Hamburg. . Stets wenn der frühere Bochumer in der Startelf stand, hat der FC Schalke 04 gewonnen. Gegen den HSV bereitete er Sanés Treffer zum 1:0 vor.
Die Szene in der 60. Minute hatte etwas Unwiderstehliches, sie zeugte von enormem Willen. Leon Goretzka bekam von Johannes Geis einen abgefangenen Ball zugespielt, und dann ging die Post nach vorne ab. Hamburgs Marcelo Diaz wollte Goretzka noch umreißen, doch der ließ sich nicht aufhalten. Der Schalker schüttelte seinen Gegenspieler wie eine lästige Fliege ab, nahm den Kopf nach oben und spielte einen brillanten Pass genau in den Lauf von Leroy Sané – und schon war Schalkes Siegtor zum 1:0 in Hamburg in die Wege geleitet.
Der vierte Sieg in der Bundesliga in Folge, der fünfte gar, wenn man das Europa-League-Spiel dazwischen in Nikosia dazuzählt. Und der siebte insgesamt im neunten Pflichtspiel. Es läuft so richtig rund. Und das Tor in Hamburg zeigte, warum die Mannschaft jetzt einen ganz anderen Fußball spielt als in der so fürchterlichen vergangenen Saison.
Vergangene Saison war ein Seuchenjahr für Goretzka
Früher, vermutet André Breitenreiter, hätte Schalke in der Szene, als Johannes Geis den Hamburger Ball abfing, erst einmal quer und auf Sicherheit gespielt. Jetzt aber sucht Schalke in solchen Momenten direkt die Attacke – genauso, wie es der Trainer vor der Saison gefordert hatte, als er im WAZ-Interview seinen Plan vom Pressing-Fußball erklärte: „Es ist statistisch bewiesen, dass 50 Prozent der Tore nach Ballgewinnen vor dem gegnerischen Tor fallen. (...) Diese Unordnung muss man dann innerhalb von zehn Sekunden ausnutzen.“ Genau das hat Goretzka mit seinem Antritt in Hamburg gemacht. Auch Manager Horst Heldt schwärmte: „Das Tor war wunderschön herausgespielt. Eine klasse Vorarbeit von Leon Goretzka.“
Auch interessant
Ohnehin ist der frühere Bochumer einer der Protagonisten für den Schalker Aufschwung: Neben Ralf Fährmann, Joel Matip, Johannes Geis und Leroy Sané, um nur die Auffälligsten zu nennen. Interessant: Statistisch gesehen ist Goretzka sogar Schalkes Sieggarant, denn immer, wenn der 20-Jährige in der Startelf stand, haben die Königsblauen in dieser Saison ihre Spiele gewonnen (nur beim 1:1 gegen Darmstadt und beim 0:3 in Wolfsburg war das nicht der Fall).
Goretzka hatte in der vergangenen Saison durch seine drei Muskelbündelrisse ein Seuchenjahr – jetzt hat er wieder Vertrauen in seinen Körper gefunden und ist bereit, an die Leistungen anzuknüpfen, die ihn im Frühjahr 2014 sogar schon bis in die Nationalmannschaft gebracht hatten. „Die Vorbereitung hat mir sehr, sehr gut getan. Ich habe keine Probleme mehr, die Wege zu gehen, die ich gehen möchte. Das spiegelt sich in der Leistung wider“, sagt er selbst.
Schalker ist aus der Welpenschutz-Phase heraus
Im Sommer hatte er sogar eigens auf die Teilnahme an der U21-EM verzichtet, um sich körperlich wieder in Form zu bringen – das zahlt sich jetzt aus. Und seinem Standing beim DFB hat es keinen Abbruch getan: U21-Trainer Horst Hrubesch beförderte Goretzka sogar zum Kapitän seiner neuen Mannschaft, und Jogi Löw brachte den Mittelfeldspieler auch bereits wieder für die A-Elf ins Gespräch. „Wenn es dazu kommen sollte, freut man sich riesig“, sagte Goretzka nach dem Sieg in Hamburg: „Aber ich denke, dazu muss ich noch ein paar gute Spiele machen.“
Auch interessant
In Hamburg war ihm vor allem in der zweiten Halbzeit kein Weg zu weit – „ich schätze, dass er am meisten gelaufen ist von allen auf dem Feld“, lobte Horst Heldt. Der ganzen Mannschaft war anzumerken, dass sie unbedingt den nächsten Sieg einfahren wollte. „Das war sehr wichtig für uns, weil wir endlich Konstanz in unsere Leistungen kriegen“, erklärte Goretzka, der mit seinen 20 Jahren da schon eine Hauptrolle spielt.
Während Schalke bei Leroy Sané und auch Max Meyer ein wenig die schützende Hand darüber hält, dass die Erwartungen an die Talente nicht ins Übermaß steigen, scheint Leon Goretzka schon den Schritt aus der Welpenschutz-Phase heraus gemacht zu haben. Bereits vor zwei Wochen hatte er gesagt, dass er mit den hohen Erwartungen schon zurecht kommen würde: „Eine schützende Hand ist schön, aber letztendlich sind wir selbst gefordert.“ In Hamburg hat er es gezeigt. Unwiderstehlich. Und mit enormem Willen.