Sprockhövel. Leonie Kockel steht beim ungeschlagenen Tabellenführer Borussia Dortmund unter Vertrag. Sie erzählt, wie ihr erfolgreicher Weg verlaufen ist.

Mit 30:0 Punkten steht die Damenmannschaft von Borussia Dortmund aktuell an der Spitze der Handball-
Bundesliga. Im Kader steht mit Leonie Kockel (20) auch eine Sprockhövelerin, die seit Sommer ins Profialter gekommen ist. Wir haben mit der Rückraumspielerin gesprochen.

Frau Kockel, es ist nun eine Weile her, als Sie bei der TSG Sprockhövel mit dem Handball begonnen haben und danach bei der JSG Hattingen-Welper spielten. Woran erinnern Sie sich noch?

Gestartet bin ich damals bei der TSG durch meine Schulfreundinnen, die mich inspiriert haben und durch meinen Nachbarn, der auch Handballer war. In Erinnerung geblieben ist mir, dass ich lange Zeit mit Jungs zusammengespielt habe. Das ist etwas komplett anderes als mit Mädchen zu spielen. Bei der JSG war es schon etwas leistungsorientiert. Dort habe ich später mit Vanessa Brandt zusammengespielt, die nun in der zweiten Liga bei Solingen-Gräfrath spielt. Wir sind mit einer Schulmannschaft zusammengewürfelt worden und haben in der D-Jugend Meisterschaften gewonnen, was zu der Zeit total cool und große Erfolge waren. Von meinen Trainerin habe ich viel gelernt, von Meike Neitsch bei den Jungen und von Anna Brandt dann bei den Mädchen.

Was haben Sie aus der Zeit in Ihrer Heimat und dem Amateurhandball mitgenommen?

Leonie Kockel (l.) ist in Sprockhövel aufgewachsen und wohnt seit kurzem in Dortmund.
Leonie Kockel (l.) ist in Sprockhövel aufgewachsen und wohnt seit kurzem in Dortmund. © Unbekannt | Borussia Dortmund


Vor allem das Spiel mit den Jungs zusammen bringt eine ganz andere Härte, man ist ganz anders aktiv und lernt Dinge, die einem gar nicht so bewusst sind. Bei der TSG wurden oft Jugendcamps angeboten, an denen ich fast immer teilgenommen habe. Es hat riesig viel Spaß gemacht und dadurch bin ich beim Handball geblieben. Ich habe Spielfreude entwickelt und im technischen oder auch koordinativen Bereich viel gelernt, wovon ich heute profitiere.

Wie ist es damals zum Wechsel in die Jugend von Borussia Dortmund gekommen?

Meine damalige Trainerin bei der JSG Hattingen-Welper, Anna Brandt, hat früher selbst mal beim BVB gespielt. Ich bin damals zusammen mit Vanessa Brandt dorthin gewechselt. Es war nochmal ein ganz anderes Niveau und wir haben mit anderen Leuten zusammen trainiert. Bei der JSG wäre das Leistungsniveau zu dem Zeitpunkt nicht mehr gegeben gewesen, daher brauchten wir eine Veränderung. Es war auch mit der Schule zu vereinbaren, was wir sehr wichtig war, weil ich nie ein Internatskind war. Mit einer Fahrgemeinschaft hat sich das angeboten. Vanessa war dann schon in der C-Jugend, ich wurde als D-Jugendliche hochgezogen.

Beim BVB haben Sie dann die Jugendteams durchlaufen, sind Stammspielerin gewesen und zur Jugend-Nationalspielerin aufgestiegen. Neben internationalen Turnieren haben Sie im vergangenen Jahr im letzten Spiel für die A-Jugend dann in letzter Sekunde die Meisterschaft zugunsten des BVB entschieden. Wie blicken Sie auf ihre bisher erstaunliche Jugendkarriere zurück?


Ich bin sehr froh über meine Entwicklung und stolz darauf. Es war schon ein enormer Zeitaufwand, zumal ich gleichzeitig mein Abitur am Gymnasium Holthausen gemacht habe. Es ist cool, dass ich so viel aus der Zeit mitgenommen habe, was mir für meine Persönlichkeit einiges bringt. Für einen Sportler ist es das, was man sich wünscht. Wenn man so etwas am Ende erreicht, ist es super – auch, wenn es in der Jugendzeit nur kleine Schritte sind.

Welche Erfahrung haben Sie bei Ihrem ersten internationalen Turnier gemacht?

Das war 2014 direkt, ich bin mit dem Jahrgang über mir zur Europameisterschaft nach Skopje in Mazedonien geflogen. Ich wurde nachnominiert, weil sich jemand verletzt hatte. Das war natürlich super, mit den älteren zusammenzuspielen, auch wenn ich nicht so viel gespielt habe, weil ich noch nicht ganz auf dem Niveau der anderen war.

Was war Ihr Höhepunkt in der Jugendzeit?

Der Länderpokal 2017, als ich mit der Westfalenauswahl angetreten bin. Ich wurde dort auch schon früh hochgezogen und war dann Leistungsträgerin. Und natürlich auch die Europameisterschaft im gleichen Jahr, 2017 war schon ein sehr gutes Jahr für mich.

Bereits als A-Jugendliche haben Sie in der Bundesliga-Mannschaft der Damen gespielt, sogar im Europacup. Nun gehören Sie fest zum Kader. Was verändert sich als Profi?

