Essen. Bei André Huebschers Sohn wurde das seltene „5p-Minus-Syndrom“ festgestellt. Der Eishockeyprofi spricht von einer „Achterbahnfahrt der Gefühle“.

André Huebscher hat viel erlebt. Im Alter von 16 Jahren startete er als Eishockey-Profi durch, spielte knapp 300 Mal in der DEL, ehe er nach sechs Jahren beim EV Duisburg im vergangenen Sommer zu den Wohnbau Moskitos wechselte.

Doch wenn der 31-Jährige an die abgelaufene Saison denkt, spricht er von der „härtesten Zeit meines Lebens. Meine Frau Alinde und ich haben eine Achterbahnfahrt der Gefühle durchlebt, wie ich sie niemandem wünsche.“

Privates Schicksal in der Familie änderte alles

Damit meint der ESC-Crack keinesfalls die chaotische Runde, die er mit den Moskitos bestritt. Vielmehr geht es um ein privates Schicksal, das das Leben der Familie Huebscher nachhaltig verändern sollte. Kurz nach dem Saisonende wurde bei Huebschers acht Monate altem Sohn Anton das 5p-Minus-Syndrom festgestellt. Ein seltener Gendefekt, der nach Schätzungen bei einer von 50.000 Geburten auftritt und für dessen Erforschung die Familie Huebscher nun Spenden sammelt.

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Eine der Hauptfolgen des Syndroms: Das Gehirn wächst zu langsam. Das wirkt sich wiederum auf die geistige und motorische Entwicklung aus. In welchem Maße, ist stark einzelfallabhängig. „Bei Anton wurde der Gendefekt sehr früh erkannt, so dass Therapiemaßnahmen ergriffen werden können. Trotzdem ist es wahrscheinlich, dass sich eine mittlere bis schwere Behinderung bei ihm ausprägen wird“, berichtet Huebscher. „Das hat uns erstmal den Boden unter den Füßen weggerissen.“

Die finale Diagnose war eine Erlösung

Doch mittlerweile blickt der gebürtige Moerser zuversichtlich in die Zukunft. Insbesondere der Kontakt zu anderen Betroffenen habe seiner Frau und ihm neue Kraft verliehen. „Wir freuen uns darauf, Anton beim Aufwachsen zu begleiten, auch wenn wir nicht genau wissen, was uns erwartet. Trotz des Syndroms steht ihm ein erfülltes Leben bevor.“ Die finale Diagnose sei sogar eine Art Erlösung gewesen. Denn besonders qualvoll, so erzählt es Huebscher, seien die vorangegangen Monate gewesen.

Schon einige Wochen nach der Geburt – damals hatte der Angreifer gegenüber dieser Redaktion von seinem Vaterglück berichtet – fielen den Ärzten erste Unregelmäßigkeiten mit Blick auf Antons Entwicklung auf. Was folgte, war eine schier endlose Odyssee von Arztbesuchen, Untersuchungen und vermeintlichen Diagnosen. Erst ein Gentest, initiiert von Huebschers Frau, führte die Ärzte auf die richtige Spur. „Die psychische Belastung war kaum auszuhalten“, sagt Huebscher, der während dieser Zeit dennoch für den ESC auflief.

Besonderer Dank an seine Fahrgemeinschaft

Nahezu täglich im Training und 41 Mal in der Oberliga, wo er trotz allem als Führungsspieler vorangehen musste – und das auch tat. Erst in der Endphase der Saison fehlte Huebscher wenige Male im Aufgebot. So auch im finalen Spiel der Pre-Playoff-Serie gegen Halle, wo sich das gesamte Team seine Rückennummer, die 61, auf den Helm gravieren ließ. Er hatte die Mannschaft kurz zuvor informiert. „Die Jungs haben mir viel Kraft gegeben, das werde ich ihnen nie vergessen“, sagt Huebscher.

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Einen „besonderen Dank“, spricht er Stephan Kreuzmann, Lars Grözinger – mit ihnen bildete Huebscher eine Fahrgemeinschaft – sowie dem damaligen Trainer Larry Suarez aus. Sie waren schon länger eingeweiht und haben ihn „immer wieder aufgebaut.“ Vor einigen Tagen entschied sich die Familie Huebscher, das Schicksal ihres Sohnes öffentlich zu machen. Denn aufgrund seiner Seltenheit ist das 5p-Minus-Syndrom kaum bekannt und erforscht. Das möchte Huebscher mithilfe der Reichweite des Vereins und seiner selbst ändern.

Spendenkonto für die Selbsthilfegruppe „5p-Minus-Syndrom e.V.“

Zudem hat seine Frau eine Spendenaktion (Infos unter www.facebook.com/andre.huebscher.9) gestartet. Die Erlöse kommen der Selbsthilfegruppe „5p-Minus-Syndrom e.V.“ zugute, die eine digitale Plattform zum Informationsaustausch für Betroffene entwickeln möchte. Das Spendenziel liegt bei 6161 Euro - angelehnt an die Trikotnummer. Nach wenigen Tagen waren bereits über 4000 Euro zusammengekommen, Vollzug meldete André Huebscher am 23. Mai via Facebook.

Viele Essener Sportvereine zeigten schnell ihre Solidarität und auch Essener-Chancen-Botschafter Thomas „Sandy“ Sandgathe spendet 1.907 Euro, um eine größere Öffentlichkeit für das Syndrom zu schaffen.

„Einfach überwältigend“, freut sich Huebscher. Und die Lust am Eishockey scheinen André Huebscher die tragischen Ereignisse der vergangenen Monate nicht genommen zu haben: Anfang Mai unterzeichnete er einen Vertrag für die kommende Saison. Man muss aber abwarten, ob es dabei bleibt, denn die finanzielle Schieflage der Moskitos wirkt sich auch sportlich aus. Der Klub wird eine Liga tiefer, in der Regionalliga, auflaufen. Ob Huebscher trotzdem in Essen bleibt, entscheidet sich in den nächsten Tagen.