Borken. Patrick Spiller, der 37-jährige Torwart der Schalker Oberliga-Handballer, vermisst seine Teamkollegen. Virtuelle Weihnachtsfeier – mit Schnaps.
Er weiß noch, wie es in der Schürenkamp-Halle aussieht. Vergessen hat er sie nicht, aber schon lange nicht mehr vor Augen gehabt. Und an das bislang letzte Oberliga-Spiel der Handballer des FC Schalke 04 in jenem Sportzentrum an der Grenzstraße kann er sich auch noch bestens erinnern. „Ich gehe ohne Parade ins neue Jahr“, sagt Patrick Spiller und schmunzelt. Es war am 3. Oktober das 26:23 gegen den HTV Hemer, es war die bislang einzige Saisonpartie, in der der 37-Jährige nur für einen Siebenmeter erfolglos aufs Feld gekommen war, ehe Corona erst die Schalker und schließlich den ganzen Handball-Sport nicht nur in Westfalen ausbremste.
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Aus den Augen verloren haben sich die Schalker Oberliga-Handballer nicht, doch sie dürfen halt nicht das tun, was sie am liebsten machen: Handballspielen. „Das wird uns auch noch einige Zeit begleiten. Wenn du Fernsehen guckst, weißt du doch, dass wir am 1. Februar nicht wieder spielen werden. Wir stehen ganz hinten in der Nahrungskette, bevor es weitergeht“, meint Patrick Spiller, der seit August in Borken zu Hause ist – im Stadtteil Gemen, um genau zu sein, der Heimat seiner Frau Ann-Christin. Da ist noch jemand. Der hat gerade seinen Mittagsschlaf beendet und meldet sich aus der ersten Etage: der kleinste Spiller. Er heißt Toni und ist achteinhalb Monate alt.
Virtuelle Weihnachtsfeier: Corona, Schalke und Handball sind verboten
Dass er nicht auf der Platte beziehungsweise zwischen den Pfosten stehen darf, bezeichnet Patrick Spiller vom Gefühl her als ein Auf und Ab. Dass ihm seine Teamkollegen fehlen, also das Ab, hat er sehr deutlich bei der virtuellen Weihnachtsfeier gespürt, bei der es sogar strenge Regeln gegeben hat: Die Begriffe Corona, Schalke und Handball waren verboten. Und bei Verstoß? „Schnäpschen trinken“, antwortet er und schmunzelt, während Toni schnurstracks, nachdem von seiner Mama Ann-Christin gefüttert worden ist, Richtung Tannenbaum krabbelt. Wie die königsblauen Handballer nach den drei gemeinsamen Stunden vor dem Bildschirm ausgesehen haben, ist nicht übermittelt.
Nach seinem Wechsel vom HTV Hemer zum FC Schalke 04 hat Patrick Spiller – trotz Corona – sehr schnell festgestellt, den richtigen Schritt gegangen zu sein. „Schade, dass es erst in meinem Spätherbst ist“, sagt er, obwohl er für einen Torwart ja fast noch in einem spätsommerlichen Alter ist. „Das macht wieder richtig Spaß. Ich habe selten so eine motivierte Truppe erlebt. Gerade auch die Jungen sind sehr, sehr gallig und sehr, sehr gierig. Das hat man schon in der Vorbereitung gesehen.“
Absprache: Fabian Sinkovec fängt im Schalke-Tor immer an
Es ist die berühmte Chemie, die zu stimmen scheint. Und das gilt auch für den Trainer, den 26-jährigen Daniel van den Boom. „Er hat ein gutes Händchen – auch bei den Älteren, den Torhütern“, sagt Patrick Spiller. „Er fordert nicht zu viel von uns.“ Und eigentlich braucht er sich um seine Schlussmänner auch gar nicht zu kümmern. Das regeln Fabian Sinkovec, der 29-Jährige, und Patrick Spiller unter sich. „Wir haben ein super Verhältnis“, erzählt der ältere Schalker Keeper. „Es gibt es eine klare Absprache: Fabi fängt immer an. Und wenn‘s nicht klappt, wechseln wird.“
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Klar: Daniel van den Boom, der jeden seiner Spieler immer mit einem Wochenplan ausstattet, der fünf Trainingseinheiten beinhaltet, versucht, die Spannung hochzuhalten. Bei sich, bei seinen Spielern. „Aber bei dem harten Lockdown werden die Sporthallen als Letzte wieder öffnen“, sagt Patrick Spiller, der sein Geld als Regional-Verkaufsleiter einer Herner Firma verdient und sehr viel im Außendienst tätig ist.
„Ich glaube nicht, dass es in dieser Saison noch was wird. Schon im Oktober habe ich mich gewundert, dass die noch was machen.“ Eine nervige Situation zurzeit. „Ich habe jahrelang gebraucht, bis Ann-Christin akzeptiert hat, dass sich unser Urlaub nach dem Vorbereitungsplan richtet und ich zu Feiern nach Spielen immer später komme“, erzählt er. „Aber jetzt lässt sich überhaupt nichts mehr planen. Du fängst wieder an, du hörst wieder auf.“
Warten auf einen Bundesliga-Sieg des FC Schalke 04
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Jetzt muss Ann-Christin Spiller, die Projektleiterin des Balve Optimums ist, des internationalen Spring- und Dressur-Turnieres im Sauerland, aber mal aufstehen. Toni nimmt nämlich nicht nur den Tannenbaum, sondern auch ein paar Kabel sehr genau in Augen- und Handschein. Der Knirps muss an diesem Tag ein Hemd tragen, weil sich Patrick Spiller das so gewünscht hat und das Foto doch hübsch werden soll. Und wer dann sieht, wie Toni später in die Kamera strahlt und seine Eltern dabei locker aussticht, versteht auch jedes Wort des stolzen Papas. Er ist das wunderbare Auf des Torwarts Patrick Spiller in Corona-Zeiten. Ohne Handball.
„In den ersten sechs Wochen haben wir fast nur im Bett gelegen. Das war schon schön mit dem Kurzen“, sagt Patrick Spiller. „Und wenn du abends nach Hause kommst, und der Kleine einen Schreikrampf kriegt, weil er sich so freut, dann musst du nicht mehr unbedingt zum Training.“ Längst hat Toni so auch erfahren, was seinem Papa wichtig ist: Sie schauen gemeinsam Handball-Spiele, aber auch Fußball-Partien des FC Schalke 04. Dass Toni noch nie einen Bundesliga-Sieg der Königsblauen gesehen hat, deren Fan Patrick Spiller seit seiner Kindheit ist, juckt ihn vermutlich nicht. „Bis er sprechen kann, können sie’s ja noch schaffen“, sagt Ann-Christin Spiller. Ihr Schmunzeln kann sich die 33-Jährige nicht verkneifen.
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