Gelsenkirchen/Hamburg. Die 18-Jährige Gelsenkirchenerin ist eines der ganz großen Talente im Badminton. Ihr großes Ziel: die olympischen Spiele in Paris.

Dieses in jeglicher Hinsicht besondere Jahr endete für Leona Michalski mit einem großartigen Erfolg. Die 18-jährige Gelsenkirchener Badmintonspielerin gewann bei der Jugend-Europameisterschaft im finnischen Lahti im Doppel mit Thuc Phuong Nguyen die Silbermedaille. Im Interview spricht sie über die EM, ihre Ziele und ihr Leben im Sportinternat in Hamburg.

Wie fühlen Sie sich denn so nach einem so glänzenden Erfolg bei der Jugend-EM?

Leona Michalski Ich bin extrem zufrieden mit der Silbermedaille. Mein Ziel war ganz klar eine Medaille im Damendoppel zu holen. Dieses Ziel habe ich mit Thuc nach dem Halbfinalsieg erreicht. Alles danach war wie eine Art Traum. Wir wussten, dass wir gute Chancen aufs Finale hatten, haben ohne Druck gespielt und einfach alles gegeben. Die Taktik ging voll auf und schließlich standen wir im Finale.

War im Finale vielleicht sogar mehr drin?

Wir wussten, dass die Russen ein starkes Doppel spielen, trotzdem hatten wir einen genauen Plan, wie gegen die beiden zu spielen ist. Gesamtheitlich betrachtet wäre mehr drin gewesen, aber die Russinnen haben es am Ende echt solide und verdient besser gemacht. Wir haben in beiden Sätzen jeweils zu Beginn und nach der Pause geführt, wurden dann aber nervös. Wir wurden nervös, weil wir wussten, dass wir Chancen hatten den Satz bzw. das Spiel zu gewinnen.

Klar war es im Nachhinein schade, aber auch aus solchen Situationen lernt man und wird nur stärker. Trotzdem waren die Freude und die Emotionen enorm. Ich bin sehr stolz und zufrieden über diese Silbermedaille. Jahrelang habe ich hart darauf hingearbeitet, um mir diesen Traum zu erfüllen. Und wie viele Menschen können schon von sich behaupten, dass sie Vizeeuropameisterin geworden sind (lacht). Sicherlich nicht viele.

Sind Sie vielleicht ein wenig neidisch auf Ihre Partnerin Thuc Phuong Nguyen, die im Mixed sogar den EM-Titel gewonnen hat?

Neidisch auf keinen Fall. Sie hat es auf jeden Fall verdient. Ich habe mich sehr für sie gefreut, schließlich ist sie meine Doppelpartnerin. Thuc spielt mit Ihrem Partner Matthias Kicklitz ein sehr starkes Mixed, welches es nur verdient hat, diesen Europameistertitel mit nach Hause zu holen.

Natürlich bin ich über die Leistung im Mixed mit meinem Partner (Aaron Sonnenschein, die Red.) nicht hundertprozentig zufrieden, da wir uns etwas mehr erhofft hatten. Hauptsächlich lag es aber wohl daran, dass wir – anders als Thuc und Matthias – nicht täglich gemeinsam trainieren können. Aaron trainiert ja in Mülheim, gemeinsames Training war daher nur sehr selten möglich. Aber „shit happens“. Ich habe aber durch meine mentale Stärke gezeigt, dass ich diese Enttäuschung ausblenden konnte, um mit vollem Fokus im Doppel weiter Gas zu geben.

Auch interessant

War das der bisher größte Erfolg in Ihrer noch jungen Karriere?

Ich würde sagen, dass der Gewinn dieser Silbermedaille definitiv einer meiner größten individuellen Erfolge ist. Für mich zählen aber noch einige andere hinzu. Meine Goldmedaille bei der Deutschen Meisterschaft im Dameneinzel U19 ist für mich immer noch ein Highlight in meiner Jugendkarriere. Dazu kommen die anderen zahlreichen Medaillen, die ich in meinen Jugendjahren bei den Deutschen Meisterschaften gewinnen konnte. Ebenfalls hat jede international gewonnene Medaille, egal ob Gold, Silber oder Bronze einen großen Stellenwert für mich.

Auch Bronze bei der Team-Europameisterschaft im estnischen Tallinn 2018 war für mich und das ganze Team einfach nur unglaublich. Diese Medaille bedeutet mir ebenfalls sehr viel, da ich das einzige Mädchen war, das als U17-Spielerin bei der U19-EM mitspielen durfte. Und ich habe einen sehr guten Job gemacht und habe dazu beigetragen, diese Medaille zu gewinnen.

Sie mischen ja auch schon bei Turnieren der Erwachsenen recht erfolgreich mit, oder?

