Essen. Essener Rad-Profi Ben Zwiehoff belegt beim internationalen Marathon in Neustadt Platz zwei. Jetzt folgt Etappenrennen in den Schweizer Alpen.

Es läuft nach wie vor rund für Ben Zwiehoff. Corona? Über Monate keinen Wettkampf? Dem Essener Mountainbiker (MSV Steele 11) scheint das alles nichts ausgemacht zu haben. Er hat offenbar die Zwangspause ebenso gut weggesteckt wie die Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio, für die er sich zunächst einmal vergeblich abgestrampelt hatte. Ben Zwiehoff, der inzwischen für das Team Centurion Vaude fährt, gehört zu den besten deutschen Cross-Country-Fahrern und hat sich nun beim ersten nationalen „After-Corona-Marathon“ in Neustadt an der Weinstraße eindrucksvoll zurückgemeldet - flott wie eh und je.

Die Veranstalter in Neustadt waren die ersten, die ein solches Event unter Corona-Auflagen ausgerichtet haben. „Und so viele wird es wohl auch nicht mehr geben in diesem Jahr“, ahnt Zwiehoff. Was auch materielle Gründe hat. „Es rechnet sich einfach nicht, weil die Kosten für die Organisation etwa dreimal so hoch sind.“

Für Steeles Moutainbiker Ben Zwiehoff beginnt allmählich wieder die Wettkampfsaison.
Für Steeles Moutainbiker Ben Zwiehoff beginnt allmählich wieder die Wettkampfsaison. © AFP | Ina Fassbender

Start in Zehnergruppen

Die europäische Elite nahm nach der langen Durststrecke das Angebot dankbar an. Gestartet wurde in Zehnergruppen, um den Abstand zu wahren. Für Zwiehoff machte das allerdings keinen Unterschied, weil er ohnehin mit den Top Ten-Fahrern als erste Gruppe auf die Strecke durfte. Nach 90 Kilometern und rund 2000 Höhenmetern landete der Essener auf Rang zwei. Es war am Ende verdammt knapp. Das Finish hatte Zwiehoff gegen den dreimaligen Marathon-Weltmeister Alban Lakata aus Österreich nur um wenige Hundertstel verloren. Man muss sich das mal vorstellen, ein paar Hundertstel nach dreieinhalb Stunden Berg und Tal und fast 40 Grad Celsius.

„Es hätten noch ein paar Berge mehr sein können“, grinst Ben Zwiehoff. So drahtig wie er daherkommt, kann man sich leicht vorstellen, dass ihm gerade die Anstiege liegen. „Ich hätte das Ding auch gewinnen können, war zwischenzeitlich ja schon eine Minute weg vom Feld.“ Doch weil ihm früh im Rennen die Gabel gebrochen war, musste er sich bei den Abfahrten etwas bremsen und vorsichtiger fahren, während die Konkurrenz voll durchziehen konnte. „Am vorletzten Berg haben sie mich dann wieder eingefangen.“

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Kaum Wettkampfpraxis, aber Form stimmt

Aber egal, die Form stimmt, so viel ist sicher. Und das, obwohl Zwiehoff wie alle anderen lange Zeit keine Wettkampfpraxis hatte. Klar, auch zu Hause gibt’s Strecken zum Trainieren, doch das alles genügt einem Weltklassefahrer natürlich nicht. Zumal es ab kommenden Dienstag wieder in die Berge geht. Gemeinsam mit seinem Teamkollegen Daniel Geismayr startet der Essener beim Swiss Epic, einem anspruchsvollen, mehrtägigen Etappenrennen durch die Bündner Alpen.

Ausdauer, Durchhaltevermögen und Geschick sind gefragt, die Strecke führt über fünf Etappen von Laax über Arosa bis ins Ziel nach Davos. Schöne Aussichten, wenn man Zeit hat und sich nicht zu quälen braucht „Da geht es auch mal hinauf bis auf 2500 Meter“, weiß Zwiehoff.

Bei einem Lockdown kommt man schon mal auf kuriose Ideen. Ben Zwiehoff in seinem Wohnzimmer.
Bei einem Lockdown kommt man schon mal auf kuriose Ideen. Ben Zwiehoff in seinem Wohnzimmer. © AFP | Ina Fassbender

Höhentraining daheim im Zelt

Bei dieser körperlichen Herausforderung ist ein Höhentraining natürlich unerlässlich. Doch das würde für drei Wochen in diesen Zeiten etwa 6000 Euro kosten. Also hat sich Ben Zwiehoff am Olympiastützpunkt in Köln ein Zelt geliehen, das als Alternative zum Höhentraining funktioniert. Nacht für Nacht schläft er nun in diesem dichten Ding, in das sauerstoffarme „Luft“ gepumpt wird und dem Körper eine Höhe von 2800 Metern vorgaukelt. Sieben bis acht Stunden Schlaf sollten es schon sein. Normal halt, aber nicht unter diesen Umständen. „Das ist nicht witzig bei dieser Hitze“, gibt Zwiehoff zu und ruhte zuletzt auch mal ein paar Tage unüberdacht.

Gleichwohl haben die medizinischen Checks ergeben, dass die Anpassung funktioniert hat. Die Werte sind super, nun muss es Zwiehoff in der Schweiz nur noch auf die Piste bringen. Er hat schon bewiesen, dass er bei solchen strapaziösen Events bestehen kann. Zu Jahresbeginn wurde er hervorragender Zweiter beim Andalusia-Bike-Race, dem größten und wichtigesten Etappenrennen in Europa. Bei einem Rennen auf Lanzarote über vier Stationen, vergleichbar mit der Vuelta auf der Straße, belegte er in der Gesamtwertung Rang sechs. Es lief vor Corona für ihn, als plötzlich der Lockdown auch die Mountainbiker ausbremste.

Im September beginnt die Weltcup-Saison

Längst sind die Bremsen aber wieder gelöst. Im September und Oktober wird es fünf Weltcup-Rennen im Cross-Country geben, nur zwei weniger als ursprünglich vorgesehen. Die abgesagten Weltmeisterschaften in Albstadt werden in Leogang (Salzburger Land) Anfang Oktober nachgeholt. Und Olympia? Dieser Traum lebt natürlich weiter, obwohl Ben Zwiehoff insgeheim über seine Zukunft als Radprofi nachdenkt. Da könnte sich der junge Mann auch eine Karriere auf Asphalt vorstellen. Auch Straßen führen hinauf in die Berge.