Essen/Bottrop. Kathrin Demler hat ihre Karriere als Schwimmerin beendet. Welche Höhen und Tiefen sie erlebt hat und was sie der sechsjährigen Kathrin raten würde.

Wenn Kathrin Demler heute ein Schwimmbad in Hamburg betritt, dann geht es für die mehrfache Deutsche Meisterin nicht mehr darum, als erste anzuschlagen. Die 28-Jährige trainiert Erwachsene, bringt ihnen in Kursen das Kraulschwimmen bei. „Sie sollen Wassergefühl bekommen, Grundkenntnisse erlernen. Am Ende können sie eine Bahn schwimmen“, sagt Demler. Es mache ihr Spaß, zu sehen, „wie andere sich freuen, wenn sie etwas lernen“.

Ihre Karriere hat die gebürtige Bottroperin, die lange für die SG Essen schwamm und zuletzt am Stützpunkt in Hamburg trainierte, im vergangenen Jahr beendet. Noch einmal hatte sie den großen Traum von den Olympischen Spielen. Nach einer langwierigen Schulterverletzung fand sie aber nicht mehr zu alter Form zurück, verpasste die Spiele in Paris. „Ich kann zu 100 Prozent sagen, dass ich 110 Prozent gegeben haben. Es sollte nicht sein“, ist sie rückblickend mit sich im Reinen.

Bottroperin Kathrin Demler hat aus einem Tiefpunkt gelernt

Demler hat eine Karriere mit Höhen und Tiefen hinter sich. Als Jugendliche wurde sie von ihrem damaligen Trainer aus einem Trainingslager vorzeitig nach Hause geschickt – er hielt sie für zu untrainiert. „Das hat mich mitgenommen, manche Sachen gehören sich nicht“, sagt Demler, die mit ihrem Sportpsychologen oft über das Thema gesprochen hat. „Da habe ich immer so ein Lästerchen mit getragen“, sagt sie.

Sogar nach dem Ende ihrer Karriere beschäftigte sie der Bodyshaming-Vorfall von damals. „Ich hatte Angst, dass mir der Umschwung schwer fällt. Mein Körper wird sich nie so anfühlen, als würde ich 20 Stunden trainieren“, sagt die ehemalige Schwimmerin. Doch das Gegenteil ist der Fall. „Je weiter der Sport weggeht, desto besser geht es mir“, verrät sie. Auch, weil sie nicht mehr täglich mit ihrem Körperbild konfrontiert wird.

Internationale Karriere am College und bei großen Meisterschaften

Die ehemalige Lagen-Spezialistin ist reflektiert, spricht offen über das, was sie in ihrer Karriere bewegt hat. Nach dem Vorfall im Trainingslager ging es für sie in die USA. Am College in Ohio fand sie neue Motivation – und kam stärker denn je zurück. Bronze über 400 Meter Lagen bei den Deutschen Meisterschaften 2017, Gold mit der Staffel der SG Essen. Doppel-Gold bei der DM 2021 über 200 Meter Lagen und 200 Meter Schmetterling – insgesamt gewann sie 17 Mal Edelmetall bei deutschen Lang- oder Kurzbahnmeisterschaften. Sie feierte eine Medaille bei den Olympischen Jugendspielen und stand bei den Europameisterschaften im Finale.

Am College lernte sie Schwimmen als Teamsport kennen, gewann die nationalen Meisterschaften. „Das hat mir rückblickend sehr geholfen“, sagt sie heute. In der International-Swimming-League stand sie später neben Weltstars wie Katie Ledecky und Caeleb Dressel auf dem Startblock.

Gemeinsam mit ihrem College-Team von der Ohio State University gewann Kathrin Demler die nationalen Meisterschaften.
Gemeinsam mit ihrem College-Team von der Ohio State University gewann Kathrin Demler die nationalen Meisterschaften.

„Ich hatte das Privileg, nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA so viele Facetten des Sports zu erleben. Es wäre nicht gerecht, wenn ich da ein Erlebnis hervorheben würde“, sagt Demler. Sie habe „viele faszinierende Menschen kennengelernt. Mit Weltmeistern und Olympiasiegern an einem Tisch zu sitzen ist sehr inspirierend und erdend.“

Kathrin Demler hat in Bottrop schwimmen gelernt

Angefangen hat alles in Bottrop. Mit sechs Jahren sprang Kathrin Demler zum ersten Mal in ein Schwimmbecken. Das war im Jahr 2002. Sie legte die Seepferdchenprüfung erfolgreich ab, vier Jahre später war klar: Demler hat Talent, versucht es auf Leistungsebene. 2007 folgte der Wechsel an den Stützpunkt nach Essen.

