Annika Drazek hat nun auch offiziell das Olympiaticket und gilt als heiße Medaillenkandidatin. Sie hat lange daraufhingearbeitet.
Am 9. März 2015 saß Annika Drazek im Gladbecker Rathaus und durfte sich ins Goldene Buch der Stadt Gladbeck eintragen. „Das ist wie im Märchen. Von nichts nach ganz oben“, staunte ihre stolze Mutter damals. Drazek war schließlich gerade einmal ein halbes Jahr lang Bob- Anschieberin, wurde schon für ihre WM-Silbermedaille im Bob von Anja Schneiderheinze geehrt.
Auch wenn es ein Märchen war — für Annika Drazek war das Happy End noch lange nicht erreicht: „Ich habe immer gesagt, ich will zu den olympischen Spielen. Man soll sich früh Ziele setzen. Mit der Sommerolympiade wird es wohl eher schwer. Mein nächstes Ziel ist Olympia 2018.“
„Trumpfkarte“ und „Aushängeschild“
Am 20. Januar 2018 gewinnt Annika Drazek gemeinsam mit Steffi Schneider das Weltcup-Rennen am Königssee, die Generalprobe für die Olympischen Spiele. Im Interview nachher wird Drazek die Frage gestellt, ob sie bei Olympia jetzt der zu schlagende Schlitten seien.
Der „Sportinformationsdienst“, dessen Texte in zahlreichen Tageszeitungen und Onlinemedien veröffentlicht werden, schreibt: „Trumpfkarte der deutschen Frauen ist ohne Zweifel Annika Drazek. Die 22-Jährige gilt mittlerweile als weltbeste Anschieberin — wer mit ihr fahren darf, greift nach Edelmetall.“
Ausnahmeerscheinung im deutschen Bobsport
Schon vor zwei Wochen nannte die Sportschau sie die „Erfolgsgarantin“ im deutschen Bob-Team: „Beim Bobfahren stehen die Anschieber meist im Hintergrund. Annika Drazek (...) bildet jedoch die Ausnahme.“ Was ist in diesen dreieinhalb Jahren, nachdem Drazek das erste Mal im Königssee in einem Bob saß, passiert?
Niemand weiß das besser als Heiner Preute. „Ja“, sagt er schnell und eindeutig auf die Frage, ob über drei Jahre immer das Fernziel Olympia 2018 über allem stand. Und immer näher rückte.
Das Ziel Olympia schwebte immer über allem
„Spätestens mit ihren ersten Erfolgen war das klar. Wenn man bei drei Weltmeisterschaften immer unter den besten Vier landet, dann ist klar, dass man auch bei Olympia etwas erreichen will.“ Preute war selber Bobfahrer, er überzeugte vom Sportartwechsel — als Sprinterin wäre der Olympiatraum vermutlich unerfüllt geblieben. Als Bob-Anschieberin, das war schnell klar, waren die Spiele greifbar nah.
Doch so gerade der Weg von Gladbeck nach Pyeongchang im Nachhinein erscheint, er war es nicht immer. Drazek plagte sich mit einer Fußverletzung herum, wurde im März 2016 operiert. In der folgenden Saison hatte sie Trainingsrückstand, stieg erst verspätet ein. „Das war kein richtiger Rückschlag“, sagt Preute, „aber es war ein operativer Eingriff, der nötig war.“
Gesundheitliche Probleme überwunden
Seitdem ist der Fuß stabil, „Annika hat noch mehr gelernt, auf ihre Gesundheit und ihren Körper zu achten“, erklärt Preute. Und natürlich hat sie sich als Anschieberin verbessert.
Auch die Olympiasaison beginnt mit einer Enttäuschung für die Gladbeckerin. Sie darf nicht mit nach Nordamerika, soll stattdessen in der wichtigen Spätphase der Saison frisch sein. Es gibt wichtigere Rennen als Weltcups.
Kurz vor Weihnachten 2017 unterstreicht Drazek beim finalen Anschubtest ihre Spitzenposition im deutschen Team, „es geht nur um den zweiten Platz hinter Annika Drazek“, sagt eine Mannschaftskollegin. Beim finalen Weltcup vor Olympia am Königssee setzt René Spies Drazek wieder in den Bob von Steffi Schneider, mit der sie zuvor schon Europameisterin geworden ist. Keine andere deutsche Pilotin schiebt so schnell an wie Schneider — Spies’ Plan geht auf, mit Startrekord gewinnen die beiden.
Die Nordamerikanerinnen haben wieder Respekt
„Sie hat mit dafür gesorgt, dass die Nordamerikanerinnen wieder Respekt vor den deutschen Bobs haben“, sagt Trainer Preute stolz nach der „ziemlich perfekten“ Generalprobe. Nach dem Rennen wird in der Sportschau bekanntgegeben, dass Schneider/Drazek auch in Südkorea gemeinsam fahren. „Die Träume steigen ins Unermessliche“, sagt der Moderator. Nichteinmal dreineinhalb Jahre nach ihrer ersten Bobfahrt ist Annika Drazek aus Rentfort eine der deutschen Top-Medaillenhoffnungen.
Am Montag war Drazek in München zur Olympia-Einkleidung, es folgen noch zwei Trainingstage am Königssee, bevor es für eine Woche nach Gladbeck geht.
Neben medizinischen Checks, einem Besuch beim Osteopathen steht vor allem eins an: „Trainieren, vor allem aber regenerieren“, erklärt Heiner Preute, „und das geht zu Hause am besten.“
Ein gutes Omen für Olympia?
Am 10. März 2015 steht im Lokalsportteil der Gladbecker WAZ: „Ein gutes Omen mag sein, dass der Bürgermeister, als er das Goldene Buch aufschlug, ausgerechnet die Seite von Heike Drechsler erwischte. Die Weitspringerin gewann zwei olympische Goldmedaillen.“
Am 3. Februar geht Annika Drazeks Flieger nach Pyeongchang.