Bottrop. Rhenania Bottrop erwartete Abwehrchefin Lea Siemes zur neuen Saison aus den USA zurück. Doch die 21-Jährige steht vor einer schweren Entscheidung
Lea Siemes wird beim SV Rhenania Bottrop schmerzlich vermisst. Die 21-jährige Innenverteidigerin kehrte dem Frauenfußball-Landesligisten zu Saisonbeginn den Rücken, um ihren großen Traum zu verwirklichen und ein Auslandssemester in den USA zu absolvieren. Eigentlich sollte die angehende Lehrerin zur kommenden Saison wieder zum Team von Trainer Marcel Dietzek stoßen, doch Siemes kommt ins Grübeln.
„Natürlich vermisse ich die Mannschaft sehr“, sagt Lea Siemes. Doch die Gelsenkirchenerin sagt auch: „Ich habe die vielleicht einmalige Chance, meine Zeit in den USA zu verlängern.“ Und diese Chance hat sie vor allem ihren fußballerischen Fähigkeiten zu verdanken.
Die fußballerischen Fähigkeiten von Siemes bleiben nicht verborgen
Denn die blieben auch jenseits des „großen Teiches“ nicht lange unentdeckt. Siemes erspielte sich schnell einen Stammplatz im College-Team der McKendree University. Und die Hochschule in Lebanon (Illinois) will die junge Fußballerin halten, hat ihr für das kommende Semester sogar ein Stipendium angeboten.
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Das Angebot reizt Siemes. Das Leben im 5000-Seelen-Örtchen Lebanon im mittleren Südwesten der USA gefällt ihr gut. „Ich fand die USA immer schon superinteressant. Ich kannte das Land nur aus Filmen, wollte dort aber unbedingt mal hin“, erklärt sie, „die Aussicht, dort das Auslandssemester meines Lehramtsstudiums zu machen, hat mich sofort gefesselt“, sagt die angehende Lehrerin für Englisch und Geschichte.
Lebanon ist nicht das Ruhrgebiet, vielmehr das genaue Gegenteil. Doch auch das Leben in der amerikanischen Provinz gefällt Siemes. „Ich bin ein offener Mensch, der für jeden Spaß zu haben ist und sich nicht davor scheut, auf andere Menschen zuzugehen.“
Siemes weiter: „Die Menschen hier sind sehr freundlich. Ich habe den Eindruck, dass sie nicht so gestresst und grundsätzlich lockerer als in Deutschland sind. Das gefällt mir gut, ich habe hier schnell Anschluss und Freunde gefunden. Auch an der Uni bin ich super aufgenommen worden. Es hat nicht lange gedauert, bis ich mich hier wohlgefühlt habe.“
Anschluss fand sie auch deshalb schnell, weil sie sich früh der Fußballmannschaft ihrer Hochschule anschloss. Im Team der McKendree University war der Gast aus Deutschland schnell Leistungsträger. Auch hier ist ihre Position in der Innenverteidigung.
Was Siemes schnell klar wurde: die Staaten sind in Sachen Frauenfußball beileibe kein Entwicklungsland. Die USA sind mit fünf Titeln Rekordweltmeister (1991, 1999, 2015, 2019). Laut einer Fifa-Studie von 2019 spielen in den Vereinigten Staaten fast 10 Millionen Mädchen und Frauen regelmäßig Fußball. „Soccer“ ist Volkssport.
Rhenania Bottrop hofft auf baldige Rückkehr
Marcel Dietzek macht keinen Hehl aus seiner Hoffnung, dass Lea Siemes möglichst bald wieder zu seinem Team stößt. Der Trainer des SV Rhenania Bottrop musste nach ihrem Abschied improvisieren. Siemes hinterließ in der Innenverteidigung eine klaffende Lücke. Es dauerte lange, bis die Abwehr wieder die Stabiliät der Aufstiegssaison hatte. „Lea war ein Garant für die Meisterschaft in der Bezirksliga. Sie hat nicht lange gebraucht, um sich in das Team zu spielen und ist schnell zu einer Anführerin aufgestiegen. Sie hatte das Zepter in der Hand. Alle spüren, dass sie uns fehlt“, sagt Dietzek über Siemes, die im Winter 2021/22 vom FFC Recklinghausen ins Bottroper Blankenfeld gewechselt war.
Auf die fußballerischen Qualitäten der 21-Jährigen möchte Dietzek ungern verzichten. Aber auch menschlich war die Gelsenkirchenerin eine Bereicherung: „Sie ist kopfballstark, hat einen guten linken Fuß, mit dem sie auch präzise, lange Pässe schlagen kann. Aber sie hat auch eine gute Mentalität, sie spricht auf dem Platz sehr viel mit der Mannschaft, hat Anführerqualitäten. Sie tut uns einfach gut. Kurz: Wir würden uns alle sehr über ihre Rückkehr freuen.“
Das deckt sich mit Siemes Beobachtungen: „Das sportliche Niveau ist im allgemeinen wirklich sehr gut. Und ich spiele sogar in einem der besseren Teams. Wir spielen in der Division 2, sind in der nationalen Ausscheidung nur unglücklich rausgeflogen. Mit etwas mehr Glück hätten wir es unter die besten vier Division 2-Mannschaften der USA schaffen können.“ Für sie selbst sei das hohe Niveau auch eine Herausforderung gewesen: „Das war eine große Umstellung und auch eine riesige körperliche Belastung, jeden Freitag und jeden Sonntag spielen zu müssen.“
Völlig sorgenfrei gestaltete sich der USA-Aufenthalt aber auch für Lea Siemes nicht. Großes Heimweh habe sie zwar nicht gehabt, aber: „Ich bin ein Familienmensch. Meine Eltern und Großeltern, meine Brüder, meinen Freund und meinen Hund habe ich schrecklich vermisst. Natürlich haben sie mir gefehlt. Das war natürlich auch eine große Herausforderung für die Beziehung zu meinem Freund.“
Den täglichen Kontakt zu ihrer Familie und ihren Freunden hielt Siemes vor allem über WhatsApp und Facetime. Auch mit ihren Mitspielerinnen von Rhenania Bottrop blieb Siemes im Gespräch. Sie bekam sogar blau-weißen Besuch: Rhenanias Malin Cziuraj stieg ins Flugzeug. Kurz vor Weihnachten schauten sich beide bei dieser Gelegenheit New York City an.
„Wenn du ein paar Monate nicht da bist, erkennst du schnell, wer deine wahren Freunde sind. Ich vermisse meine Bottroper Mannschaft und ganz gleich, was passiert, wenn ich wieder in Deutschland bin, spiele ich auch wieder für Rhenania. So schnell werden die mich nicht los.“
Ob es in den kommenden Monaten jedoch zu einer Wiedervereinigung mit dem Bottroper Landesligisten kommt, ist noch offen. Das Angebot der Hochschule in den USA steht und Siemes selbst ist hin- und hergerissen: „Das ist bisher die vielleicht schwerste Entscheidung meines Lebens. Natürlich bin ich auf all das neugierig, was mich in den USA noch erwarten würde. Auf der anderen Seite ist die große Distanz zu Familie und Freunden auch nicht leicht. Ich habe noch nicht entschieden, was ich machen werde.“
Dass mittlerweile auch auf der anderen Seite des Ozeans Menschen hoffen, dass Lea Siemes zu ihnen zurückkehrt, macht ihr die Entscheidung nicht leichter. „Die drei Mädels, mit denen ich zusammen in Lebanon gewohnt habe, sind mir wie Schwestern ans Herz gewachsen.“
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