Der Schwerpunkt ist ein anderer. Vorher in der Jugendzeit war die Schule noch wichtig. Wobei ich sie eher nebenbei gemacht habe und vorrangig Handball gespielt habe. So sollte es natürlich nicht sein, bei mir hat es aber so gepasst. Jetzt verlagert sich alles, ich richte mein Leben danach und muss andere Prioritäten setzen. Ich bin diese Saison nach Dortmund gezogen, die Wege waren einfach zu lang und haben viel Zeit gekostet. Nun fahre ich fünf Minuten zur Halle.

Wie viele Trainingseinheiten haben Sie in der Woche?


Wir kommen meistens auf neun Einheiten plus Spiel. Das heißt in der Regel zweimal am Tag und an einem Tag bekommen wir dann frei, je nachdem, an welchem Tag unser Spiel liegt.

Zuletzt wurden Sie durch Schulterbeschwerden gestoppt. Wie gehen Sie mit der Situation um, haben Sie Bedenken, zurückgeworfen zu werden?

Wenn du nicht trainierst, kannst du natürlich handballerisch auch nichts dazulernen. Das ist in meinem Alter natürlich auch eine doofe Situation, womit ich klar kommen muss. Letztendlich muss man schauen, dass man den Rückstand wieder aufbaut, vor allem im athletischen Bereich und dann geht es auch wieder weiter. Darüber nachzudenken, ob man dadurch schlechter wird, macht einen nur wirr im Kopf. Mann muss sowieso nach vorne blicken. Die Hauptsache ist, dass der Körper wieder fit ist und gut funktioniert und dann kann man auch wieder Leistung bringen.

Zwei Semester lang haben Sie Physiotherapie studiert. Hat dies in der aktuellen Situation geholfen?

Ja, es hat mir wirklich geholfen. Ich schaue immer mal zwischendurch in Bücher, weil es die Verletzung verstehen möchte. Auch generell beim Krafttraining oder Laufen hilft es mir.

Haben Sie eine Bezugsperson im Team, von der Sie lernen?


Nein, ich kann von jeder Spielerin viel mitnehmen. Sei es aus dem Bereich Handball oder auf der persönlichen Ebene. Ich schaue auch ein bisschen zu ihnen auf und baue mir zusammen, was ich in unseren Spielen sehe. Als Spielerin muss man sich auch entwickeln und seine Position finden. Ich schaue aber nicht nur auf meine Mitspielerinnen, die ebenfalls im Rückraum spielen, das verteilt sich.

Wie gehen die älteren Spielerinnen mit den jungen um: muss man sich beweisen oder nehmen sie einen eher an die Hand?

Natürlich nehmen sie einen an die Hand, aber du musst sich auch beweisen. Gerade als junge Spielerin muss man sehr ehrgeizig und mit 110 Prozent dabei sein. Ich frage auch mal was nach, aber irgendwann muss eine junge Spielerin ihren Weg gehen.

Der BVB steht an der Tabellenspitze der Damen-Bundesliga und im Final Four um den DHB-Pokal. Welche Ziele haben Sie mit der Mannschaft?

Es ist cool, dass wir unbesiegt Hinrundenmeister geworden sind. Jetzt geht es darum, diese Leistung zu bestätigen. Es kommen noch einige Top-Spiele auf uns zu. Wir wünschen uns natürlich, Deutscher Meister zu werden und kämpfen dafür, aber am Ende wird dann abgerechnet.

Wie kommt es, dass Ihre Mannschaft so lange Zeit ungeschlagen ist?

Leonie Kockel (m.) spielt in der Handball-Bundesliga für Borussia Dortmund.
Leonie Kockel (m.) spielt in der Handball-Bundesliga für Borussia Dortmund. © Borussia Dortmund | Wolfgang Stummbillig


Wir trainieren auf einem hohen Niveau und es läuft einfach. Wir spielen gut zusammen, sind dadurch auch ein bisschen im Flow. Jetzt sind wir die Gejagten, jetzt will jeder den BVB schlagen. Die großen Vereine wie Bietigheim oder der Thüringer HC haben damit wahrscheinlich nicht gerechnet. Es wird nun in der Rückrunde sehr schwierig und nochmal eine andere Situation.

Sie haben in dieser Saison unter dem neuen Trainer André Fuhr noch nicht so viel Spielzeit bekommen. Wie schwierig ist es, seinen Platz im Spiel zu bekommen, gerade in dem Kader mit einigen Nationalspielerinnen?

Das Ziel ist es als Jugendspielerin, die Konkurrentinnen auf deiner Position zu verdrängen. Dafür kämpft man im Training und muss sich dort beweisen. Dann entscheidet der Trainer, ob man spielt oder nicht. Ich sehe für mich schon eine Chance. Je besser die Mitspielerinnen sind, desto geringer ist die Chance natürlich, dass man spielen darf. Es hängt eben von der Leistung ab.

Sie haben sich in den vergangenen Tagen für einen Wechsel zum Ligakonkurrenten HSG Bensheim/Auerbach Flames entschieden, was sind die Gründe dafür?

Für mich als junge Spielerin sind Spielanteile elementar wichtig. Sie werden in Bensheim realistischer sein als beim BVB. Ich habe in Bensheim eine neue Herausforderung und werde die nächsten Schritte in meiner Entwicklung machen.

Was wird für Sie als nächstes kommen?


Mein Ziel ist es erst mal, mich in der ersten Bundesliga zu etablieren. Das steht für mich im Vordergrund. In Bensheim mache ich den nächsten Schritt. Im Sommer steht außerdem noch die Juniorinnen-Weltmeisterschaft an. Da ist es mein Ziel, mitzufahren, mich zu zeigen und zu beweisen und mit der Mannschaft möglichst weit zu kommen.