Essen. Nach dem 3:1-Sieg im Niederrheinpokal gegen den 1. FC Kleve schickt auch RWE-Trainer Christian Neidhart eine Kampfansage an den Bundesligisten.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell die Sieger-T-Shirts nach einem Finalsieg hervorgekramt sind. Spötter behaupten, manchmal ist es die schnellste Aktion der ganzen Veranstaltung. So war auch nach dem letztlich ungefährdeten 3:1-Sieg von Rot-Weiss Essen im Niederrhein-Pokalfinale gegen den wackeren 1. FC Kleve zügig das rote Siegerleibchen übergestreift: „Über Bielefeld nach Berlin“ hieß es da keck auf der Spielerbrust. Verkehrstechnisch sicherlich nichts gegen einzuwenden, immer die A 2 entlang. Aber sporttechnisch? Da hatten die 90 Finalminuten aber doch einige spielerische Staus offenbart.
Bielefeld bis dahin noch nicht im Spielbetrieb
Darum kam die Kampfansage des neuen RWE-Trainers Christian Neidhart doch ein wenig überraschend: „Wir spielen im Pokal, um in die nächste Runde einzuziehen. Die Bundesliga ist bis zum Pokal noch nicht im Spielbetrieb, wir hatten schon zwei Pflichtspiele und auch bis dahin den Saisonstart gegen Wiedenbrück. Saarbrücken hat es uns vorgemacht, wie man im Pokal Geld verdienen kann.“ Starke Worte, die an diesem Nachmittag wohl auf den Eindrücken der ersten 20 Spielminuten fußen mögen.
Denn da hatte der Favorit gegen die hoffnungslos überforderten Klever, die in der Oberliga noch nie übers Mittelmaß hinausgekommen sind, ein spielerisches Feuerwerk abgebrannt, allerdings mit Fehlzündungen im Abschluss. Was da an Chancen liegen blieb, reicht normal für einen Durchmarsch in der Liga. Die Situation erinnerte an einen Boxkampf, in dem der Unterlegene durch den Ring taumelt, sich aber nur eine Erkältung zuzieht, durch die Luftzüge der unpräzisen Schwinger des Gegners. „Wir sind richtig gut ins Spiel gekommen und hatten ein Dutzend Torabschlüsse. Wenn wir direkt unsere Tore machen, haben wir den Gegner schnell da, wo wir ihn haben möchten“, wusste auch der Coach. War aber nicht: Latte, Bereinigungen auf der Torlinie, eklatante Fehlversuche – die halbe RWE-Mannschaft beteiligte sich am Scheibenschießen.
Der Angriffsorkan legte sich nach 20 Minuten
Dann legte sich der Orkan und es wurde ziemlich ruhig. Bis kurz vor der Halbzeit, als endlich die Genussfreunde unter den Zuschauern auf ihre Kosten kamen: Die große neue Schaltstation im Mittelfeld, Felix Backszat, passte genau in den Lauf von Sandro Plechaty, Simon Engelmann startete zum richtigen Zeitraum in den freien Raum und hielt den Fuß hin. Das 1:0 war zum Gaumen schmausen. „Das haben wir überragend rausgespielt, der Laufweg von Engel war sehr gut, darauf können wir aufbauen. Aber wir haben noch Arbeit vor uns“, so Neidhart, der nach der Pause einigermaßen fassungslos registrierte, wie schwer bis gar nicht sein Team wieder in die Gänge kam. „Die Halbzeitpause kam zum falschen Zeitpunkt, nach dem Seitenwechsel haben wir zunächst den Faden verloren und zu viele Standards zugelassen“, konstatierte der dreifache Torschütze Engelmann.
Nur gut, dass der Neuzugang den (berechtigten) Elfmeter und den Ausgleich der Gäste nur vier Minuten später mit der neuerlichen Führung konterte, diesmal mit einem abgefälschten Schuss aus 25 Metern, der sich ins lange Eck senkte. Das 3:1 per Elfmeter, Joshua Endres hatte sich im Strafraum „hingelegt“, ließ er kurz vor Ende folgen, weil er als einer von zwei ständigen Strafstoßschützen (neben Alexander Hahn) vom Trainer auserkoren wurde. So trocken und nüchtern, wie der Neue aus Rödinghausen seine Tore liefert, kommentierte er auch seine momentane Torquote: „So kann man in die Saison starten.“
Auch Engelmann sieht DFB-Pokalchancen
Der neue Torjäger ist jedenfalls schon bereit für das Kräftemessen in der ersten Pokal-Hauptrunde mit dem Bundesliga-Aufsteiger. „Wir haben auch gegen Bielefeld sicher unsere Chancen und wollen den Gegner ärgern. Es wäre natürlich schade, wenn keine Zuschauer im Stadion sind. Die Fans hier waren ja auch ein Grund, warum ich zu Rot-Weiss gewechselt bin.“ Noch muss Simon Engelmann auf seinen Torjubel vor der gefüllten Westkurve warten. Keiner weiß, wie lange noch.