Essen. Michael Hegemann wird die Essener nach zehn Jahren verlassen und Trainer beim ASV Hamm-Westfalen. Im Interview schaut er auf seine Zeit zurück.
Herr Hegemann, Ihre letzte Saison beim Tusem ist vor ein paar Wochen zu Ende gegangen. Fehlt Ihnen schon etwas?
Hegemann: „Natürlich habe ich in den Jahren viele Beziehungen und Freunde gewonnen, die man vermissen wird. Jetzt komme ich etwas zur Ruhe und ich denke auch mal mehr nach. Es sind aber absolut positive Gedanken und Erinnerungen. Ich konnte in Essen meine Spielerkarriere beenden, durfte als Co-Trainer arbeiten und mir wurde als Cheftrainer das Vertrauen gegeben, das Team zu führen. Das war ein unglaublicher Gewinn für mich.“
Haben Sie eine echte Sommerpause? Schließlich steht ja bald eine ganz neue Aufgabe an…
„Die Kaderplanung in Hamm und die Planung der Vorbereitung haben schon etwas Zeit gekostet und es kam noch nicht viel Ruhe in mein Leben. Aber ich werde noch einmal zwei Wochen Urlaub mit der Familie machen und herunterfahren. Da kann ich mich auch mal vom Handball lösen. Das ist auch wichtig, um den Kopf freizubekommen. Denn als Trainer ist es so, dass man viele Dinge nicht wirklich genießen kann, weil man direkt zur nächsten Aufgabe hastet. Für mich ist es auch ein Lernprozess, die Dinge als Trainer mehr genießen zu können.“
Was bedeutet es Ihnen zehn Jahre lang ein Teil des Tusem gewesen zu sein?
„Für mich war es die Erfüllung eines Kindheitstraumes. Meine ersten Bundesligaspiele habe ich als kleiner Junge in der Grugahalle gesehen und ich hatte immer gehofft, da mal spielen zu dürfen. Immerhin, als Gegner habe ich es dann irgendwann geschafft. Am Ende dann bei diesem Verein spielen zu dürfen, war für mich ein großes Privileg.“
An welchen Stellen haben Sie das auch außerhalb der Halle erlebt?
„Es gibt eine schöne, kleine Anekdote. Ich habe immer am Wochenende für die Familie Brötchen an einem Baumarkt geholt. Da saßen immer zwei Rentner, die den Tusem verfolgen und dir dann zugerufen haben, wie bescheiden oder gut das letzte Spiel war. Die sind immer sehr ehrlich und direkt. Aber diese gewisse Ruhrpott-Nähe und Verbindung mit dem Tusem mag ich sehr.“
Sie haben sich in Essen vom Spieler zum Cheftrainer entwickelt, waren unter anderem Co-Trainer von Jaron Siewert und Jamal Naji. Was konnten Sie von diesen Kollegen lernen?
„Beide waren extrem wichtig für mich. Sie haben mir eine andere Art des Trainings gezeigt. Damals, unter Heiner Brand zum Beispiel, haben die Trainer immer die Marschroute vorgegeben und die Mannschaft hat mitgezogen. Heute hinterfragen die Spieler mehr und bringen sich mehr in taktische Abläufe ein. Jamal und Jaron haben mir gezeigt, dass man auch mehr in einzelnen Modulen trainieren und sie dann zusammenführen kann. Früher bestand der Großteil des Trainings darin, Sechs gegen Sechs zu spielen und der Trainer greift korrigierend ein.“
Was für ein Trainertyp sind Sie – auch dadurch – geworden?
„Ich habe gerne die Kontrolle und finde, dass das gesamte System wichtiger ist als der einzelne Spieler. Ich gebe Spielern mein Vertrauen und wenn ich es zurückgezahlt bekomme, lasse ich die Leine auch mal länger. Je mehr Führungsspieler in der Mannschaft sind, desto mehr kann man sie auch mal sich selbst überlassen. Andersherum muss man mehr Grenzen stecken.“
Was werden Sie vermissen?
„Vieles, was gewohnt war. Eine gewisse Sicherheit in den Abläufen und Automatismen müssen jetzt wieder neu erfunden werden. Und natürlich hatte ich auch einige Menschen um mich herum, auf die man sich nach all den Jahren blind verlassen konnte, die auch Dinge ohne mich zuverlässig geregelt haben. Und natürlich werde ich auch viele Spieler vermissen. Teilweise habe ich mit ihnen zusammengespielt und zuletzt dann eben als Trainer führen dürfen.“
Warum ist der Sprung nach Hamm nun für Sie genau der richtige?
„Für mich ist es eine gute Chance mich weiterzuentwickeln. Ich komme dort als reiner Trainer hin und nicht als Ex-Spieler oder so. Die Perspektive, dort etwas aufbauen und den Traum von der ersten Liga vielleicht etwas schneller realisieren zu können als in Essen, war für mich sehr reizvoll. Ich bin jemand, der immer wieder neue Herausforderungen braucht und sich in einem neuen Umfeld neu erfinden will.“
Welche Unterschiede haben sie zwischen dem Tusem und Hamm schon feststellen können?
„In Hamm ist die Infrastruktur größer. Die Halle für die Spiele ist die gleiche wie für das Training, ich habe dort sogar ein eigenes Büro. Auch was die Kaderzusammenstellung angeht, gibt es Unterschiede. Der Tusem ist die Talentschmiede und in Hamm setzt man zwar auch auf den Nachwuchs, kann aber durchaus auch mal in ein etwas höheres Regal greifen.“
Der ASV gilt als ambitioniert, von daher dürfte auch der Druck etwas größer sein. Mit welchem Ziel beginnen Sie dort?
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„Das grundsätzliche Ziel ist es, dass Hamm regelmäßig unter den Top-25-Mannschaften Deutschlands ist. In der neuen Saison wartet aber ein extremer Wettbewerb mit sicherlich acht oder neun Spitzenmannschaften. Hamm hat prägende Spieler verloren, deshalb werden wir uns alle neu aufeinander einstellen müssen. Es ist theoretisch möglich, eine gute Saison gespielt zu haben, am Ende aber doch nur auf Platz sechs gelandet zu sein.“
Was sagt Ihre Familie zu diesem Wechsel?
„Mein Sohn war schon eher traurig, weil er immer gerne beim Tusem in der Halle war und es da sehr cool fand. Meine Frau unterstützt mich aber auch und kann meine Beweggründe verstehen.“
Zum Abschluss: Was wünschen Sie Ihrem alten Verein und Ihrem Nachfolger Daniel Haase?
„Ich hoffe, die Mannschaft kommt gesund durch die Saison und kommt früh in ruhige Gefilde. Denn dann kann das Team, das ein enormes Entwicklungspotenzial hat, den nächsten Schritt machen. Wenn sie das schaffen und die guten, jungen Spieler halten, kann es ein überragendes Jahr werden.“
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