Köln. Essener Außenseiter hat nach einer bärenstarken Leistung die Sensation vor Augen. Doch im Elfmeterschießen versagen der SGS die Nerven.
Marina Hegering lag auf dem Rasen, die Augen geschlossen. Sie wollte nicht sehen, was da am Samstagabend einige Meter weit von ihr entfernt vor sich ging, sie wollte nicht hören, wie die Konfettikanonen knallten und silberfarbene Papierschnipsel niederregneten. In diesem Moment konnte sie den lauten Jubel der Fußballerinnen des VfL Wolfsburg nicht ertragen, die gerade im Müngersdorfer Stadion die Trophäe in die Höhe reckten, nachdem sie das DFB-Pokalfinale der Frauen mit 7:5 (3:3/1:2) für sich entschieden hatten. „Da steht nicht der verdiente Sieger auf dem Podest“, sagte Spielführerin Marina Hegering von der SGS Essen dann traurig, noch immer saßen Frust und Fassungslosigkeit tief. Knapp 20 Minuten später relativierte sie ihre Aussage in der Pressekonferenz: „Pure Leidenschaft und positive Energie“ seien leider nicht belohnt worden, erklärte sie.
Anyomi erleidet Steißbein-Bruch
Leidenschaft. Energie. Es waren die Attribute, mit denen die Schönebeckerinnen in diesem Pokalfinale überrascht und überzeugt hatten, auch ohne am Ende zu gewinnen. Überrascht hatten sie schon zu Beginn, da war das Spiel gerade einmal zwölf Sekunden alt. Ein langer Ball von Lena Ostermeier fand die lauernde Lea Schüller. Ihren cleveren Lupfer über VfL-Torhüterin Friederike Abt drückte die pfeilschnelle Stürmerin zur Sicherheit noch selbst mit dem Kopf über die Torlinie. Das sahen auch die wenigen Ehrengäste auf den sonst leeren Tribünen, darunter Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg und Oberbürgermeister Thomas Kufen.
Die Wolfsburgerinnen schauten etwas ungläubig nach dem schnellsten Tor in der Geschichte des Frauen-DFB-Pokals, aber sie berappelten sich schnell. Und die dänische Topstürmerin Pernille Harder bewies ihre gnadenlose Effizienz. Die Bundesliga-Torschützenkönigin (27 Tore) zog aus elf Metern mit Rechts ab. 1:1 in der elften Minute.
Beide Seiten bleiben nach Gegentreffern cool
Und die SGS Essen? Schüttelte sich ebenfalls kurz und blieb cool. Defensiv, nicht zu viel riskierend, aber immer für einen Konter gut. Das Tempo blieb hoch, es ging hin und her – und die in der Liga so selten geforderte Wolfsburger Abwehr offenbarte ungewohnte Schwächen. So auch beim Essener Eckball von Elisa Senß, den Marina Hegering per Kopfball zur erneuten Führung nutzte (18.). Der Favorit antwortete mit wütender Gegenwehr, Anna Blässe glich mit einem 25-Meter-Gewaltschuss erneut aus für Wolfsburg (70.), kurz zuvor musste Essens Nicole Anyomi ins Krankenhaus gebracht werden, die Angreiferin erlitt einen Steißbein-Bruch.
Dann sorgte die Niederländerin Dominique Bloodworth per Kopf für die erste VfL-Führung (86.). Würde die Partie also das erwartete Ende nehmen? Nein, die eingewechselte Essenerin Irini Ioannidou sorgte per direktem Freistoß in der 90. Minute für die Verlängerung, die schließlich ins Elfmeterschießen mündete.
In dem zeigten die Wolfsburgerinnen jedoch die besseren Nerven, VfL-Torhüterin Abt parierte die Schüsse von Ioannidou und Nina Brüggemann, Wolfsburgs Pernille Harder verwandelte den letzten Schuss eiskalt. „Ich bin unfassbar traurig“, sagte Marina Hegering. „Nach solch einem Spiel ist man einfach nur am Ende.“
Die besseren Nerven beim Elfmeterschießen
Es war auch das Ende einer „Ära“, wie SGS-Trainer Markus Högner die zurückliegenden Jahre nannte. „Wir hätten sie gerne mit diesem Titel gekrönt.“ Denn nun steht an der Ardelhütte ein Umbruch bevor. Die vier Nationalspielerinnen Schüller, Hegering (beide zum FC Bayern), Lena Oberdorf (Wolfsburg) und Turid Knaak (Ziel unbekannt) verlassen den Verein, nach dem Finale hatte der Klub seine Leistungsträgerinnen in geselliger Runde verabschiedet.
Schüller und Knaak hatten sich während der Wolfsburger Siegesfeier mutmachend umarmt, Oberdorf stand nur mit leerem Blick auf dem Rasen. Möglich, dass sie im kommenden Jahr mit dem VfL wieder im Finale in Köln stehen wird. Wolfsburgs Trainer Stephan Lerch freute sich jedenfalls schon auf die 18-Jährige, die seiner Spielführerin Alexandra Popp das Leben in Zweikämpfen schwer gemacht hatte: „Ich bin froh, dass Lena bald bei uns spielt. Sie hat ihre körperliche Präsenz voll auf den Platz gebracht. Solche Spiele bringen sie weiter.“
Oberdorf selbst hatte für das Lob nicht viel übrig. „Das war das anstrengendste Spiel der Saison. Wenn man den Pokal schon fast in der Hand hat und ihn dann wieder hergibt, ist das doppelt bitter.“