Bottrop. Fredy Bonk stand 250 Mal im Ring, zweimal im Kader der deutschen Nationalstaffel. Ein Kampf vor 50 Jahren fiel dabei aber völlig aus der Rolle.
Die Rückschau nach 50 Jahren kommt zu unterschiedlichen Einschätzungen. Einer sagt über die sehr skurrile Sportveranstaltung: „Wir hatten viel Spaß; es war eine große Lacherei.“ Der andere findet, „es war ganz wat Doofes.“ Und der stand schließlich damals im Mittelpunkt. Vor 50 Jahren kämpfte der Bottroper Boxer Fredy Bonk in Gladbeck gegen einen Braunbären und der ungleiche Kampf hatte keinen Sieger.
„War unentschieden, haben die Zuschauer damals gesagt“, berichtet Bonk, der gerne und sehr unterhaltsam von früher erzählt. Und nicht ohne Selbstironie. „Ich war ja so ein Hänfling mit dünnen Armen“, sagte er 2018 in einem Interview mit dieser Zeitung, obwohl er durchaus kräftig wirkt. „Das bin ich immer noch, obwohl ich neunzig Kilo wiege. Aber ich hatte so meine Schlagtechnik und damit mehr als die Hälfte meiner Kämpfe durch K.O. gewonnen.“
Die goldenen Jahre des Bottroper Boxsports
Das liegt mehr als ein halbes Jahrhundert zurück. Es ist die große Zeit des Bottroper Boxens, mit Dieter Renz, dem früh verstorbenen Olympiateilnehmer von Mexiko 1968, mit Hansi Grube und den Koch-Brüdern Günther und Hansi, die reihenweise Deutsche Meisterschaften bei den Amateuren gewannen und auch als Staffel gemeinsam mit Wesel viele Siege erkämpften.
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Eine Bundesliga gab es damals noch nicht. „Das war eine schöne Zeit, wir haben viel gesehen, waren viel unterwegs“, erinnert sich Bonk, der auch zweimal im Kader der bundesdeutschen Nationalstaffel stand. „Nur mit Freundin war das immer schlecht, weil die ausgehen wollten und du ja samstags immer boxen warst.“
Fredy Bonk: Beim Boxen darfst du keine Angst haben
In Berlin war die große Waldbühne, wo inzwischen Konzerte mit bis zu 22.000 Zuschauern stattfinden, der schönste Schauplatz, einmal gewann Fredy Bonk auch gegen den Berliner Meister – allerdings an einem anderen Ort „kurz vor Berlin“ – wie er es formuliert. Berücksichtigt man die politischen Fakten im in den 1960er Jahren geteilten Deutschland, wird es also irgendwo am Rand des Westteils der geteilten und von der Mauer umschlossenen Metropole gewesen sein.
Gegen bekannte Boxer wie den Mülheimer Horst Herbertz oder Nationalstaffelmitglied Willi Mahlberg sah Bonk schon als Teenager gut aus. „Mein Gott, bist du schon stark!“, lobten sie den etwa 70 Kilogramm schweren Gegner aus Bottrop. Einmal maß sich der Mittelgewichtler mit einem großen 95-Kilo-Gegner. Sehr plastisch ist Bonks Schilderung: „Es sah aus wie gegen den Bär‘. Die Leute dachten, der erschlägt mich, doch ich hab‘ nach Punkten gewonnen. Beim Boxen darfst du keine Angst haben.“
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In diesem Verdacht allerdings stand er nie. „Der Fredy, der ging nichts aus dem Weg“, berichtet Friedrich-Wilhelm Schmitz, ein ehemaliger Boxkollege und heute noch ein guter Freund. „Der hatte einen schönen Bums im Arm, der ging zur Sache und hat nicht lange gefackelt.“
Damit hatte Fredy Bonk, der Junge aus der Kruppwaldsiedlung, wo die Krupp-Werke im Weltkrieg die Bomben bauen ließen, ein Alleinstellungsmerkmal. Er war nicht so sehr Stilist, sondern kräftiger Kämpfer. Schmitz: „Gute Techniker gab es genug in Bottrop.“
Der viel erfolgreichere Dieter Renz beispielsweise war eleganter und gewann nie durch K.O. Die direkte Art von Bonk aber liebte das Publikum, so bekam er das Angebot, Profi zu werden. „Ich hab‘ mich nicht getraut und entschied: Nee, das machst du nicht“, sagt Bonk, der korrekt Alfred mit Vornamen heißt. Schon als er 1963 zur Bundeswehr musste (Ältere Leser wissen: Damals gab es noch eine Wehrpflicht für Männer.), lehnte er den Vorschlag ab, nach Bayern in eine Sportförderkompanie zu gehen.
