Gladbeck. Sie ist in den Bob gestiegen - und gleich zur Siegerin geworden. Nach dem WM-Erfolg trug sich Annika Drazek jetzt ins Goldene Buch von Gladbeck ein.

Es war einmal eine jugendliche Leichtathletin, die zu Olympia wollte. Ihr Name war Annika. So oder so ähnlich könnte es beginnen, das „Märchen“ von Annika Drazek, wie ihre Mutter es nennt: „Von nichts nach ganz oben.“ Am Montag trug Drazek sich ins Goldene Buch der Stadt ein.

Ganz oben ist in dem Fall die Weltspitze des Bobsports, in der die ehemalige Sprinterin des TV Gladbeck spätestens mit der WM-Silbermedaille aus Winterberg angekommen ist –und das in ihrer ersten Saison als Anschieberin.

Kein Wunder, dass die 19-Jährige den Bobsport nicht mehr gegen die Leichtathletik eintauschen möchte: „Ich habe immer gesagt, ich will zu den olympischen Spielen. Man soll sich früh Ziele setzen. Mit der Sommerolympiade wird es wohl eher schwer, mein nächstes Ziel ist Olympia 2018.“ Die werden in Pyeongchang (Südkorea) unter dem Motto „New Horizons“, neue Horizonte, stattfinden – „New Horizons“ könnte auch als Titel über Drazeks Entwicklung stehen.

Erster Weltcup-Start - erster Weltcup-Sieg

Anfangs habe ihren Trainer Heiner Preute, selbst ehemaliger Bobfahrer, noch für Idee eines Sportartwechsels belächelt. Im Oktober 2014 fuhr die Sprinterin in der Saisonvorbereitung am Königssee erstmals mit Pilotin Anja Schneiderheinze die Rodelbahn am Königssee hinunter. Der Rest ist Geschichte: Erster Weltcup-Start, erster Weltcup-Sieg, WM-Silber, auch mit Anja Schneiderheinze. „Das hätte ich im Oktober auch nicht gedacht“, gab Drazek zu, dass alles sehr schnell ging. Von nichts nach ganz oben eben.

"Ich muss Substanz gewinnen für den nächsten Winter"

Dort will sich Drazek in der nächsten Saison beweisen. Die Vorbereitung dazu geht bald los. „Die Leistungen im Winter werden im Sommer gemacht“, mahnte TVG-Leichtathletiktrainer Heiner Preute. Drazek selbst weiß das auch: „Es ist jetzt für mich das erste Aufbauphase, ich muss Substanz gewinnen für den nächsten Winter. Der Winter ist lang, man muss sich den ganzen Sommer darauf vorbereiten.“ Womit auch die Frage beantwortet wäre, was Wintersportler eigentlich im Sommer machen: „Trainieren.“ Natürlich, denn: „Wir sind keine Halbjahressportler, auch wenn wir im Sommer nicht durch den Eiskanal fahren.“

"Rennsport ist einfach cool"

Harte Arbeit im Sommer für den Adrenalinkick im Winter: „Rennsport ist einfach cool“, so Drazek, die sich aber auch der Gefahren bewusst ist: „Die Pilotin hat die Verantwortung, nicht nur für ihr, auch für mein Leben.“ Das müsse man immer im Hinterkopf haben, wenn man oben an der Bahn steht, „man darf sich nur nicht von der Angst einnehmen lassen.“

Ihren bislang einzigen Sturz hatte Drazek am Königssee. Diese Erfahrung nimmt sie inzwischen mit Humor: „Viele sagen, man ist erst Bobfahrer, wenn man mal gestürzt ist. War bei mir gerade rechtzeitig, vor meinem ersten Weltcup.“

Genauso schlagfertig beantwortete sie die Frage von Bürgermeister Ulrich Roland, wie schwer so ein Bob auf der Bahn zu schieben sei: „Das kommt darauf an, wie viel Kraft Sie haben.“

Roland empfing Drazek gestern im Rathaus, die Wintersportlerin durfte sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen. „Mehr als stolz“ sei er auf die Gladbecker Vizeweltmeisterin, so der Bürgermeister.

Drazek dankt vor allem ihren Eltern und Großeltern

In ihren Zeilen, wenige Seiten hinter Fußball-Weltmeister Julian Draxler, bedankte Drazek sich bei ihrer Heimatstadt, dem Stadtsportverband, vor allem aber auch bei ihren Eltern, Großeltern und Trainern für die Unterstützung. Ihren Eintrag schloss sie mit „WM-Silber – That’s ist!“ Wobei „that’s it“ vermutlichen nicht heißen wird, dass es das schon gewesen ist – im Gegenteil: Dem Ziel Olympia ist Annika Drazek näher denn je.

Ein gutes Omen mag sein, dass der Bürgermeister, als er das Goldene Buch aufschlug, ausgerechnet die Seite von Heike Drechsler erwischte. Die Weitspringerin gewann zwei olympische Goldmedaillen.