Essen. RWE hat sich bei der Verpflichtung auch blenden lassen von der Vita des Fußballlehrers. Der Fehler ist dem Traditionsklub schon einmal unterlaufen.

Rot-Weiss Essen hat sich von Cheftrainer Christian Titz getrennt. In der offiziellen Mitteilung des Vereins kommt es rüber wie einvernehmlicher Beschluss. Man habe unterschiedliche Ansichten, das komme vor. Aber Unstimmigkeiten nach nur einem Jahr der Zusammenarbeit, obwohl es eine langfristige Zusammenarbeit werden sollte, das ist ist schon ungewöhnlich. Doch Interna sind nun mal nichts für die Öffentlichkeit, da muss man auch den Verein verstehen.

Rot-Weiss fällt es verdammt schwer, diese auf den ersten Blick unpopuläre, für manche auch unverständliche Scheidung zu begründen. Denn es war ja wahrlich nicht alles schlecht, was sich in den letzten Monaten an der Hafenstraße entwickelt hat. Nur es hätte vielleicht mit diesem hochkarätigen Kader auch noch besser sein können. Vier Heimniederlagen sind jedenfalls definitiv zu viel für eine Spitzenmannschaft, wobei das schmähliche 0:2 gegen den Abstiegskandidaten VfB Homberg sicherlich der Tiefpunkt war.

Zu Beginn gefeiert wie ein Messias

Als Christian Titz an der Hafenstraße anheuerte, wurde er gefeiert wie ein Messias. RWE hat einen hohen Anspruch an sich und war stolz auf diesen Coup, denn der Fußballlehrer hatte schließlich schon den großen Hamburger SV - wenn auch nur für kurze Zeit - in 1. Bundesliga trainiert. Dabei brachte er grundsätzlich nicht mehr Erfahrung mit als sein eher kumpelhafter Vorgänger Karsten Neitzel.

Für Rot-Weiss Essen schien es dennoch der große Wurf, der bundesweit Schlagzeilen brachte. Das ist immer sexy. Und auch die Spielidee des Neuen war ansprechend und überzeugend. Doch wie damals beim früh gescheiterten Sportvorstand Uwe Harttgen, der ebenfalls ganz ausgezeichnete Referenzen besaß, irrte der Traditionsklub in seiner Einschätzung gewaltig. Das muss man ihm ankreiden, beide Verpflichtungen waren Fehler, was sich leider erst später herausgestellt hat. Dass beide Charaktere alles andere als einfach sind, das hätte man bei besserer Recherche vorher erfahren können. So aber hat sich RWE erneut blenden lassen und zahlt wieder einmal Lehrgeld.

Der ehemalige RWE-Chefcoach Christian Titz
Der ehemalige RWE-Chefcoach Christian Titz © Thorsten Tillmann

Ein Profi durch und durch

Christian Titz ist ein Profi durch und durch, was man ihm nicht vorwerfen kann. In dieser Hinsicht hätte es sogar gepasst, denn RWE will sich ja zunehmend professioneller aufstellen. Dass der Fußballlehrer die Spieler den ganzen Tag zur Anwesenheit am Stadion verpflichtete, war zwar neu und ungewöhnlich für einen Viertligisten, aber warum nicht? Die Jungs sind Vollprofis und verdienen dort gutes Geld.

Von zwei Transfer-Perioden hatte Christian Titz immer gesprochen bis sich der Traum vom Aufstieg realisieren könnte. So hielt er sich auch etwas den Rücken frei, und man ließ ihn gewähren. Hätte das Vorgänger Neitzel gesagt - oh Gott…. Titz wurden so ziemlich alle Wünsche erfüllt, doch die Forderungen sind vermutlich hoch geblieben, was gerade in Zeiten von Corona für jeden Verein schwierig geworden ist, sie zu realisieren. Vielleicht wollte er auch einfach zu viel und hat seinen Arbeitgeber damit überfordert.

Anfangs für seine erfolgreichen Einwechslungen gefeiert

Aus sportlicher Sicht drehte sich der Wind im Laufe der Spielzeit. Anfangs wurde der Cheftrainer für sein goldenes Händchen bei den Einwechslungen gefeiert, weil am Ende immer der Erfolg stand. Wie macht er das nur? Vielleicht war es ja auch nur ein bisschen Glück. Später, als die Leistungen nur noch selten wirklich überzeugend waren, ließ Christian Titz weiterhin rotieren, nur plötzlich verunsicherte es die Spieler, die zunehmend unzufrieden wurden.

Es lief nicht immer nur rund bei RWE.
Es lief nicht immer nur rund bei RWE. © Thorsten Tillmann

Dem Coach ist es nicht gelungen, seine Entscheidungen intern zu moderieren, er schob lediglich den Leistungsgedanken vor. Das ist eine Frage von geschickter und sensibler Personalführung. Die RWE-Verantwortlichen haben sich jedoch nicht unbedingt dem Diktat der unzufriedenen Mannschaft gebeugt, sondern den Riss erkannt und gespürt, dass der interne Umgang miteinander immer wieder Probleme aufwarf. Das hatte keine Perspektive.

Es gab nur einen Entscheider auf der Kommandobrücke

Christian Titz betonte öffentlich ständig den Teamgedanken, eloquent, sympathisch und überzeugend. Er wolle alle mit ins Boot nehmen für den Erfolg. Nur intern stand eines offenbar immer fest: Der Kapitän ist nur er allein, es gibt nur einen Entscheider auf der Kommandobrücke. Und manch einer, der selbst in der Verantwortung steht, lässt sich ungern ständig erklären, wie Fußball funktioniert. Die Zeiten der großen Zampanos ist allerdings vorbei, Teamarbeit setzt sich auch jenseits des Rasenvierecks immer mehr durch. Dort muss es ebenfalls funktionieren.

Offenbar war Christian Titz nicht bereit einzulenken, seine Personalführung zu hinterfragen, sich vielleicht etwas anzupassen. Also Schluss. Und auch ihn wird diese Entscheidung schmerzen. Mit der Trennung wird aber lediglich ein Teil des Gesamtgefüges bei Rot-Weiss Essen ausgetauscht. Der zweite Fehler wäre gewesen, den ersten nicht zu korrigieren, so die Marschroute. RWE kann und sollte auf dem eingeschlagenen Weg bleiben, weil Christian Titz durchaus etwas entwickelt hat an der Hafenstraße. Nun alles gleich wieder in Frage zu stellen, wäre der nächste Fehler.