Gladbeck. Qualifikationswettkämpfe werden abgesagt, die Olympischen Spiele vielleicht verschoben. So fühlt sich Topschwimmerin Jessica Steiger (Gladbeck).

Ihr großer Lebenstraum droht zu platzen. Jessica Steiger, Top-Schwimmerin des VfL Gladbeck, wollte in diesen Tagen eigentlich die Fahrkarte für die Olympischen Spiele in Tokio lösen. Infolge der Corona-Krise sind jedoch schon diverse Qualifikationswettkämpfe abgesagt worden. Und längst wird darüber diskutiert, ob die Spiele überhaupt wie geplant vom 24. Juli bis zum 9. August ausgetragen werden können oder nicht.

Für Jessica Steiger sind neue Nachrichten aktuell schlechte Nachrichten

„Mir geht’s momentan nicht so toll“, sagt Jessica Steiger im Telefonat mit der WAZ. Und weiter: „Jeden Tag gibt es neue Informationen.“ Und momentan sind neue Informationen für die 27-jährige Klasse-Schwimmerin gleichbedeutend mit schlechten Nachrichten.

Jessica Steiger gehört seit vielen Jahren zur deutschen Schwimm-Elite. Sie war bei Welt- und Europameisterschaften, hält den nationalen Rekord über 200 Meter Brust und hat etliche deutsche Meistertitel gewonnen.
Jessica Steiger gehört seit vielen Jahren zur deutschen Schwimm-Elite. Sie war bei Welt- und Europameisterschaften, hält den nationalen Rekord über 200 Meter Brust und hat etliche deutsche Meistertitel gewonnen. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

„Inzwischen“, sagt das Aushängeschild des VfL, „wird ja auch schon darüber diskutiert, dass Olympia um zwei Jahre verschoben werden soll.“ Dann wäre sie 30 Jahre jung. Ihr Plan war ein anderer: Sie wollte in diesem Sommer an den Spielen teilnehmen, die unvergleichliche Atmosphäre genießen, in sich aufsaugen, und anschließend ihre lange und überaus erfolgreiche Karriere ausklingen lassen. Eines steht für Steiger fest: „Vier Jahre mache ich das auf keinen Fall mehr.“

Zu Olympischen Spielen hat es Jessica Steiger noch nicht geschafft

Seit langer Zeit gehört sie zu den besten Schwimmerinnen Deutschlands. Jessica Steiger war bei Welt- und Europameisterschaften, sie hält den nationalen Rekord über 200 Meter Brust und hat etliche nationale Titel gewonnen - bei den Deutschen Kurzbahnmeisterschaften in Berlin im November des vergangenen Jahres beispielsweise nicht weniger als drei. Zu Olympischen Spielen hat sie es aber noch nicht geschafft. 2012 kam eine Verletzung dazwischen, 2016 verpasste sie die Quali denkbar knapp.

In diesem Jahr sollte es endlich klappen. Angreifen wollte die amtierende Deutsche Meisterin über 200 Meter Brust die Tokio-Normen beim traditionell hochkarätig besetzten Bergen Swim Festival in Norwegen (28. bis 30. März). Auf dieses Meeting hatte Steiger ihr Vorbereitungsprogramm inklusive Höhentrainingslager in der spanischen Sierra Nevada ausgerichtet, auf diesem Meeting wollte sie versuchen, topfit zu sein. Am vergangenen Mittwoch wurde es jedoch abgesagt.

Selbst die Deutschen Meisterschaften stehen offenbar auf der Kippe

„Wir haben“, berichtet Jessica Steiger, „daraufhin alles sofort umgestellt.“ Doch es hagelte weitere Absagen - auch die Stockholm Swim Open (3. bis 6. April), an der wie in Bergen immer viele Weltklasseschwimmer an den Start gehen, fallen aus. Die neueste Info, also schlechte Nachricht ließ nicht lange auf sich warten: Am vergangenen Freitagabend hat der Deutsche Schwimmverband (DSV) alle offiziellen DSV-Veranstaltungen bis auf Weiteres abgesagt.

Im vergangenen Sommer startete Jessica Steiger (2. v. re.) noch für Deutschland bei der Weltmeisterschaft in Südkorea.
Im vergangenen Sommer startete Jessica Steiger (2. v. re.) noch für Deutschland bei der Weltmeisterschaft in Südkorea. © dpa | Bernd Thissen

Damit stehen offenbar auch die nationalen Titelkämpfe in Berlin, die vom 30. April bis zum 3. Mai und als letzter Quali-Wettkampf angesetzt waren, auf der Kippe. Jessica Steiger und alle anderen deutschen Topschwimmer müssen nun abwarten, wie es überhaupt weitergeht. Der DSV teilte nämlich mit, dass in dieser Woche weitere Informationen veröffentlicht werden.

In Antwerpen hat die Gladbeckerin noch ein dickes Ausrufezeichen gesetzt

Wie kann sich in dieser völlig unübersichtlichen Lage Jessica Steiger eigentlich noch motivieren, weiter tagtäglich hart zu schuften, weiter ihr großes Ziel nicht aus den Augen zu verlieren? „Es ist nicht leicht“, gesteht sie. Und sie betont: „Ich muss zugeben, dass das unmittelbar nach Antwerpen deutlich einfacher war.“

In Antwerpen, also Anfang März, als das Coronavirus scheinbar noch weit weg war, hatte die Gladbeckerin gleich ein ganz dickes sportliches Ausrufezeichen gesetzt. Es war ihr nämlich gelungen, über 100 Meter Brust eine persönliche Bestzeit (1:07,33 Min.) aufzustellen. Den nationalen Rekord hatte sie um nur 32 Hundertstel verpasst, die Norm für die Spiele um 33. „Damit“, so Jessica Steiger seinerzeit noch hoffnungsfroh, „hätte ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht gerechnet.“

Nur ein paar Tage später bleibt Jessica Steiger nichts anderes übrig als weiter zu trainieren, sich in Geduld zu üben. Und auf Nachrichten zu hoffen, die keine schlechten mehr sind . . .