Köln. Die Spierinnen der SGS Essen schnupperten im DFB-Pokalfinale gegen den VfL Wolfsburg an der Sensation. Im Elfmeterschießen versagten die Nerven.
Es ist doch mehr als ein Abhaken, das wurde nach dem Abpfiff offensichtlich. Die Fußballfrauen des VfL Wolfsburg feierten den 7:5-(1:2/3:3) Erfolg nach Elfmeterschießen gegen die SGS Essen ausufernd wie den ersten Sieg im DFB-Pokal – dabei hatten die Wolfsburgerinnen gerade den sechsten Titel in Folge eingefahren, den siebten insgesamt und damit ihre Dominanz im deutschen Frauenfußball noch einmal unterstrichen. Gemäß ihrem Slogan „Immer hungrig“ haben sie in dieser Saison wettbewerbsübergreifend keine einzige Partie verloren, feierten vergangene Woche bereits den vierten Meistertitel in Folge mit 20 Siegen, zwei Remis und einer imposanten Tordifferenz von 93:8.
Doch dieser sechste Streich – er erfolgte nach einem verrückten Pokalfinale, er war ein hartes Stück Arbeit gegen die SGS Essen. Gegen das Team, das sich mit Siegen gegen den SV Meppen (5:1), den 1. FC Köln (3:1), Turbine Potsdam (3:1) und Bayer 04 Leverkusen (3:1) ins Finale in Köln gespielt hatte, im Müngersdorfer Stadion an diesem Samstagnachmittag aber trotzdem nur als Außenseiter galt. Der deutsche Dominator aus Niedersachsen gegen den Ausbildungsklub aus dem Essener Stadtteil Schönebeck. David gegen Goliath.
Auch interessant
Doch es war der Außenseiter, der den Favoriten schockte. Sehr früh, bereits nach zwölf Sekunden. Anstoß, die Essenerinnen vertändelten den Ball zunächst, erkämpften ihn sich zurück, schlugen die Kugel lang nach vorne und überraschten damit die herausrückende Wolfsburger Viererkette. Essens Torjägerin Lea Schüller hatte sich davongestohlen, lief alleine aufs Tor zu und lupfte den Ball über die zu zögerlich herauskommende Torhüterin Friederike Abt. Die musste zusehen, wie Schüller den Ball dann per Kopf ins leere Tor lenkte. 1:0, es war das schnellste Tor der Geschichte im DFB-Pokal der Frauen, der haushohe Favorit konnte nur ungläubig den Kopf schütteln. Das sahen auch die wenige Ehrengäste auf der Tribüne, darunter Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg und Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU). Vor sechs Jahren hatten die Essenerinnen schon einmal im Pokalfinale gestanden, damals wurden sie in den Anfangsminuten mit einem frühen Treffer des 1. FFC Frankfurt überrascht, am Ende gab es ein 0:3. Nun überraschten sie selbst.
Turbulenter Auftakt in Köln
Doch die Wolfsburgerinnen schüttelten die Überraschung schnell ab, sollten die Partie bis zur Halbzeit dominieren. Die Dänin Pernille Harder, mit 27 Toren in 22 Spielen beste Torjägerin der jüngsten Bundesligasaison, testete Essens Stina Johannes in der fünften Minute erstmals richtig. Da hielt die SGS-Schlussfrau noch, noch sechs Minuten darauf feierten die Wolfsburgerinnen den Ausgleich. Anna Blässe fand in der Mitte Pernille Harder, die aus zehn Metern mit ihrem halbhohen Schuss erfolgreich war.
