Essen. Rot-Weiss Essen hat den neuen Cheftrainer vorgestellt. Der weiß, dass von ihm der Aufstieg in die 3. Liga erwartet wird. Das schreckt ihn nicht.
Die Corona-Krise hat den Spielbetrieb zwar über Monate stillgelegt, aber viel Zeit blieb Christian Neidhart (51) nicht, sich auf seinen neuen Job einzustimmen. Das merkte man ihm natürlich nicht an, als er am Donnerstag nach einem kurzen Kurzurlaub seine Arbeit an der Hafenstraße aufnahm. Neue Herausforderung, neue Leidenschaft - so ist das, so muss es sein. Es gibt viel zu tun bei Rot-Weiss Essen, wobei das Ziel glasklar formuliert ist. Jeder weiß, was von dem neuen Cheftrainer verlangt wird: RWE will nach Jahren des Scheiterns am Ende der Saison 2020/21 endlich die Sehnsucht stillen und in die 3. Liga aufsteigen.
Anfang Juli war der letzte Spieltag in der 3. Liga. Neidhart gewann mit dem SV Meppen gegen den Zweitliga-Aufsteiger Eintracht Braunschweig mit 4:3 und danach war Schluss für ihn: Nach 270 Pflichtspielen und sieben Jahren endete im Emsland eine Ära. „Es war definitiv ein schöner und gelungener Abschied, nicht nur wegen des Sieges“, fand Neidhart. Die Fans bedankten sich nach der Partie beim dem treuen Trainer. „Ich habe es gehofft, dass sie mich nach sieben Jahren nicht so einfach gehen lassen“, schmunzelte dieser. In Meppen haben sie ihn geliebt und geschätzt, dort hatte der Mann das erreicht, was er in Revier noch schaffen muss: „Der gemeinsame Aufstieg in die 3. Liga war der mit Abstand schönste Moment.“
Corona-Pause - guter Zeitpunkt zu wechseln
Doch der Fußballlehrer spürte in der Meppener Wohlfühloase auch, dass etwas passieren muss. „Nach sieben Jahre in einem Verein war es für mich wichtig, aus diesem Trott herauszukommen, was Neues zu erfahren.“ Das meint Neidhart gar nicht mal negativ, erst die Anfrage aus Essen habe ihn nachdenklich gestimmt. Und die Corona-Zwangspause sei dann auch kein schlechter Zeitpunkt für ein neues Kapitel gewesen.
Meppen zeigte sich sehr kooperativ und entließ den verdienten Chefcoach vorzeitig aus dem Vertrag. Kein Wunder, dass sich Neidhart eingangs der Pressekonferenz noch einmal ausdrücklich bei seinem ehemaligen Arbeitgeber für die Freigabe bedankte. Nun also ist er bei Rot-Weiss Essen in der 4. Liga. Kein Rückschritt, sondern die Chance, sich selbst weiterzuentwickeln. Ausgerechnet dort, wo die Fans im Erfolgsfall mit Trainer und Spielern ausgelassen zur Humba hüpfen, wo es aber auch in miesen Zeiten verdammt ungemütlich werden kann.
Erfahrungen an der Hafenstraße als junger Spieler
Christian Neidhart kennt die Atmosphäre, hat sie sogar selbst erlebt, als er Ende der 80er Jahre als junger Spieler mit Eintracht Braunschweig an der Hafenstraße gastierte. „Ich wurde nicht eingewechselt, durfte mich aber die ganze Zeit vor den Essener Fans aufwärmen und wurde 90 Minuten durchbeleidigt.“ Dabei schmunzelt er, denn ihm gefiel diese Begeisterung durchaus. „Ich habe mir gedacht, das ist richtig geil. Hier ist richtig was los.“
Ganz klar, in Meppen geht es vermutlich beschaulicher zu als bei RWE, der Erwartungsdruck ist dort längst nicht so hoch. „Einen Platz über dem Strich zu stehen, ist Champions League. Aber Druck hat man in unserem Job überall, auch in Meppen.“ Neidhart weiß dennoch, was von ihm erwartet wird und sagt es auch frei heraus: „Du kannst nicht nach Essen kommen und sagen, du willst Zweiter oder Dritter werden.“ Er gehe aber total positiv an die Aufgabe heran. „Ich weiß, was ich will und habe auch eine Erwartung an mich, wie ich das mit dem Verein und den Jungs hier wuppen möchte.“
Im August Trainingslager in Herzlake
Die Rot-Weissen werden innerhalb der Vorbereitung vom 11. bis 15. August ins Trainingslager nach Herzlake gehen.
Dort ist für Donnerstag,13. August, ein Testspiel gegen den Oberligisten BW Lohne vorgesehen.
Einen weiteren Test absolviert RWE am Mittwoch, 26. August, gegen die Spvg. Schonnebeck.
Neidhart übernimmt intakte Mannschaft
Nun geht es erst einmal darum, die Mannschaft in den täglichen Einheiten genauer zu studieren und kennenzulernen. Auch wenn er bereits ein grobes Bild haben dürfte, denn schließlich besprachen er und Sportdirektor Jörn Nowak auch schon die weitere Kaderplanung. Er übernehme aber eine intakte Mannschaft, die schon in der vergangenen Saison gute Leistung gezeigt habe.
So offensiv wie RWE das Aufstiegsrennen angeht, so offensiv soll auch sein Team auftreten. Neidhart war früher Stürmer und bevorzugt als Trainer noch immer die Offensive. Meppen gehörte in der 3. Liga zu den angriffsstärksten Mannschaften, auch in puncto Ballbesitz war der Drittligist top. Das klingt vielversprechend und würde passen. „Einen Trainer“, sagt Neidhart, „kann man auch daran messen, ob man diese Spielidee auf dem Rasen erkennt.“
Es wird ein schwieriger und weiter Weg
Allerdings müsse man auch Spiele verlieren dürfen, sagt er, wichtig sei nur, wie man verliert. Es gehe darum, die Zuschauer mit dem Auftreten zu begeistern und mitzureißen. „Gelingt uns das, weiß jeder, was hier los ist.“ Christian Neidhart kennt das Geschäft. Er weiß, dass in Essen vor ihm schon einige Trainer gescheitert sind. Und nichts ist gefährlicher für einen Favoriten als Überheblichkeit. Also warnt er: „Es bleibt ein schwieriger und weiter Weg. Wenn wir das Ziel erreichen wollen, muss auch viel zusammenpassen.“