Gladbeck. . Schock für Pierre-Michel Lasogga: Kurz vor seinem Debüt in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zog sich der Gladbecker am Dienstagabend eine Verletzung im Abschlusstraining zu. Dabei hatte er gute Aussichten auf einen Einsatz gegen Chile - und auf ein WM-Ticket.

Er stand so kurz davor. Doch vorerst ist für Pierre-Michel Lasogga der Traum vom Debüt in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft geplatzt. Der Bundesliga-Profi aus Gladbeck zog sich am Dienstagabend im Abschlusstraining mit der Nationalelf eine Muskelverhärtung im Oberschenkel zu und musste die Einheit abbrechen. "Lasogga hat sich leider verletzt und fällt aus", bestätigte Team-Manager Oliver Bierhoff vor dem WM-Test gegen Chile am Mittwochabend (20.45 Uhr/in unserem Live-Ticker) die Schreckensmeldung.

Einer echter Schock für den HSV-Profi: Denn er durfte sich durchaus berechtigte Hoffnungen auf seine ersten Minuten im Trikot mit dem Adler auf der Brust machen. „Wenn Joachim Löw ihn nominiert, dann wird er ihn gegen Chile auch bringen“, kommentierte Hans-Josef Justen, der ehemalige Sportchef der WAZ, zuvor die Entscheidung des Bundestrainers, den bulligen Mittelstürmer in die A-Nationalmannschaft zu berufen.

„Überrascht hat mich seine Nominierung schon“, räumte Justen ein, „ganz ehrlich: Daran hätte ich bis vor wenigen Wochen nicht gedacht.“ Fußball-Deutschland wohl auch nicht.

Mister Nicht-ganz-100-Prozent

Denn Lasogga, der am 15.12.1991 in Gladbeck das Licht der Welt erblickte und heute 22 Jahre zählt, hat in seiner noch jungen Laufbahn bereits einen Weg hinter sich, der einer Odyssee gleicht. Nach seinen ersten fußballerischen Gehversuchen für den FC Gladbeck ging es über die Jugendabteilungen des FC Schalke 04, Rot-Weiss Essen, der SG Wattenscheid 09, des VfL Wolfsburg und Bayer 04 Leverkusen im Sommer 2010 schließlich zum damaligen Zweitligisten Hertha BSC Berlin, für den er in seiner Premierensaison 13 Tore in 25 Einsätzen erzielte. Der 1,89-Meter-Hüne hatte spätestens da bewiesen, dass er zum Profifußballer taugt. Der Nachweis, ein Kandidat für die Weltmeisterschaft im Sommer in Brasilien zu sein, sollte nun am Mittwoch folgen. Dabei schien Lasogga bei seinen Klubs nicht immer das vollste Vertrauen zu genießen, zu Beginn der aktuellen Bundesliga-Spielzeit lieh ihn der Aufsteiger aus der Bundeshauptstadt an den Hamburger SV aus.

Justen sieht Draxler in Brasilien

Bekanntermaßen ist Pierre-Michel Lasogga, der zur kommenden Saison zur Hertha zurückkehren soll und um den nun auch der VfL Wolfsburg intensiv buhlen soll, nicht der erste deutsche Nationalspieler, den die Sportstadt Gladbeck hervorgebracht hat. Diese Ehre wurde Schalkes Julian Draxler zuteil, der am 26. Mai 2012 gegen die Schweiz für Deutschland debütierte.

Draxlers WM-Chancen beurteilt Hans-Josef Justen positiv: „Ich schätze seine Chancen - wenn er fit ist - höher ein als die von Pierre-Michel. Julian hat sich bei Löw bereits bewähren können. Fraglich ist, ob er unter seiner verrückten Ablösesumme von 45 Millionen Euro leidet.“

Ein Glücksgriff für die Hanseaten, denn wer weiß, wie schlimm es um den abstiegsgefährdeten Bundesliga-Dino ohne Lasoggas aktuell elf Saisontore wirklich stehen würde. „Schalke hat wohl damals sein Talent verkannt, und auch Hertha schien vor der Saison nicht zu 100 Prozent von ihm überzeugt zu sein“, wundert sich Justen, der den kleinen Lasogga schon kannte, als der noch weit von seiner Hünenhaftigkeit entfernt war. Anders als etwa Miroslav Klose von Lazio Rom, analysiert Justen, sei Lasogga kein „spielender Stürmer, aber auch eben nicht der Typ Gerd Müller“. Sich irgendwo dazwischen einzuordnen zu können, ist sicherlich auch nicht verkehrt.

Die ganz große Gelegenheit

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Die Nominierung Lasoggas, glaubt Justen, zeige aber auch auf, welche Baustellen es im Löw’schen WM-Kader noch zu schließen gibt: „Im Mittelfeld sind wir stark besetzt, ohne Frage. Aber im Sturm gibt es zu Klose und Mario Gomez kaum Alternativen.“ Klose, ganz Musterprofi, hat mit seinen 35 Jahren dennoch immer wieder mit Blessuren zu kämpfen, Mario Gomez, der wie Klose in Italiens höchster Spielklasse, nämlich beim AC Florenz unter Vertrag steht, hat gerade erst eine mehrmonatige Knieverletzung auskuriert.

Alles schien folglich nach einer günstigen Gelegenheit für den Gladbecker auszusehen. Bis Dienstagabend, bis zur Schreckensnachricht. Justen bezeichnet Lasogga als "ehrgeizigen Hund“, doch die Verletzung wird ihn erst einmal außer Gefecht setzen. Selbst ein Einsatz für den Hamburger SV am Samstag gegen Eintracht Frankfurt scheint aktuell fraglich.