Meine internationalen Erfolge im Erwachsenenbereich sind für mein Alter schon beachtlich. Aber nicht nur international, sondern auch national bin ich bei den Erwachsenen sehr erfolgreich. Bei den Deutschen Meisterschaften O19 in Bielefeld stand ich in den vergangenen beiden Jahren als Jugendspielerin fünfmal im Viertelfinale und habe in den Runden zuvor starke Erwachsenenspieler geschlagen.

In diesem Jahr konnte ich mit Thuc zweimal ein DBV-O19-Ranglistenturnier gewinnen. Diese beiden Erfolge zählen ebenfalls mit zu den größten meiner Karriere. Wir haben gegen erwachsene Nationalspieler gewonnen, die in Saarbrücken mit der deutschen Nationalmannschaft trainieren. Dieses Gefühl, als „Kleine bei den Großen“ so performen und abliefern zu können. ist einfach unbeschreiblich.

Ich habe in meiner Zeit als Jugendspielerin bislang 95 Turniere bzw. Meisterschaften gewonnen. Natürlich hätte ich die 100 als Jugendliche gerne noch vollgemacht (lacht), aber bedingt durch Corona war das ja leider nicht möglich…

Auch interessant

Was sind Ihre nächsten sportlichen Ziele?

Mein erstes großes Ziel ist es, im kommenden Jahr mein Abitur erfolgreich zu absolvieren. Danach möchte ich an den Bundesstützpunkt nach Saarbrücken wechseln, um dort mit der O19-Nationalmannschaft im Doppel und Mixed trainieren zu können.

Wenn ich auf meinen Turnierkalender schaue, stehen einige Turniere an, aber man muss schauen, wie sich die Lage bezüglich des Covid-19-Virus entwickelt. Wenn Turniere stattfinden, ist natürlich das Ziel, oben mitzuspielen und Edelmetall mit nach Hause zu bringen. Und ich möchte fest in der 1. Bundesliga spielen. Aber auch die Entwicklung dort muss natürlich auch erst mal abgewartet werden.

Träumen Sie auch von einer Teilnahme an den Olympischen Spielen?

Das ist natürlich mein größter Traum und mein Ziel, welches ich schon seit zwei Jahren ganz klar vor meinen Augen habe: Olympia 2024 in Paris. Ich werde hart dafür arbeiten, um auch dieses Ziel zu erreichen. Die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles habe ich als zweiten großen Traum im Hinterkopf. Doch der Fokus liegt ganz klar auf Olympia 2024.

Die meisten Erfolge haben Sie im Doppel und Mixed gewonnen. Warum läuft es im Einzel nicht so gut?

Ich bin keine Einzelspielerin, sondern habe meinem Fokus seit einem Jahr nur aufs Doppel und Mixed gelegt. Trotzdem trainiere ich oft Einzel, da es positive Effekte für das Doppel und auch das Mixed hat. Ich kann auch gut Einzel spielen. Es macht mir auch Spaß, aber mein Hauptfokus liegt jetzt ganz klar auf den anderen beiden Disziplinen.

Auch interessant

Immer motiviert sein und Vollgas geben

Wo und mit wem trainieren Sie?

Leona Michalski Ich trainiere seit viereinhalb Jahren am Olympiastützpunkt in Hamburg und wohne seitdem auch dort im olympischen Sportinternat. Das ist die optimale Situation für einen Leistungssportler. Die Schule kooperiert mit dem Verband wegen des Trainings und allen anderen wichtigen Elementen, die zum Leistungssport gehören. Aktuell trainiere ich täglich natürlich mit Thuc Nguyen und den weiteren Badminton-Bundeskaderathleten am Stützpunkt. Meine verantwortlichen Trainer sind Ben Caldwell sowie Eric Pang.

Mit Thuc Phuong Nguyen (rechts) bildet Leona Michalski ein erfolgreiches Doppel.
Mit Thuc Phuong Nguyen (rechts) bildet Leona Michalski ein erfolgreiches Doppel. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Worauf legen Sie im Training den größten Wert?

Meine Professionalität macht mich aus. Enorm wichtig ist mir alles, was mit dem Training und dessen Ablauf zu tun hat. Deshalb bin ich zum Beispiel immer früher in der Halle, um mein Aufwärmprogramm ideal zu absolvieren. Nach dem Training bleibe ich länger, um mir genug Zeit für meine Regeneration zu nehmen.

