Gelsenkirchen. Im Interview geht es um Andi Möller, Felix Magath und Derby-Voodoo. Und das Herausgeber-Team erklärt, warum es keine Spieler-Interviews mehr gibt.

Astrid Erlebach, Stephan Werschkull und Michael Jermann haben ordentlich aufgetischt. Zum Gesprächstermin mit der WAZ haben die drei Herausgeber des Fan-Magazins Schalke Unser gleich eine ganze Sammlung von Heften mitgebracht. Das wichtigste steht dabei in der Mitte: die 100. Ausgabe. Seit 1994 sieht sich das Schalke Unser als „kritischer Freund und Helfer von Mannschaft und Verein“, wie es auf der Internetseite des Magazins heißt, und schreibt sich den Kampf gegen Rassismus nicht nur auf die Fahne, sondern auch auf jede Titelseite.

Im WAZ-Interview sprechen Erlebach, Werschkull und Jermann darüber, wie sich die verstorbene Manager-Legende Rudi Assauer einst mit dem Schalke Unser anlegte, was Milch mit Spielerinterviews zu tun hat und wie wohl ein Voodoo-Zauber den Derbysieg brachte.

Haben Sie das runde Jubiläum schon gefeiert?

Stephan Werschkull Bisher noch gar nicht. Wir haben uns direkt in die Arbeit für die nächste Ausgabe gestürzt. Zum Feiern blieb da noch keine Zeit.
Astrid Erlebach Das werden wir aber definitiv bis zum Erscheinen der 101. Ausgabe nachholen.

Während andere Fan-Magazine nach kurzer Zeit eingestellt wurden, hält sich das Schalke Unser nun schon seit 25 Jahren. Wie geht das?

Michael Jermann Für mich ist es einfach unser Durchhaltevermögen. Wir fragen nicht, ob wir eine neue Ausgabe machen oder nicht, sondern wir ziehen das durch.

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Astrid Erlebach Genau, und zwar kritisch, selbst wenn wir damit beim Verein anecken. Das stört uns nicht, denn wir schreiben ja aus Sicht von Fans.

Wie geht der Verein mit dieser Kritik um?

Astrid Erlebach Nicht immer gut (lacht). Manager Rudi Assauer hat ja mal zum Boykott des Schalke Unsers aufgerufen.
Michael Jermann Wir haben mal eine Anti-Möller-Ausgabe mit dem Titel „Brot statt Möller“ gemacht, das fand der Assauer nicht so super. Er kam dann in den Fanladen und hat mit uns ein Bierchen getrunken. Ich durfte danach mit einem Kollegen ein Interview mit Andreas Möller führen. Er hat sich als eine sehr angenehme Person herausgestellt.

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Spielerinterviews sind seit einiger Zeit aber nicht mehr im Schalke Unser-Heft vertreten. Woran liegt das genau?

Michael Jermann Vor einigen Jahren ist die Pressestelle dazu übergegangen, einen ihrer Mitarbeiter bei Interviews dazuzusetzen. Da kam es dann zu merkwürdigen Szenen. Du fragst den Spieler nach seinem Lieblingsgetränk und er fängt an, von einem Cocktail zu reden. Dann wird er aber vom Presse-Mitarbeiter scharf angeschaut und sagt plötzlich: ‚Milch‘. Danach weißt du, dass du keine Interviews mehr mit Spielern machen musst.
Astrid Erlebach Die rauchen alle nicht, leben gesund, feiern nicht, gehen brav um 20 Uhr ins Bett. Das ist die Art von Interviews, die besser ins Vereinsmagazin Schalker Kreisel passen als zu uns.

Welche Inhalte gibt es stattdessen?

Astrid Erlebach Wir führen zum Beispiel Interviews in anderen Bereichen, wie zuletzt mit Judith Neuwald-Tasbach von der jüdischen Gemeinde. Wir binden also auch interessante Themen, Personen und Orte der Stadt Gelsenkirchen mit ein.