Und die SGS Essen? Schüttelte sich ebenfalls kurz und blieb cool. Defensiv, nicht zu viel riskierend, aber immer für einen Konter gut. Wie der von Nicole Anyomi, den Wolfsburgs Torfrau Friederike Abt in letzter Sekunde abblocken konnte. Auf der Gegenseite hatte Svenja Huth eine Großchance nach einem Abspielfehler, doch die Nationalspielerin legte sich den Ball etwas zu weit vor. Und dann: Überraschung Nummer zwei. Essen ging in der 18. Minute erneut in Führung. Nach einer Ecke war die Wolfsburger Defensive unaufmerksam und Marina Hegering konnte im Rücken von Dominique Janssen hochsteigen. Aus neun Metern köpfte den Ball hoch ins rechte Eck.
Auch interessant
Es war ein Treffer, der neue Kräfte freisetzte. Die Essenerinnen glaubten wieder an ihre Chance, nach jeder gelungenen Aktion gab es Applaus von den Mitspielerinnen und laute Rufe zur Anfeuerung. Wolfsburg aber war sichtlich genervt, machte weiter mächtig Druck, immer wieder erarbeitete sich das Team aus der Autostadt eine Ecke nach der anderen. Pernille Harder und Ewa Pajor tauchten immer wieder gefährlich vor dem Essener Tor auf. Doch die Führung hielt trotz nachlassender Kräfte bis zur Halbzeitpause.
Und darüber hinaus. Den Titelverteidigerinnen fehlte es nach wie vor an Ideen und an Zug zum Tor, in der 55. Minute köpfte Pernille Harder aus zwölf Metern mal Richtung Tor, der Ball ging aber weit vorbei. Stattdessen hatte die SGS wieder eine gute Chance, das Spiel vorzuentscheiden. Doch Jana Feldkamp setzte den Ball nach schönem Zuspiel von Elisa Senß aus 15 Metern an den linken Pfosten. Da fehlten nur Millimeter.
SGS Essen rettet sich in die Verlängerung
Besser machte es der VfL nach einer Ecke in der 70. Minute. Anna Blässe zog trocken aus der Distanz ab und der wuchtige Schuss passte. 2:2, die Wolfsburgerinnen wurden für ihre Mühen belohnt. Man merkte ihnen an, dass sich als turmhoher Favorit keine Blöße geben wollten. In der 86. Minute fiel schließlich die Entscheidung. Dominique Bloodworth hatte zuvor eine Großchance vergeben, nun kam der Ball bei einem Eckball in den Strafraum geflogen und die Niederländerin traf mit dem Kopf. Enttäuschte Blicke bei den Essener Spielerinnen, erlösender Jubel beim VfL Wolfsburg. Doch: zu gefreut. In der 90. Minute glich Irini Ioannidou per direktem Freistoß zum 3:3 aus. Ein eher harmloser Schuss, doch VfL-Torfrau Abt lief in die falsche Ecke – Verlängerung.
Und die konnte der VfL gar nicht abwarten, die Spielerinnen warteten bereits auf dem Rasen, als die Essenerinnen sich noch einschworen. Wolfsburg wirkte auch frischer, aber abschreiben – das hatten die VfL-Frauen ja gelernt – taten sie die Essenerinnen nicht. Und so blieb es auch in den folgenden zweimal 15 Minuten spannend. Wolfsburg war wieder überlegen, doch die Essenerinnen verteidigten tapfer, waren in der Vorwärtsbewegung allerdings am Ende ihrer Kräfte. Wütend griff der Titelverteidiger immer wieder das Essener Tor an, mehr als ein Pfostenschuss von Claudia Neto (114.) kam aber nicht zustande. Es ging ins Elfmeterschießen.
Dominique Bloodworth traf für Wolfsburg, Lea Schüller glich aus (4:4). Claudia Neto verwandelte für Wolfsburg, Lena Oberdorf glich nervenstark per Kullerball aus. Alexandra Popp schoss vorbei – Irini Ioannidou vergab ebenfalls. Joelle Wedemeyer legte für Wolfsburg vor, Nina Brüggemanns Schuss landet im Arm von VfL-Torfrau Abt. Pernille Harder lief an- und traf. 7:5.