Die Sehnsucht nach einer Sporthalle, die Freude über die tollen Erfolge gegen den BVB, die Frage, ob’s in der Pro B nicht vielleicht besser wäre.
Lieber Herr Pruin,
jetzt muss ich Ihnen erst einmal schreiben, dass ich doch ziemlich enttäuscht bin: Schon vor mehr als einem halben Jahr hat mir Andree gesagt, dass ich Post von Ihnen bekäme. Und? Ich warte immer noch sehnsüchtig auf Ihren Brief. Haben Sie als Geschäftsführer von Gelsensport – bei uns in Hattingen hieß das Ding übrigens ewig Stadtverband für Leibesübungen, inzwischen ist es der klangvolle Stadtsportverband – denn so viel Stress, dass Sie nicht ein paar Minuten Zeit für mich haben? In meinem fortgeschrittenen Alter ist es nämlich immer noch etwas Besonderes, wenn der Postmann klingelt – auch hier im Altersheim.
Und weil ich eben schon so alt bin, gehöre ich auch zu denjenigen, die gerne etwas Geschriebenes beziehungsweise Gedrucktes in den Händen halten und sich ihre Informationen vor allem aus der Zeitung holen – auch wenn mir meine Urenkel ständig erzählen, dass diese Nachrichten doch schon online-alt seien. Obwohl es ja wahrlich nicht schlecht ist, per WhatsApp so ab und an ein aktuelles Bild von den inzwischen auch schon erwachsenen Blagen zu sehen zu bekommen.
Heimspiele irgendwo in Oberhausen
Also: Setzen Sie sich endlich hin, um mir zu schreiben!
Dann könnten Sie mir vor allem auch erklären, warum es in Ihrer Stadt keine vernünftige Sporthalle gibt. Andrees Gelsenkirchener Lieblingsthema hat auch mich gefesselt, und es macht mich fassungslos, dass die Basketballer in ihrer – wie heißt diese komische Klasse? – 2. Bundesliga Pro A ihre Heimspiele irgendwo in Oberhausen austragen müssen und die Handballer nicht in die 3. Liga aufsteigen können oder dürfen, weil sie Gelsenkirchen dann ebenfalls verlassen müssten. Das ist doch bescheuert, oder?
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Andree meint immer, das sei eine Aufgabe des FC Schalke 04. Irgendwie stimmt es ja, wenn er sagt, dass man sich um die Kinder, die man sich anschaffe, auch kümmern müsse. Ich meine aber, dass auch die Stadt in der Pflicht ist. Oder? Ich frage mich, warum nicht beide, also der Verein und die Stadt, gemeinsam diese Aufgabe lösen und ein Hallen-Projekt stemmen. Andree wollte Ihren Oberbürgermeister zuletzt auch mal fragen. Hat er mir zumindest erzählt. Aber Frank Baranowski – unser Bürgermeister heißt übrigens Dirk Glaser -- will sich, hat er mitteilen lassen, zunächst noch voll und ganz auf sein Amt konzentrieren und nichts sagen. Bis September geht das noch, glaube ich.
Am 21. Mai 1997 Werner Hansch gelauscht
Wissen Sie eigentlich, wie viel Geld der FC Schalke 04 in seine renommiertesten Klein-Abteilungen stopft? Sie müssen sich mal außerhalb der Stadtgrenzen umhören. Andere Vereine denken, die königsblauen Basketballer und Handballer würden vom Hauptverein mit Kohle zugedröhnt. Und mit dem, was die bekommen, lässt sich sicherlich auch ganz gut wirtschaften. Aber wenn sie mal außer der Reihe etwas Hilfe gebrauchen könnten, bekommen sie eine solche nicht, nicht einmal 5000 Euro aus der Portokasse des Fußball-Bundesligisten.
Andree hat’s mir erklärt: Weil diese Abteilungen – von den anderen einmal ganz zu schweigen – dem Wirtschaftsunternehmen FC Schalke 04 keine Gewinne bescheren, spielen sie auch keine wichtige Rolle. Aber ich bleibe jetzt bei Andree: Wenn ich mir Kinder anschaffe, muss ich mich um diese auch kümmern. Vernünftig. Letztlich ist es doch absurd, dass Gelsenkirchen damit wirbt, eine Sportstadt zu sein. Herr Pruin, nehmen Sie mir das bitte jetzt nicht übel, aber Sie sind nur eine Schalke-Stadt. Eine Schalke-Fußball-Stadt, wohlgemerkt.
