Knieorthese herum. Und das Häuflein der wenigen Aufrechten hatte nicht genug Kraft, seine spielerische Überlegenheit in einem Sieg umzumünzen. Wie eine Woche zuvor in Wasserburg schmolz ein satter Vorsprung in der zweiten Halbzeit dahin.

Keine Neuverpflichtung möglich

Anschließend war der Trainer bedient. Er sei gefrustet, sagte Piotrowski, weil es nicht gelungen sei, wenigstens eine neue Spielerin als Ersatz für die Langzeitverletzten zu verpflichten. Das war durchaus als kleiner Seitenhieb Richtung Vorstand zu verstehen. Mit etwas Abstand aber relativierte der 61-Jährige jetzt seine Aussage. „In der Emotionalität direkt nach einem Spiel sagt man schon mal so etwas. Grundsätzlich aber ziehen wir weiter am selben Strang. Wir können nicht aufgrund der aktuellen Situation einen ganzen Verein in den Ruin treiben“, weiß auch der Headcoach. Zumal er selbst seit fast 20 Jahren für Herne arbeitet und den Verein mit den Sieberts und weiteren fleißigen Helfern aus der Viertklassigkeit bis zum DM-Titel und in den Fiba-Eurocup geführt hat.

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Trotzdem ist guter Rat teuer. Noch weiß niemand, wann und in welchem Zustand die Verletzten wieder ins Training einsteigen. Und allein im Dezember warten sechs schwere Punktspiele. „Das geht bei der kleinen Rotation richtig an die Substanz und birgt ein hohes Risiko für weitere Verletzungen“, warnt Piotrowski. „Und dann sind wir ganz schnell im Abstiegskampf.“

Der Nikolaus könnte helfen

Der Wunsch von Marek Piotrowski, den gern auch der Nikolaus schon erfüllen darf: Der eine oder andere Gönner taucht auf und hilft dem noch amtierenden Meister aus der Klemme. „Aber in Corona-Zeiten ist es noch schwerer. Da traut man sich kaum, überhaupt jemanden anzusprechen“, weiß Hernes Headcoach. Fürs Erste muss er sich mit dem behelfen, was der Verein hergibt. Derzeit macht er sich Gedanken, ob er zwei 15-Jährige für das Bundesligateam nachmeldet, damit er im Training wenigstens ab und zu Fünf gegen Fünf spielen lassen kann. Diese jungen Mädchen ins Feuer der DBBL zu schicken, käme jedoch nicht in Frage. „Das sind Kinder. In meinen Augen wäre das Missbrauch“, findet Piotrowski klare Worte.

Immerhin hat er noch eine junge Dame im Kader, die in den ersten Spielen kaum oder gar nicht zum Einsatz kam: Dayna Rouse. Sie kann allerdings nicht als Guard spielen und könnte nur auf den großen Positionen Entlastung bringen. Hier aber hat der HTC mit Harris, Topuzovic oder Pelander Stärken. „Wenn ich sie rauslasse, steigert das unsere Chancen nicht“, ist Piotrowski von Rouses Trainingsleistungen noch nicht so angetan. Vielleicht kann das US-Girl seinen Trainer ja schon am Sonntag bei TK Hannover von sich überzeugen.

Auf den Herner TC warten jedenfalls ganz harte Monate. Doch gemeinsam wollen Vorstand, Trainer und Mannschaft auch diese schwierige Phase meistern. Etwas Hilfe von außen käme jetzt aber zur richtigen Zeit.

Bully, Westerik & Co.: Der Kader des Herner TC für die Saison 2020/21:

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