Der Boxer wollte nicht weg von zu Hause und in der Kaserne in Ahlen/Westfalen genoss er ein besonderes Privileg: „Ich war praktisch jedes Wochenende zu Hause. Der Verein hat mich immer angefordert zu Kämpfen. Da hieß es dann: ‚Gefreiter Bonk, Urlaubsschein abholen!‘“ Ein Befehl, der dem Bottroper sehr behagte.
Volle Zuschauerränge beim Boxen
Wenn die Gegner zu Kämpfen in Bottrop in den Lichthof der Berufsschule kamen, blieben sie ehrfurchtsvoll stehen und lobten die schöne Wettkampfstätte. Wo heute klassische Konzerte stattfinden (wenn Corona das zulässt), wurde in den 1960er Jahren vor vollen Rängen gekämpft, nachdem die Sportler vorher den Boxring selbst aufgebaut hatten. Sonst lagerte der in Einzelteilen im Keller.
Alfred Bonk war beim BSK 53 Bottrop und später bei Ringfrei Mülheim für schnörkelloses Fighten bekannt und erinnert sich an einen Kollegen mit einer legereren Einstellung zum Faustkampf: „Der Helmut Swoboda hat vorher immer Kusshändchen in die Menge geworfen und wenn’s losging, dann lag er.“
„Der Fredy war mutig,“ gibt sein Kumpel Friedrich-Wilhelm Schmitz noch zu Protokoll. Die beiden kennen sich, seit sie 16 waren, spielten später in der Altherrenmannschaft des SSV 51 Welheim gemeinsam Fußball. Bonk kickte bis zur B-Jugend noch bei Rot-Weiss Essen, gemeinsam mit dem ein Jahr älteren Hans-Dieter Hasebrink, der später 1966 der erste Bundesliga-Torschütze von RWE wurde.
Nach der Karriere stand er hinter der Theke
Dann wandte sich Fredy Bonk nur noch dem Boxen zu und sein Mut brachte ihn in den 1970er Jahren in eine knifflige Situation. „Das sind Ideen, die an der Theke geboren werden“, analysiert der einstige Faustkämpfer heute. Nach seiner Karriere stand er im Spinnrad in der Prosperstraße am Tresen, einer eher halbseidenen Ruhrpottkneipe, die es lange nicht mehr gibt – jetzt ist dort ein großer Supermarkt.
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Eine seltsame Information machte dort die Runde: „Die suchen in Gladbeck einen, der gegen einen Braunbär‘ boxt.“ Bonk lehnte ab, aber dann gab es noch ein Bier und einen Kurzen. Der Boxer, der seit mehr als 20 Jahren keinen Alkohol mehr trinkt, habe nie viel vertragen, blickt er zurück. Die Eltern hätten überhaupt nie Alkohol getrunken, er damals schon. Und irgendwann, als das Thema mit dem Bären wieder und wieder zur Sprache gekommen war, da stimmte der angeheiterte Boxer zu.
An einem Sonntagmorgen ging es in ein Zirkuszelt im Herzen von Gladbeck, Bonk erinnert sich an „eine Wiese nahe dem Marktplatz. Das Zelt war voll.“ Doch heute findet er: „Das war keine gute Idee. Da hätte weiß Gott was passieren können.“ Den Eindruck hatte Kumpel Schmitz nicht: „Da konnt‘ nicht viel passieren, der Bär hatte ein Ding um die Nase und Handschuhe.“ In seiner Erinnerung war es „eine große Lacherei“.
Bonk wurde nicht bezahlt für seinen mutigen Kampf, aber zwei eher halbseidene „Subunternehmer“ stecken ihm je 50 Mark zu, weil sie sich gut amüsierten. Bonk gruselt es noch „wie der sich aufgerichtet hat. Dieser Bär hat mich einfach hochgehoben, hingeschmissen, wollte beißen.“ Das ging wegen des Mundschutzes nicht, und wenn der Dompteur pfiff, gab das Tier Ruhe.
Auf keinen Fall auf die Nase hauen
Der Kampf ging über dreimal eine Minute, „wie bei den Schülern“, erklärt Fredy Bonk. Erwachsene boxen bei den Amateuren dreimal drei Minuten. Letztlich ging alles gut, weil der Boxer nicht wirklich zuschlug und vor allem eine Vorgabe streng einhielt. Bonk: „Es war mir verboten, auf die Nase zu schlagen. Das hätte den Bär‘ geschmerzt und dann wäre er nicht zu bändigen gewesen.“ Wenige Jahre später wurden solche Duelle von Mensch und Tier verboten.
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