Genug genörgelt. Und ich bin ja auch ganz ehrlich: Ich freue mich total, dass die Fußballer des FC Schalke 04 in diesem Jahr die Revierderby-Dominatoren gewesen sind. Rudi Assauer würde schwärmen. Ich weiß noch, wie ich damals am 21. Mai 1997 vor der Kiste gesessen und Werner Hansch gelauscht habe, während Andree im Giuseppe-Meazza-Stadion gewesen ist und vor Freude geheult hat. Und am meisten habe ich mich damals für Rudi Assauer gefreut. Er war es doch, der an diesem sensationellen Erfolg ganz entscheidenden Anteil hatte. Ich war sehr, sehr traurig, als er im Februar gestorben ist.
Siege über den BVB – 5:1, 4:0 und 4:1
Richtig: Ich will Ihnen was von den Derby-Dominatoren schreiben. Unvergessen ist dieses 4:2 vom 27. April, als es ja ziemlich gekriselt hat. Jetzt aber ist alles viel, viel besser. Und sie hätten mal dabei sein müssen, wie die U 23 mit 5:1 und die U 19 mit 4:0 in Dortmund gewonnen haben, ehe auch die U 17 mit einem 4:1-Sieg über den BVB einen draufgelegt hat. Großartig! Es ist schade, dass ich selbst nicht mehr in die Stadien komme, aber ich warte immer ganz gespannt auf Andrees Anruf und schaue WDR-Videotext.
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Mit den Siegen ist es bei den Basket- und Handballern in dieser Saison ja so eine Sache. Oder besser: Es ist eine seltene Sache. Klar: Das Ziel eines jeden Sportlers ist es, so hoch wie möglich zu spielen. Doch wenn ich immer diese Bilder aus der Oberhausener Willy-Jürissen-Halle sehe, die nur sehr spärlich gefüllte Tribüne, frage ich mich, ob die Basketballer in der Pro B nicht besser aufgehoben wären. Heißt doch auch 2. Bundesliga. Die Vorteile: Die Schalker könnten ihre Heimspiele wieder in Gelsenkirchen austragen, und die Gegner hießen nicht Bremerhaven, Tübingen oder Schwenningen, sondern Bochum, Schwelm oder Iserlohn. Derbys. Was meinen Sie?
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Und was meinen Sie, wie aufgeregt Andree ist: Er hat mir von einem Gerücht erzählt, wer in der neuen Saison im Tor der Handballer stehen könnte. Glauben Sie mir: Das wäre ein Knaller! Davon habe ich nämlich richtig Ahnung, und ich bin froh, dass wenigstens einer meiner Enkel auch von diesem Virus befallen ist. Käme dieser Torwart wirklich, bräuchten wir uns um die nächste Saison keine Sorgen zu machen. Wichtig ist aber, dass Sebastian Hosenfelder mit seinem Team nun zunächst einmal die nächsten beiden Oberliga--Spiele gewinnt und damit eine Basis für den Klassenerhalt schafft. Der wäre schon wichtig, weil der Keeper für die Verbandsliga zu gut wäre. Viel zu gut sogar.
Grüße aus dem Altersheim
Und was machen Sie Silvester? Ich werde im Altersheim mit denen, die es noch mitkriegen, ein bisschen feiern. Zum Glück bin ich noch so fit, um zu verstehen, dass es wohl die beste Lösung ist, dass ich meinen Lebensabend hier verbringe. Meine Kinder sind ja auch schon sehr alt, und meine Enkel müssen halt viel arbeiten. Ich bin ja inzwischen über 100. Obwohl es schon sehr erschreckend ist, was hier teilweise abgeht.
Ich fände es schön, wenn sich unser Politiker mal ein paar Tage in so ein Haus begäben und die Mischung aus Waffeln mit Sahne und Urin schnupperten, statt sich um regelmäßige Erhöhungen ihrer Diäten und unwichtige Dinge zu kümmern – und für diese auch noch viel Geld zu verschleudern. Jede Wette: Müsste Angela Merkel hier mal 72 Stunden am Stück verbringen, hätten wir sofort mehr Personal, das dann auch noch ein angemessenes Gehalt erhielte.
So, lieber Herr Pruin. Nun wünsche ich Ihnen und Ihren Liebsten einen guten Rutsch, Andree und Ihnen viel Erfreuliches und viel Erfolg im Gelsenkirchener Sportjahr 2020, und ich freue mich auf Ihre Post.
Ihre Emmi Hagel