Schritt für Schritt ging es nach vorne – mit der Zeit lernte die Schwimmerin auch die herausfordernden Seiten des Leistungssports kennen. „Sport ist super viel mit Leistung und Druck verbunden“, sagt sie. Viele Jahre arbeitete sie mit einem Sportpsychologen zusammen. „Der Leistungsdruck nimmt einen auch mit. Es ist nie genug. Man möchte immer mehr erreichen“, sagt Demler und verweist auf viele Spitzensportlerinnen und Spitzensportler, die nach der Karriere in ein Loch oder gar in eine Depression verfallen.

Schmetterling war die Paradelage von Kathrin Demler.
Schmetterling war die Paradelage von Kathrin Demler. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Demler gibt offen zu: „Ohne die psychologische Begleitung wäre ich nicht so weit gekommen. Es ist super wichtig, zwischendurch den Kopf zu leeren.“ Sie selbst studierte in den USA Psychologie und Kommunikation, setzte sich mit dem Thema intensiv auseinander. Eine der größten Herausforderungen für sie: „Ich musste lernen stolz zu sein auf das, was ich geschafft habe und mich nicht in der einen Sache zu verlieren, die ich nicht geschafft habe.“

Neustart in Hamburg und verpasste Olympiaqualifikation für Paris

Die letzten zwei Jahre ihrer Karriere hat sie in Hamburg verbracht. Ausgangspunkt für den Wechsel in die Hansestadt war eine Schulterverletzung. „Der DSV-Arzt und die besten Physiotherapeuten sind hier und ich brauchte auch ein bisschen einen Neustart, wollte einfach mal raus.“ Nach der knapp verpassten Olympia-Qualifikation 2021 wollte sie den Spaß am Schwimmen wiederfinden, Paris 2024 angreifen.

„Dann würde ich ihr sagen, dass sie nie vergessen soll, stolz auf sich zu sein, dass man unabhängig von der Leistung nichts an dem Menschen ändert und dass sie sich durch die Leidenschaft und den Spaß in den Sport verlieben kann. Das habe ich getan.“

Kathrin Demler
auf die Frage, was sie der sechsjährigen Kathrin mit auf den Weg geben würde

„Ich hatte gehofft, dass ich mich selbst überrasche sobald der Druck abfällt und ich mit einer Leichtigkeit darangehe“, so Demler. Kopf und Körper wollten aber nicht mehr so richtig, Olympia blieb ein Traum. „Mit meiner Leistung am Ende war ich nicht zufrieden, aber ich hätte mir kein besseres Umfeld für den Abschluss wünschen können“, sagt sie.

Kathrin Demler hat sich auf Sri Lanka zur Yoga-Lehrerin ausbilden lassen

Nach dem Karriereende ging es für sie nach Sri Lanka, dort absolvierte sie eine Ausbildung zur Yoga-Lehrerin. „Das war die erste Entscheidung, die ich unabhängig von Trainingsplänen oder Wettkämpfen getroffen habe. Ich hatte da einfach Bock drauf“, sagt sie. Die Zeit nach dem Sport und dem Ausscheiden aus der Bundeswehr, bei der sie von 2022 bis 2024 im Dienst war, nutzte Demler als Neuanfang.

Krafttraining gehörte für Kathrin Demler zum Alltag. Die mentale Gesundheit stand für sie aber auch immer im Fokus.
Krafttraining gehörte für Kathrin Demler zum Alltag. Die mentale Gesundheit stand für sie aber auch immer im Fokus. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Heute arbeitet sie als Personalreferentin in einem Hamburger Unternehmen, gibt Schwimmkurse und hat das Spinning-Training und Bouldern für sich entdeckt. „Ich versuche einen Ausgleich zur Arbeit zu finden.“ In ihrem Job zehrt sie von der Disziplin, dem Durchhaltevermögen und der Motivation, die sie im Leistungssport gelernt hat. Dabei war ihr schon lange klar, dass sie als Sportlerin nur in einer Rolle steckt: „Der Sport war sehr lange ein Teil meines Lebens. Aber wichtiger ist, wer wir dadurch werden. Der Sport ist nicht für immer da.“

Kathrin Demler hat sich in den Sport verliebt

Kann sie sich denn eine Rückkehr in den Sport in anderer Funktion vorstellen? Der Deutsche Olympische Sportbund und auch die Sporthilfe bieten schließlich viele Möglichkeiten für die Karriere nach der Karriere. „Irgendwann werde ich zum Sport zurückfinden, aber ich wollte jetzt erst einmal etwas für mich finden. Etwas außerhalb des Sports, an das ich selbst gekommen bin.“

So ganz ohne geht es aber doch nicht – einmal in der Woche steht Demler dann eben am Beckenrand und bringt Erwachsenen das Kraulschwimmen bei. Und wenn sie heute die sechsjährige Kathrin aus dem Jahr 2002 treffen würde, die in einem Bottroper Hallenbad zum ersten Mal ins Becken springen würde? Dann „würde ich ihr sagen, dass sie nie vergessen soll, stolz auf sich zu sein, dass man unabhängig von der Leistung nichts an dem Menschen ändert und dass sie sich durch die Leidenschaft und den Spaß in den Sport verlieben kann. Das habe ich getan.“

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