Essen. Moritz Schaller war bei den Deutschen Kurzbahn-Meisterschaften der erfolgreichste Schwimmer. Er verrät seine Träume – und eine Lebensphilosophie.
Es war ein fettes Ausrufezeichen, das die Startgemeinschaft Essen bei den deutschen Meisterschaften auf der Kurzbahn (DKM) setzte. Die Asse vom Bundesstützpunkt in Essen-Rüttenscheid kürten sich zur Nummer eins, die SGE war mit zehn Titeln (8xEinzel/2xStaffel) und insgesamt 22 Medaillen der erfolgreichste Klub. Die Staffel mit Nina Sandrine Jazy, Nicole Maier, Zara Selimovic und Julianna Dora Bocska stellte zudem über 4x50m-Freistil einen nationalen Rekord auf.
Ausgerechnet zwei Essener Neuzugänge prägten die DKM in der Wuppertaler Schwimm-Oper. Nicole Maier und Moritz Schaller gewannen jeweils dreimal Einzel-Gold und einen Titel mit der Staffel. Um satte zwei Sekunden unterbot Maier dabei über 400m Freistil die WM-Norm und startet nun gemeinsam mit Nina Jazy, Cedric Büssing und Marius Kusch (alle SGE) bei der WM in Budapest.
Essener Schwimmer Moritz Schaller verpasst die WM-Qualifikation um einen Hauch
Schaller, über Freistil und Schmetterling unterwegs, verpasste indes die WM-Quali bei seinem Sieg über 50m-Freistil nur um den Hauch von 15 Hundertstel. „Das ist gerade mal so viel“, sagt er und klopft kurz gegen den Holzkasten, auf dem er sitzt – so eng war das beim Anschlag. „Die Quali war allerdings auch überhaupt nicht das Ziel, aber die Zeit ist auf jeden Fall eine Supermotivation.“
Mit 24 Jahren ist Moritz Schaller ein Spätstarter. Aber er ist fest entschlossen, noch einmal anzugreifen und genau deshalb wechselte er von Bayer Wuppertal nach Essen. Dort erhofft er sich unter Trainerin Nicole Endruschat neue Impulse für die nächsten Entwicklungsschritte. „Mal sehen, was noch möglich ist. Ich will mir jedenfalls später nicht vorwerfen lassen, es nicht versucht zu haben.“
Die Entwicklung auf der Langbahn steht für Moritz Schaller im Fokus
Der Fortschritte bei seinen Leistungen war bislang überschaubar. Mit 2017, damals für Langenfeld am Start, kämpfte Schaller allein um eine Teilnahme bei den Deutschen, 2022 fischte er bei der DM auf der 25-m-Bahn die ersten vier Medaillen. In diesem Jahr wurden es insgesamt sieben. „Er war schon sehr präsent“, lobt Trainerin Endruschat. „Jetzt müssen wir es schaffen, das auch auf die Langbahn zu bekommen.“ Genau das ist die Herausforderung.
Kurzbahn, Langbahn? Der Unterschied ist gravierend. Moritz Schaller hat einen ungemein starken Delphin-Kick bei der Tauchphase und profitiert davon bei jeder Wende. Immerhin reichte es für den Kurzbahn-Spezialisten in diesem Jahr bei der „normalen“ DM für Bronze über 50m Freistil – also ganz ohne Wende. „Zumindest habe ich schon mal an den Spitzenplätzen geschnuppert“, schmunzelt Schaller.
Dem sportlichen Ziel hat er alles untergeordnet – ein Muss im Spitzensport. Im August ist er nach Essen gezogen und erstmals privat ganz auf sich allein gestellt. „Die ersten drei Wochen waren schon komisch“, räumt Schaller ein. „Aber es war der richtige Schritt. Ich komme gut auch allein klar. Kochen geht so, wird aber immer besser“, grinst der junge Mann. Da seien seine Ansprüche allerding auch nicht so hoch.
Das Wochenende beginnt für den Essener Schwimmer erst am Samstagmittag
Von Essen aus kann er den Sport super mit seiner Ausbildung zum Physiotherapeuten verbinden. Keine langen Autofahrten, die Chefs zeigen großes Verständnis. Gleichwohl gilt es, das Leben streng zu strukturieren. Um Sieben Uhr morgens aus Haus zum Training, danach bis 16 Uhr arbeiten und ab zum Training.
„Gegen 20.30 Uhr bin ich dann wieder zu Hause.“ Auch am Samstagvormittag wird trainiert. „Erst danach geht das Wochenende los, aber ich muss natürlich mit den Kräften haushalten. Party ist da eher selten. Klar, man wäre manchmal gern dabei, aber ich habe mich eben so entschieden.“
2023 musste Schaller seinen besten Freund bezwingen
Nicht selten unternimmt Schaller etwas mit seinen Teamkollegen. Er lobt den Teamgeist, er fühlt sich gut integriert. Vielleicht fällt es ihm mit seiner offenen Art auch leichter, sich einzufügen, und irgendwann im Gespräch gibt Schaller ein Stück seiner Lebensphilosophie preis: „Wenn man von Anfang an nett zu Leuten ist, kriegt man das auch zurück.“ Mit Emre Demirdas ist er ohnehin ganz dicke. Der war schon in Wuppertal bevorzugter Trainingspartner und wechselte einige Wochen vor Schaller nach Essen.
Die beiden sind best Friends, daran hat auch das direkte Duell bei der deutschen Mannschaftsmeisterschaft im Dezember 2023 nichts geändert, das zur beliebten Anekdote taugt. Beim allerletzten Rennen von insgesamt 34 trafen Schaller und Demirdas in Bundesliga aufeinander, der eine noch für Bayer, der andere bereits für die SGE. Schaller siegte, sodass Wuppertal die SGE um sechs Punkte überflügelte und noch von Rang zwei verdrängte.
Erst die Europameisterschaft und irgendwann dann Olympia
Moritz Schaller will es wissen, bis 2026 wird er auf jeden Fall schwimmen. Die nächsten Etappenziele 2025: Die EM im Sommer und auf der Kurzbahn im Winter. „Mal sehen, ob ich mich da schon vorn reinmogeln kann“, sagt Schaller und bleibt völlig rational: „Wenn ich mich bis 2026 nicht entsprechend weiterentwickelt habe, dann ist es aber auch okay für mich, dann sollte es irgendwie nicht sein.“
Erfolgreiche Meisterschaft
Bei den deutschen Mannschaftsmeisterschaften (DMS) im Essener Thurmfeld-Bad verteidigten die Frauen der SG Essen in der 1. Bundesliga ihren dritten Rang aus dem Vorjahr. Die Männer landeten auf Rang sieben.
Der Essener Nachwuchs vom Bundestützpunkt holte beim Bundesfinale der DMSJ in Wuppertal einmal Silber (männl. C-Jugend) und zweimal Bronze (weibl./ männl. A-Jgd.). Insgesamt hatte sich die SGE mit fünf Teams qualifiziert.
Zeigt die Leistungskurve jedoch weiterhin nach oben, dürften die Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles zwangsläufig ins Blickfeld geraten. Also ist Olympia der Traum? „Jaaaa …“, sagt Moritz Schaller nachdenklich und realistisch zugleich. „Das ist schon schwierig. Das ist echt ein Monsterziel.“
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