Herne. Selten sympathisch, voll erfolgreich: Vor drei Jahren kehrte Westfalia Herne in die Oberliga zurück. Mit Fußball, Mentalität und großer Klappe.
An den 21. Mai 2017 erinnert sich Pascal Königs noch ganz genau. „Jetzt kann ich es ja sagen: Das war ein brutales Wochenende. Der FC hat samstags den Einzug in die Europa League klar gemacht“, sagt Königs, leidenschaftlicher FC-Köln-Fan und damals auch Torwart des Westfalenligisten Westfalia Herne.
Kurze Nacht, früh wieder raus: Sonntagnachmittag ging es zum SV Brackel, wo die Herner schließlich die Rückkehr in die Oberliga perfekt machen würde – nach hartem Kampf. „Ich hab aber nie dran gezweifelt. Ich hab samstags den Jungs im Stadion schon gesagt: Heute Europapokal – und morgen steigen wir auf!“
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Diese Überzeugung zog sich wie ein roter Faden durch die Herner Aufstiegssaison, diese Siegesgewissheit machte die Mannschaft aus.
Von der Aufstiegsmannschaft stand nur noch ein Spieler zuletzt im Herner Kader – Kapitän Maurice Temme. „Das war mein erstes Jahr in Herne. Ich kam vom VfL Bochum aus der U19-Bundesliga direkt in eine richtige Herrenmannschaft.“
Fatlum Zaskoku, Marco Onucka, Maurice Kühn, Fatmir Ferati oder auch Torwart Königs – das waren die Köpfe der damaligen Mannschaft. „Auf jeden Fall eine ältere Mannschaft als jetzt“, meint Temme lachend – mit Anfang 20 war er zuletzt schon einer der erfahrensten im Herner Aufgebot.
Herne liegt immer vorne und macht seine Versprechen wahr
„Für mich war es super lehrreich, von diesen Spielern zu lernen – zum Beispiel zu sehen, wie Zaskoku so eine Mannschaft führt“, sagt Temme, der später als Kapitän folgte. „Ich hatte in der Hinrunde noch Anlaufschwierigkeiten, wurde erst in der Rückrunde fester Bestandteil der Mannschaft. Für mich war es mein erster Aufstieg sofort im ersten Seniorenjahr und wir haben ja später auch noch den Kreispokal gewonnen.“ Es war eine dominante Herner Saison.
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Zu keinem Zeitpunkt der gesamten Westfalenliga-Spielzeit 2016/17 hatte eine Mannschaft mehr Punkte auf dem Konto als der SCW, an 27 von 30 Spieltagen war das Team von Christian Knappmann Tabellenführer. An Herne würde im Aufstiegskampf kein Weg vorbeiführen – weder nach innen noch nach außen ließen die Herner daran Zweifel.
„Wir haben sicher mit unserem Auftreten und unserer Spielweise dazu beigetragen, dass uns keiner in der Liga den Aufstieg gegönnt hat“, erinnert sich Königs. „Die anderen haben gegen uns immer 150 Prozent reingehauen.“
Also musste Westfalia immer mindestens das gleiche dagegensetzen. Vollgepumpt mit Testosteron und Adrenalin, selten sympathisch, aber immer siegessicher und vor allem erfolgreich – so trat Herne in dieser Saison auf. Nicht einmal die 1:3-Niederlage im Topspiel in Holzwickede sorgte für einen Knacks.
„Es gab keine Zweifel“: Die Mentalität steht über allem
„Die Saison hat im Nachhinein mehr Spaß gemacht als die Jahre in der Oberliga“, findet Temme. „Ich war froh, dass ich nicht in die Regionalliga oder Oberliga, sondern Westfalenliga gewechselt bin.“ – „Es steckte viel Fleiß und Schweiß in dem Erfolg“, sagt Königs. „Und es gab keine Zweifel. Wir haben uns immer gegenseitig gesagt Wir müssen uns nur pushen und zusammenhalten, dann kann uns keiner schlagen. Dass wir nie aufgegeben haben, die Mentalität hat uns ausgezeichnet.“ Auch Temme schwärmt von der „Mega-Moral“.
In Brackel sollte es zur Krönung kommen – wenn es auch kein schönes Spiel war.
Onucka und Ferati brachten Herne in den Minuten nach der Pause mit 2:0 in Front. „Ich hab eine Chance vergeben“, weiß Temme noch – es wäre sein erstes Ligator für Westfalia gewesen. Mit 2:1 zittert sich Herne über die Zeit, dann geht das Warten los. Herne ist auf Schützenhilfe angewiesen.
Der Co-Trainer funkt die Nachrichten aus Olpe nach Brackel
Co-Trainer Thorsten Sievert ist in Olpe beim Spiel gegen Holzwickede, wo es später losging. Als er die Nachricht von der Holzwickeder Führung überbringt, löst sich die Herner Spannung. Sie verabschieden sich vom Anhang – dann eben nächste Woche zu Hause, so die Stimmung.
„Ich stand bei meiner Familie, hatte gerade meinen ersten Schluck vom Weizen genommen“, berichtet Königs. „da hör ich auf einmal: Volleskalation in der Kabine.“ Olpe hatte nicht nur ausgeglichen, sondern das Spiel sogar gedreht, Herne zum Meister gemacht. Aus den Kabinen ging es zurück auf den Platz.
„Ans Spiel hab ich kaum Erinnerungen. Aber danach ging die Post ab“, so Temme. „Das erste an was ich denken muss, ist wie Königs die Humba anstimmt. Nachher gab es noch eine kleine Party bei uns in der Kabine.“ Vor allem für den noch europapokal-geschwächten Königs ein „brutales“ Wochenende.
Der Aufstieg hat eine große Bedeutung für die aktuelle Lage des SCW
Auch wenn Maurice Temme in der kommenden Saison für Türkspor Dortmund in der Landesliga spielt und damit der letzte Spieler der Aufstiegsmannschaft die Westfalia verlässt: Die Bedeutung des Aufstiegs für die aktuelle Westfalia ist nicht zu unterschätzen.
Hätte Westfalia nach lautstarken Ankündigungen damals den Aufstieg verpasst, hätte es wohl für Trainer Knappmann irgendwann eng werden können.
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Der Club hätte einen dritten Anlauf auf den Oberliga-Aufstieg nehmen müssen. Aus dem Betriebsunfall „Westfalenliga“ wäre wohl ein Dauerzustand geworden. Stattdessen ist Westfalia Oberligist (wenn auch im Insolvenzverfahren) und schaut aktuell optimistischer in die Zukunft als in vergangenen Jahren. Auch Pascal Königs wird wieder ein Teil dieser Zukunft sein.
„Ich war ja nie wirklich weg“, sagt er. Die Erinnerungen an die Aufstiegssaison hätten auch ihren Teil dazu beigetragen, dass es eine leichte Entscheidung war, zurückzukommen – nicht nur als Torwart und Torwarttrainer zurück, Königs wird sich bei Westfalia auch im Bereich Marketing und Öffentlichkeitsarbeit engagieren.
„Wir wollen was bewegen, mit dem neuen Vorstand Gas geben“, meint er – und dann sagt er etwas, was ihm 2016/17 als selbst erklärter Titelfavorit wohl nie über die Lippen gekommen wäre: „Wir wollen Westfalia Herne wieder sympathischer machen.“
Hier geht es zum WAZ-Bericht aus dem Jahr 2017.
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