Gelsenkirchen. David Rölleke kennt sich mit schwierigen Phasen aus. Er ist bundesweit gefragt als Krisen-Manager. Für Schalke 04 hat er einige Tipps auf Lager.

Die Fans des Fußball-Bundesligisten Schalke 04 sehnen sich seit Monaten nach einem Sieg. Nach der Talfahrt in der Rückrunde der Saison 2019/2020 läuft der Traditionsklub auch in der aktuellen Spielzeit einem Erfolgserlebnis hinterher. Vor dem Heimspiel am Samstag (15.30 Uhr/Sky) gegen den VfL Wolfsburg stehen die Königsblauen auf dem vorletzten Tabellenplatz. Nicht nur sportlich sieht die Lage mau aus Bei Teilen der Anhängerschaft herrscht nach wie vor Unruhe wegen der geplanten Ausgliederung der Profi-Abteilung. „Diesen Schritt kann ein Verein wie Schalke irgendwann sicherlich machen – aber nicht jetzt“, sagt Krisenmanager David Rölleke (38). Der bundesweit anerkannte Reputations-Experte begleitet aktuell viele Unternehmen mit Tipps durch die Corona-Krise. Im Interview mit dieser Zeitung bewertet Rölleke die aktuelle Situation des FC Schalke 04.

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Herr Rölleke, Sie befassen sich beruflich viel mit dem Image von Menschen und Unternehmen. Wie wirkt Schalke 04 aktuell auf Sie?

David Rölleke: Schalke war 2018 Deutscher Vizemeister. Aber seitdem ist viel passiert. Das Image des Vereins ist ramponiert. Sie versuchen, mit recht hohem finanziellen Aufwand für irgendetwas zu kämpfen, aber es kommt eben wenig dabei herum. Sie stehen in der Tabelle unten drin und sind im Derby gegen Dortmund kein ernstzunehmender Gegner mehr. Das hat man kürzlich bei der 0:3-Niederlage wieder gesehen. Und mit der Veröffentlichung des Tik Tok-Videos, in dem mit einer Kinderstimme nach tröstenden Worten gefragt wurde, hat sich die Social Media-Abteilung ein klassisches Eigentor geschossen. Schalke 04 macht aus meiner Sicht aber einen anderen entscheidenden Fehler.

David Rölleke, Krisen- und PR-Experte.
David Rölleke, Krisen- und PR-Experte. © Foto: SK

Und welcher ist das?

Sie sollten aus meiner Sicht auf den Mourinho-Effekt setzen. José Mourinho hat als Trainer seinen damaligen Verein FC Porto komplett umgekrempelt, von der Jugend bis hin zu seinen Profis das selbe Pressing-System eingeführt. Er hat eine schlecht zusammengestellte Mannschaft übernommen und dort die Möchtegern-Stars durch harte Arbeiter aus der Region ersetzt. Das kam bei den Fans hervorragend an. Mourinho hat dadurch verloren gegangene Sympathien zurückgeholt, das ganze Drumherum hat wieder funktioniert, auch wenn er sicherlich ein spezieller Typ ist. Aber er hat dem FC Porto den Erfolg zurückgebracht, holte dort die Meisterschaft, den Uefa-Cup und gewann die Champions League.

Umgemünzt auf Schalke 04 heißt das jetzt: Der komplette Kader muss umgekrempelt werden?

Ich formuliere es mal so: Schalke hat nichts davon, wenn sie fußballerische Exoten in ihren Kader einbauen. Sie müssen harte Arbeiter holen und ihre Jungs aus dem eigenen Talent-Reservoir einbauen. Dann holen sie sich auch ihre Fans zurück. Aber Schalke hat nicht nur auf dem Rasen ein Problem, auch insgesamt sehe ich da Schwierigkeiten. Dem Verein gehen die Typen aus. Und genau solche Leute, die sagen, wo es lang geht, braucht man im Revier. Aus meiner Sicht fehlen da Respektspersonen. Früher hatten Schalke 04 Rudi Assauer als Manager, Huub Stevens als Trainer, Clemens Tönnies als Aufsichtsrat. Da ist niemand nachgerückt, der eine ähnliche Rolle einnehmen könnte.

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Was kann der Verein tun, um die Wende zu schaffen? Welches Mittel sollte Schalke wählen?

Offenheit. Sie sollen ehrlich sagen: Es geht uns scheiße. Wir stecken im Abstiegskampf, unser Ziel lautet Klassenerhalt, dafür brauchen wir alle Unterstützung unserer Fans und Mitglieder. Sie müssen die Leute mit ins Boot holen. Dazu sollte der Verein einen Drei-Jahres-Plan erstellen, wie man Schritt für Schritt mit guten Entscheidungen und Ideen aus dem Dilemma herauskommen kann.

Wie soll so ein Plan aussehen?

Insgesamt müsste das eine richtige Kampfansage mit Wir-Gefühl sein. Eine, mit der die Leute etwas anfangen können. Wir zusammen gegen den drohenden Abstieg. Dann hätte man Klarheit. Im Moment weiß doch niemand so richtig, woran er ist. Schalke ist ein Arbeiter-Klub, das Image sollen sie pflegen, es passt ja auch richtig zu ihnen. Aber sie müssen halt ehrlich arbeiten.

Gerade im Fußball werden schnell Helden geboren, an denen sich ein ganzer Verein aufrichten und orientieren kann. Ist so etwas auf Schalke möglich?

Ja, auch in schlechten Zeiten können Helden entstehen. Schalke hat die Knappenschmiede, aus der immer wieder gute Talente hervorgehen. Das ist ein Faustpfand. Nehmen wir Malick Thiaw als Beispiel: Der ist als Nachwuchsspieler neu bei den Profis dabei, hat schon einmal in der Bundesliga getroffen. Er bringt viel mit. Ich würde ihn – und auch andere junge Leute – möglichst oft spielen lassen. Diese Talente sind heiß und motiviert. Ihnen verzeihen die Fans auch Fehler.

Schalkes Verantwortliche arbeiten an der Ausgliederung der Profi-Abteilung. Ist das der entscheidende Weg Richtung Zukunft?

Grundsätzlich kann ein Verein wie Schalke 04 sicherlich seine Profi-Abteilung ausgliedern, um sich für Investoren zu öffnen, aber der Zeitpunkt muss dafür passen. Wenn sie das in der aktuellen Phase durchziehen, dann droht nicht nur der Verlust des harten Fan-Kerns, sondern auch die Abkehr des Fans, der seit 50 Jahren zu den S04-Spielen geht.

Sind die Königsblauen angesichts ihrer langen sportlichen Talfahrt für Investoren überhaupt spannend?

Schalke ist eine Investoren-Wundertüte. Wenn ich zum VfL Bochum gehe, dann weiß ich als Sponsor, was ich habe und was ich bekomme. Bei Schalke müsste die Frage beantwortet werden: Wofür steht der Klub eigentlich? Sie müssen wieder dahin kommen, eine ganze Region zu begeistern.