Im Training ist mir die Qualität, eine geringe Fehlerquote und die Stimmung mit den Trainingspartnern sehr wichtig, denn nur so habe auch ich richtig Spaß auf dem Feld und bin „on fire“. Dazu kommt das Geben von Feedback untereinander sowie durch den Trainer. Es ist wichtig, im ständigen Austausch zu sein. Neben dem Feld ist mir eine gesunde, ausgewogene Ernährung extrem wichtig. Ich achte sehr darauf, was ich esse und ernähre mich fast nur noch vegetarisch.

Den allergrößten Wert aber lege ich auf mich selbst. Ich fühle mich in meinem Körper sehr wohl. Deshalb ist es sehr wichtig auf ihn zu hören und wahrzunehmen, wenn „mal etwas nicht stimmt“.

Wie sieht das Training während der Corona-Pandemie für Sie aus?

Da ich im NK1-Bundeskader bin, kann ich glücklicherweise normal trainieren. Natürlich gibt es auch bei uns strikte Abstandsregeln, Regeln zum Tragen einer Maske und weitere Hygienemaßnahmen. Es dürfen nur begrenzt Spieler in der Halle sein. Aber da ich den Kader-Status habe, habe ich einen gewissen Vorteil. Der Fokus liegt im Moment auf Krafttraining. Nebenbei fokussieren wir uns auf dem Feld auf die Verbesserung der Technik.

Wie haben Sie sich auf die wenigen Wettkämpfe in diesem Jahr vorbereitet?

Die Vorbereitung auf Wettkämpfe war schwierig, da wir nie wussten, ob das Turnier jetzt stattfinden würde. Trotzdem haben wir unsere Vorbereitung so gemacht wie sonst auch. Der Fokus wurde dann vom Krafttraining auf das Feldtraining gelegt. Es wurden viele Spielformen trainiert und Matches gespielt. Und dann hieß es jedes Mal, kurz vor Turnierbeginn, abwarten und schauen, ob das Turnier abgesagt wird oder nicht. Es war schwierig, aber ich war die ganze Zeit hochmotiviert und habe immer Vollgas gegeben.

Viele Kinder und Jugendliche sind in den Anfängen ihrer sportlichen Karriere auf ihre Eltern angewiesen, die sie zum Training oder Wettkämpfen fahren. Ist das bei Ihnen auch der Fall?

Als ich noch fünfmal die Woche am Landesleistungszentrum in Mülheim trainiert habe, war ich natürlich sehr auf die Unterstützung meiner Eltern angewiesen. Ich musste immer hingefahren werden, was erheblichen organisatorischen Aufwand auch für meine Eltern bedeutet hat. Zu nationalen Wettkämpfen fahre oft mit meinen Eltern. Sie sehen mich gerne Badminton spielen und unterstützen mich. Da ich seit einigen Jahren in Hamburg wohne, organisiere ich mich vor Ort selbstverständlich selbst. Wenn ich mal nach Gelsenkirchen komme, holen mich meine Eltern natürlich gerne auch vom Bahnhof ab (lacht).

Gibt es noch andere Personen, die Sie auf dem Weg in eine erfolgreiche Zukunft begleitet haben? Wer sind Ihre sportlichen Vorbilder?

Es gibt zahlreiche Personen, die mich auf dem sportlichen Weg in eine erfolgreiche Zukunft begleitet haben bzw. immer noch begleiten. Dazu zählt mein erster Heimtrainer vom PSV Gelsenkirchen-Buer, der mich „entdeckt“ und über viele Jahre auch trainiert hat. Er unterstützt mich auch heute noch immer mit Herzblut. Auch meine alte Schule, die Gesamtschule Buer-Mitte, zähle ich dazu. Sie hat es möglich gemacht, dass ich während der Schulzeit zu Wettkämpfen fahren konnte, auch wenn sie mal länger als eine Woche waren.

In Hamburg waren und sind es alle Personen um mich herum, die mich in meine erfolgreiche Zukunft begleiten: die Internatsbetreuer, die Physiotherapeuten, meine Ernährungsberatung, mein Mentalcoach, die Lehrer, die Sportschule mit der Kooperation zwischen Schule und Training, meine Schulkameraden, meine Trainingspartner, die ärztliche Unterstützung bei Verletzungen und vor allem meine Trainer. Jede Art von Unterstützung hat mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Dafür bin ich sehr dankbar und schätze diese sehr.

Der größte und wichtigste Begleiter ist und bleibt jedoch meine Familie. Meine Eltern haben mich so erzogen, dass ich eine selbstständige, starke und selbstbewusste junge Frau geworden bin, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht. Auch durch das Leben im olympischen Sportinternat habe ich früh gelernt, mich und mein Umfeld gut zu strukturieren und zu organisieren. Gerade die familiäre Unterstützung ist enorm wichtig für junge Sportler. Man wächst als Familie daran und wird durch alle Ereignisse gemeinsam stärker.