Herne. Antifa sieht „Naziproblem“ im Umfeld von Westfalia Herne. Trainer Knappmann reagiert öffentlich, Vorsitzender Heinecke im Gespräch mit „Ultras“.
Es sollte die Woche werden, in der sich der SC Westfalia Herne auf sein zweites Punktspiel in diesem Jahr vorbereiten und konzentrieren wollte. Am Montag aber setzte sich Christian Knappmann, der Trainer des SC Westfalia Herne, hin und schrieb keinen Trainings- oder Matchplan, sondern einen Beitrag für seine Facebookseite. Sein Thema: Rassismus. Aus aktuellem Anlass.
Zuletzt war Jordan Torunarigha, Profi von Hertha BSC Berlin, in der Schalker Arena offenbar rassistisch beleidigt worden.
Antifa Bochum: „Westfalia Herne hat ein Naziproblem“
Anfang dieser Woche dann lautete eine Schlagzeile im Internet, im Infoportal Antifaschistischer Gruppen aus Bochum: „Westfalia Herne hat ein Naziproblem“.
Der Vorwurf: „Es geht um die Problematik einer Ansammlung gewalttätiger Personen mit menschenverachtender Einstellung im Umfeld des SC Westfalia Herne, die eine konkrete Gefahr für Andersdenkende oder Menschen mit Migrationshintergrund darstellen. Daher liegt die Betonung stets auf ,rechter’ Hooligan- bzw. Ultragruppe. So bezeichnet der Anführer der Ultras Herne seine Gruppe selbst als rechts“, heißt es in dem Beitrag.
Dieser will Schnittpunkte zwischen der Fußballszene und den Veranstaltungen „besorgter Bürger“ aufzeigen, auch Verbindungen von den Anfang 2019 gegründeten Herner „Ultras“ zu Mitgliedern der Identitären Bewegung.
Stellungnahme von Seiten der „Ultras“
Der offenbar gemeinte „Anführer der Ultras“ bezieht dazu, im Namen der Gruppe, wie er betont, so Stellung: „Wir als Gruppe Ultras Herne sind bisher immer unpolitisch aufgetreten.“
Man habe, schreibt er, „allen Mitgliedern der Ultras Herne den Rat gegeben, auszutreten, wenn diese politisch aktiv sind. Dies ist dann auch geschehen.“ Diese Gruppe, die Ultras Herne, sei nun „sauber“.
Trainer Knappmann nimmt als erster öffentlich Stellung
Christian Knappmann war der erste aus Reihen der Westfalia gewesen, der öffentlich darauf reagierte. Und eines, darauf angesprochen, grundsätzlich feststellt: „Von den Ultras hat sich niemand im Stadion fremdenfeindlich geäußert“, so Knappmann.
Am 7. November haben sich Mannschaft und Vereinsoffizielle des Fußball-Oberligisten SC Westfalia Herne für ein Foto aufgestellt, für die Kampagne „Herne mit Respekt“ ein Plakat mit der Aufschrift „Rassismus und Ausgrenzung haben bei uns keinen Platz“ in die Kamera gehalten.
„Immer klar Stellung beziehen“
Knappmann hat dazu noch ein Statement darüber hinaus: „Es ist wichtig, dass man immer klar Stellung bezieht. Nicht nur das Reden darüber ist entscheidend, sondern auch: lebe ich das?“
Geschrieben hat er das so: „Wahrhaftig dem Rassismus entgegen zu treten, bedeutet nicht nur reden, sondern auch entsprechend zu handeln. Echte Zivilcourage heißt dummen Parolen energisch zu widersprechen. Tatsächliche Menschlichkeit ist geprägt durch Toleranz, Verständnis und Hilfsbereitschaft.“
Westfalia Herne zieht erste Konsequenzen
So verweist Hernes Trainer darauf, dass – wie in den anderen heimischen Vereinen auch – sowohl in der Jugend- als auch in der Seniorenabteilung Spieler (bzw. auch deren Eltern) aus allen möglichen Nationen vertreten sind.
Knappmann stellt fest: „Ich kann nur für mich sprechen, aber die allermeisten Gäste (unter anderem meine Spieler) sind toll integriert.“
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Konsequenzen aber hat der Verein Anfang der Woche auch gezogen.
Vorsitzender Uwe Heinecke sagt zum Thema Rassismus grundsätzlich: „Falls etwas in unserem Stadion vorkommen sollte, würden wir sofort hart durchgreifen.“
Vorsitzender Uwe Heinecke: „Ultras trennen sich von bestimmten Personen“
Außerdem aber habe es in dieser Woche zwei Treffen mit den „Ultras“ gegeben: „Wir haben uns zusammengesetzt und die Ultras trennen sich von bestimmten Personen.“ Die zuletzt ausgesprochenen Stadionverbote nach dem Spiel gegen RW Ahlen, als im November Chaoten Pyros auf der Tribüne abbrennen ließen, bleiben außerdem bestehen, so Heinecke.
Mehr Handhabe hätten Sportvereine zunächst einmal nicht, erklärt Gunter A. Pilz (75), Soziologe mit dem Schwerpunkt Sportsoziologie. Er ist unter anderem Beauftragter des Deutschen Fußball-Bundes für Gesellschaftliche Verantwortung.
Ein Stadionverbot sei erst dann möglich, „wenn jemand etwas tut, was tatsächlich gegen die Stadionordnung verstößt“, so Pilz.
„Wegsehen und weghören, das kann es nicht sein“
Vielleicht seien kleineren Vereinen engere Grenzen in ihren Handlungsmöglichkeiten gesetzt, sagt der Soziologe. Der 75-Jährige fügt zum Thema Rassismus und Rechtsradikalismus an: „Vereine tun meistens, was sie können, viele auch mehr. Aber ein Verein alleine kann diese Probleme nicht lösen, das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“
Zu einer Kultur des Handelns gehöre es, wachsam zu sein, auch als Zuschauer beim Fußball: „Wenn etwas passiert, sollte man das melden, bei der Polizei oder den Ordnern. Wegsehen und weghören, das kann es nicht sein.“
Hinweis: der Text wurde mit der Stellungnahme von Seiten der „Ultras Herne“ aktualisiert.
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