Stephan Werschkull Wir haben auch bestimmte Rubriken, wie den Nordkurven-Kommentar, in dem unser Autor viele Freiheiten hat.

Astrid Erlebach Stimmt, das macht ein ganz netter Kollege. Der sitzt beim Schreiben mit einer Pulle Veltins am PC und haut in die Tasten. Ich liebe seinen Schreibstil, aber ich bin die einzige, die sein Ruhrpott-Deutsch nicht Korrektur lesen kann, weil mich das nervös macht (lacht).

Das Schalke Unser ist mit solchen Ruhrpott-Texten und Titelseiten wie „Geschafft! 50 Jahre keine Meisterschaft“ für seine Selbstironie bekannt. Wie schaffen Sie es, lustige Inhalte mit ernsthaften zu verknüpfen?

Stephan Werschkull Das ist eine große Herausforderung. Im Idealfall beleuchten wir das Thema erst ernsthaft und finden danach den lustigen Aspekt dahinter. Das schaffen wir aber auch nicht immer.

Michael Jermann Wir haben das Glück, dass wir Kontakte zu einigen großartigen Cartoonisten haben. Deren Bilder lockern den Inhalt auf.

Stephan Werschkull Abwechslung bringen aber auch die verschiedenen Autoren rein. Diejenigen, die der aktiven Fanszene nahestehen, schreiben den Auswärtsbericht eher über die Stimmung im Block, einige analysieren das Spiel.

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Das heißt, Sie sind offen für alles?

Stephan Werschkull Klar, wir wollen ja auch möglichst viele Sichten der Fans darstellen. Es gibt viele Schalker, die haben unterschiedliche Interessen.

Der Medienkonsum verlagert sich immer mehr vom Print- in den Online-Bereich. Wie ist die Entwicklung beim Schalke Unser?

Der Verkauf ist auch bei uns in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden. Die ersten Ausgaben haben wir mit einer 8000er-Auflage gedruckt, davon haben wir 7000 vertickt. Aktuell sind wir nur noch bei 5000. Das liegt zum Beispiel daran, dass es früher im Parkstadion weniger Eingänge als jetzt in der Arena gab und es daher leichter war, die Hefte zu verkaufen.

Wie reagieren Sie darauf?

Wir drucken weniger, haben die Druckerei gewechselt und die Kosten halbiert. Zudem bitten wir beim Verteilen nur noch um eine Spende und stellen die Ausgabe nach kurzer Zeit auch auf unsere Internetseite. Dadurch erreichen wir mehr Leute, was wiederum für Anzeigen-Kunden interessant ist. So ist das Magazin immer vorher refinanziert.

Und was war Ihr persönliches Highlight aus 100 Ausgaben Schalke Unser?

Astrid Erlebach: Ich hatte sehr viele, aber die mit Felix Magath war die beste Geschichte. Dass er alle möglichen Leute verpflichtet hat und nach der Mitgliederversammlung, auf der ihm die freie Verfügung über die Finanzen untersagt wurde, dann wie ein beleidigtes Kind von dannen gezogen ist.

Stephan Werschkull: Das kurioseste Thema, über das ich selbst geschrieben habe, waren die Systemprobleme beim Schalker Online-Ticketshop. Wenn man sich mal damit beschäftigt, ist es absurd, dass ein solcher Klub es nicht hinbekommt, Karten online richtig zu verkaufen.

Michael Jermann: Das war mein Versuch, ein Auswärtsspiel in Dortmund mithilfe von Voodoo-Zauber von meinem Schreibtisch aus zu beeinflussen (lacht). Wir haben das Derby dann auch tatsächlich gewonnen. Der Chef vom Voodoo-Museum, in dem übrigens der wohl einzige funktionstüchtige Voodoo-Altar in Europa steht, meinte hinterher, ich hätte alles richtig gemacht. Aber ich habe es nicht wiederholt.

Astrid Erlebach: Das wäre doch mal eine Idee für die Rückrunde, so einen Altar aufzubauen. Vielleicht werden wir dann Deutscher Meister (lacht).