Essen. Am Ende war das 1:1 für den Aufsteiger Wiedenbrück nicht einmal unverdient. Die Essener scheitern an ihrer eklatanten Abschlussschwäche.

Still war es an der Hafenstraße, ganz still – und das lag nicht nur an den versprengten Zuschauergrüppchen auf der Haupttribüne. Umso lauter die Jubelszenen auf dem Spielfeld, als alles, was blau trug an diesem Fußballnachmittag, übereinander herfiel und sich wie eine Krabbelgruppe auf dem Rasen gebährdete. Der Strahl, den Daniel Latkowski in vorletzter Spielminute Richtung RWE-Torwinkel abließ, traf den erklärten Aufstiegsfavoriten Rot-Weiss Essen ins Herz.

1:1 gegen den Aufsteiger SC Wiedenbrück – das hatten sich alle ganz anders vorgestellt. „Fragt mal den Latkowski, ob der denn Ball schon mal so in seinem Leben getroffen hat“, meinte RWE-Trainer Christian Neidhart nach dem Spiel etwas süffisant. Nun ja, einmal reichte den Essener Fans.

15 Minuten vor und nach der Pause Tempo-Fußball

Versuchte in der Schlussphase immer wieder einzugreifen, vergeblich: RWE-Trainer Christian Neidhart.
Versuchte in der Schlussphase immer wieder einzugreifen, vergeblich: RWE-Trainer Christian Neidhart. © FFS | Thorsten Tillmann

Auch der Spielanalyse des Coaches wollten hinterher nicht alle folgen: „Ich denke, dass wir den Gegner 75 Minuten lang total dominiert hatten. Unerklärlich für mich, dass man in der letzten Viertelstunde deutlich die Angst vor dem Gewinnen gespürt hat. Wenn du das zweite Tor nicht machst, musst du es einfach ruhiger zu Ende spielen“, so seine Kritik.

Wobei der Anfang auch nicht gerade prickelnde Brause im Bauchnabel war. 25 geschlagene Minuten erklärten die Essener den gegnerischen Strafraum offenbar zum Sperrgebiet, man hielt respektvoll Abstand. Bezeichnenderweise war es ein ruhender Ball, der Wiedenbrücks Torhüter Marcel Hölscher zeigte, es könnte an diesem Nachmittag doch noch Arbeit geben. Alexander Hahn traf aus 25 Metern nur das Außennetz.

Drei Großchancen durch Endres

Die „gefühlten“ 75 dominanten Minuten des Trainers waren im Endeffekt die 15 Minuten vor der Pause und nach dem Wechsel, als RWE in den Angriffsbemühungen endlich einmal das Tempo anzog und sich auch Chancen herausspielte. Allein Joshua Endres hätte für große Beruhigung sorgen können, mit drei Großchancen an diesem Nachmittag. Aber da fehlte eindeutig die Kaltschnäuzigkeit.

Spätes Glück: Seine Wiedenbrücker Mitspieler wollten den Torschützen Daniel Latkowski  einfangen.
Spätes Glück: Seine Wiedenbrücker Mitspieler wollten den Torschützen Daniel Latkowski einfangen. © FFS | Thorsten Tillmann

Wie er den Ball völlig frei vor dem Tor mit der Brust stoppte, um dann doch noch beim Schussversuch ins Straucheln zu geraten, entlockte allen ein mitfühlendes Stöhnen. So geriet die Führung der Essener bezeichnenderweise aus dem einzigen Fehler des SC-Keepers, der bei einem tückischen Aufsetzer des stark aufspielenden Neuzugangs Sandro Plechaty die Kugel von der Brust nach vorne abprallen ließ, wo Torjäger Simon Engelmann in gewohnter Manier abstaubte.

Mit einem anderen Neuzugang war Trainer Christian Neidhart überhaupt nicht zufrieden. Felix Backszat, als Mittelfeld-Stratege gekommen, durfte schon nach einer Stunde sein Tageswerk beenden

. „Ich fand ihn heute sehr schwerfällig, das Gefühl hatte ich schon in der Woche beim Training. Backa ist in der Vorbereitung später dazu gekommen und vielleicht hat er gerade jetzt sein Tief“, mutmaßte sein Trainer.

Hülsings Warnschuss nutzte nichts

Das Tief loteten in der letzten Viertelstunde noch einige Mitspieler aus. Wiedenbrück wirkte nun insgesamt auch noch spritziger. Den Drehschuss von David Hülsing (86.) konnte RWE-Keeper Daniel Davari, der viele beschäftigungslose Minuten verlebte, gerade noch mit Fußabwehr bereinigen, aber es wurde nicht als letzte Warnung verstanden. Völlig frei konnte Latkowski dann den Huf auspacken und abziehen. „Wir müssen nicht zum Schluss um das Tor betteln und alle unsere Positionen einhalten, dann passiert auch so etwas nicht“, fügte Kapitän Marco Kehl-Gomez selbstkritisch hinzu.

Verständnis zeigte Wiedenbrücks Trainer Daniel Brinkmann für die Probleme des Gegners: „Ich hab vorher meiner Mannschaft gesagt: Die müssen – wir können!“ So kam es dann auch und deshalb stimmte auch das Fazit des Gästetrainers: „Am Ende, glaube ich, müssen wir uns nicht für den Punkt entschuldigen.“