Essen. Essens Olympiakandidat Ben Zwiehoff hat sich mit der neuen Situation arrangiert und hofft auf die Qualifikation im nächsten Jahr für Tokio.

Eine Runde drehen, das geht auch während der Corona-Krise. Aber es muss ja nicht im eigenen Wohnzimmer sein, dem Alltagsradler sei da in jedem Fall abgeraten. Ben Zwiehoff (26) hingegen, dem Pedal-Profi, bescherte ein Foto von seiner artistischen Einlage auf dem Parkett, auf dem er die hohe Kunst der Balance demonstriert, in den Sozialen Medien weltweite Aufmerksamkeit. Eine Resonanz, die er normalerweise als Mountainbiker selten erfährt.

Der pfiffige Werbegag freut den neuen Sponsor

Ein bisschen Publicity kann vor allem in diesen Tagen nie schaden und sein neues Team, Centurion-Vaude, ist natürlich dankbar für pfiffige Werbegags. Zwiehoff, aufgewachsen beim MSV Steele 11, verließ zur Jahreswende das Hamburger Team Bergamont, das ihn von Beginn an seiner Karriere treu begleitet hatte, und wechselte zu den Rot-Weißen nach Schwaben. Dieser Rennstall ist eher in der Lage, den hohen Ansprüchen eines Top-Athleten gerecht zu werden, auch wenn dort bislang vor allem die Marathon-Cracks gefördert wurden.

Zwiehoff zählt national zu den besten Cross-Country-Fahrern, er ist Deutscher Vizemeister und war bereits auf dem Weg nach Tokio, als die Olympischen Sommerspiele Ende März aufgrund der Corona-Pandemie ins nächste Jahr verlegt wurden. Er hatte die Olympia-Norm wie gefordert zweimal erfüllt, die verbandsinternen Qualifikationen standen allerdings noch aus. Es gab vier deutsche Kandidaten für zwei Startplätze. Die Form zu Jahresbeginn war vielversprechend.

Von Anfang an Befürworter der Olympischen Spiele

Bei einem hochklassig besetzten Vier-Etappen-Rennen auf Lanzarote, vergleichbar mit der Vuelta auf der Straße, belegte Ben Zwiehoff in der Gesamtwertung Rang sechs, verpasste dabei nur hauchdünn einen Tagessieg. „Das hat natürlich noch einmal Selbstvertrauen gegeben“, erinnert sich der Essener. Doch dann war‘s plötzlich vorbei: Shutdown auch bei den Mountainbikern. „Anfangs war ich geschockt, doch ich war eigentlich von Anfang an dafür, dass die Spiele verlegt werden“, sagt der Jura-Student. „Es gab keine Chancengleichheit mehr.“

Viel wohler fühlt sich Ben Zwiehoff allerdings, wenn es draußen über Stock und Stein geht.
Viel wohler fühlt sich Ben Zwiehoff allerdings, wenn es draußen über Stock und Stein geht. © EgoPromotion

Die einen durften trainieren, andere nicht. Die Doping-Kontrollen wurden ausgesetzt. „Ich glaube nicht, dass Olympische Spiele im Sommer sinnvoll gewesen wären.“ Für das Privatleben hatte die Verlegung ebenfalls einen positiven Effekt. „Jetzt bin ich nicht mehr so viel unterwegs, so dass auch mehr Zeit für meine Freundin Giulia bleibt, die ihre Vorlesungen ja auch von zu Hause aus online verfolgt“, sagte Zwiehoff im März.

Aber das Rad dreht sich weiter. Und der junge Mann wirkt nicht wie ein ständiger Grübler. Entschlossen ergriff er die Initiative, stellte sich auf die neuen Umstände ein und seine Trainingspläne um. Allein strampelte er durch die Gegend. „An Umfängen mache ich jetzt einen Tick mehr, Leistungsspitzen zu setzen, macht keinen Sinn.“ Auch waghalsige Abfahrten im Gelände ersparte er sich, dafür ging es häufiger in den eigenen vier Wänden auf die Rolle.

Virtuelle Rennen in der Straßen-Bundesliga

Zwiehoff fuhr virtuelle Rennen in der Straßen-Bundesliga, bei der auch weniger leistungsstarke Sportler mitmachen durften. „Einmal wurde ich Zweiter, bei den anderen Rennen wurde ich leider disqualifiziert,“ erinnert sich der Profi und grinst über die Tücken der Technik: Weil er zu lange auf einem zu hohen Niveau gefahren war, streikte irgendwann die Software, die Manipulation ausschließen soll. In Zeiten von Corona verändert sich vieles sehr schnell.

Längst steht fest, dass es für die Mountainbiker doch noch eine Saison geben wird. Also heißt es, wieder umzudenken. Der Terminkalender ab September ist vollgestopft, insgesamt wird es fünf Weltcup-Rennen geben, nur zwei weniger als ursprünglich vorgesehen. Die abgesagten Weltmeisterschaften in Albstadt werden in Leogang (Salzburger Land) Anfang Oktober nachgeholt. „Immerhin haben wir drei Monate Vorlaufzeit bekommen“, sagt Ben Zwiehoff. Der neue Plan und die Belastung seien völlig okay.

Dopingkontrollen finden ab sofort wieder statt

Wobei die Weltcup-Rennen 2020 wohl keine Auswirkungen auf die Rangliste und somit auf die Olympia-Qualifikation haben werden, zumal man ja gar nicht weiß, wer wegen möglicher Reisebeschränkungen überhaupt starten kann. Dopingkontrollen allerdings werden ab sofort wieder stattfinden.

Zwiehoffs Ziel ist nach wie vor die Olympia. Der möglicherweise verpassten Teilnahme in diesem Jahr trauert er nicht nach: „Ich glaube, dass ich eher gestärkt aus der Situation hervorgehen werde.“ Er sieht sich mit seinen drei deutschen Konkurrenten auf Augenhöhe. Zwei Weltcup-Rennen der Saison 2021 sollen schließlich über das Olympia-Ticket entscheiden.

Von Essen zum Kahlen Asten und zurück

Einen Wunsch hat sich Ben Zwiehoff allerdings in der Corona-Pause bereits erfüllt. Einmal im Leben wollte er 300 Kilometer am Stück fahren. Eine Herausforderung. „Das ist abgehakt“, sagt der junge Mann, der sich auch eine sportliche Zukunft als Straßen-Profi vorstellen kann. Seine Tour führte ihn jüngst von Essen nach Winterberg auf den Kahlen Asten und zurück. „Das waren sogar 330 Kilometer.“

Bleibt Tokio 2021. „Ich bin überzeugt, dass meine Chancen durch die Verlegung sogar gestiegen sind“, meint Ben Zwiehoff selbstbewusst. Er blickt voraus – wie immer positiv, wie immer optimistisch.