Bottrop. Sein halbes Leben ist er in Bottrop zuhause. Sonntag wird er 70 und blickt auf eine bewegte Fußball- und Trainerlaufbahn zurück: Hannes Bongartz.

Das Bottroper Stadtmarketing hätte seine helle Freude an diesem prominenten Einwohner. „Super hier! Wir sind so zufrieden,“ schwärmt Hannes Bongartz. Die Stimme des früheren Fußballnationalspielers überschlägt sich fast bei der Frage nach der Wahl seines Zuhauses vor knapp vierzig Jahren. „Ich bin froh, dass ich nichts anderes gemacht habe.“ 1983 ist Bongartz nach Bottrop gezogen, am Sonntag feiert er hier im Familienkreis seinen 70. Geburtstag.

Das Datum, 3. Oktober, entlockt ihm gleich einen Kalauer: „Die haben ja extra einen Feiertag für mich gemacht damals.“ Der Rheinländer aus Bonn-Duisdorf, inzwischen längst ein adoptiertes Kind des Kohlenpotts, galt als „der Bonner Jeck“, als er mit 19 zur SG Wattenscheid 09 in die Regionalliga kam; er hat ständig einen Scherz auf den Lippen. 1971 lockte der Industrielle Klaus Steilmann den technisch versierten Mittelfeldspieler ins Revier, zu dem Bongartz wie zu einem Vater aufschaute. Bongartz: „Es war so etwas wie Liebe auf den ersten Blick.“ 120 D-Mark monatlich standen im ersten „handgeschriebenen Vertrag – und zehn Pfennige Fahrtgeld pro Kilometer“.

Rolf Rüssmann über Bongartz: „Er ist jemand, den man gerne mag.“

Nach drei Jahren im Bochumer Stadtteil handelte Steilmann für seinen besten Mann einen guten Vertrag bei Schalke 04 heraus, wo Hannes Bongartz in der Bundesliga unter anderem gemeinsam mit Rolf Rüssmann spielte, der über ihn sagte: „Er ist jemand, den man gerne mag.“ Wegen der schlaksigen Figur, die er inzwischen allerdings abgelegt hat, lautete sein Spitzname „Spargeltarzan“ und die Fußballzeitschrift „Kicker“ adelte Hannes Bongartz als „einen der großen Regisseure, der sich nicht hinter den ganz Großen wie Wolfgang Overath oder Jürgen Grabowski verstecken musste“.

Im Finale 1976 verwandelte Bongartz seinen Elfer gegen Ivo Viktor. Sein Zimmerkollege Uli Hoeneß verschoss dagegen und die Tschechoslowakei wurde Europameister.
Im Finale 1976 verwandelte Bongartz seinen Elfer gegen Ivo Viktor. Sein Zimmerkollege Uli Hoeneß verschoss dagegen und die Tschechoslowakei wurde Europameister. © Imago

Vier Jahren in Gelsenkirchen folgten sechs beim 1. FC Kaiserslautern. „Eine tolle Zeit“, bilanziert Bongartz. „Ich hatte zwei richtig gute Vereine damals – und auch Erfolge. Aber leider immer mehr Vizetitel wie Titel.“ Mit Schalke und Lautern Meisterschaftszweiter, mit den Pfälzern 1981 im Pokalendspiel Eintracht Frankfurt unterlegen (1:3) und dann war da noch der Abend in Belgrad 1976 „mit Uli Hoeneß sein‘ Gedächtnisschuss“. Sein Humor verlässt Hannes Bongartz auch nicht bei der Erinnerung an die schmerzlichste Niederlage: Im EM-Finale unterlag Deutschland der Tschechoslowakei im Elfmeterschießen mit 3:5. Bongartz, der lediglich vier Länderspiele machte, verwandelte seinen Strafstoß, sein Zimmerkollege Uli Hoeneß donnert seinen in den dunklen Himmel.

Bongartz erlebt beim 1. FC Kaiserslautern eine wilde Zeit

In Kaiserslautern wurde der Bottroper auch Bundesligatrainer und erlebte eine wilde Zeit: „Ich machte in Köln den Fußballlehrer-Lehrgang. Morgens um sieben auf die Autobahn, auf die Schulbank nach Köln, das Training in Lautern leitete Assistent Ernst Diehl. Um 14.30 Uhr wieder ins Auto, zum zweiten Training des Tages nach Kaiserslautern, abends 400 Kilometer zurück nach Bottrop, wo meine Frau mit den kleinen Kindern saß. Ein Horror, in drei Monaten habe ich einen Mercedes ‚hingerichtet‘.“

Die SG Wattenscheid hielt der impulsive Trainer später mit bescheidenen Mitteln drei Jahre im Oberhaus, wo er auch den MSV Duisburg und Borussia Mönchengladbach coachte. Sein Ende am Niederrhein taugt als Sittengemälde des modernen Fußballs. Bongartz sicherte Gladbach 1997 den Klassenerhalt, in der Saison drauf waren die Erwartungen riesig. Nach drei Unentschieden strich er am vierten Spieltag seinen Star Stefan Effenberg wegen schlechter Trainingsleistungen aus dem Kader.

Die Borussia gewann souverän mit 4:1 gegen den 1. FC Köln und Effenberg verlangte die Freigabe, um den Klub zu wechseln. Der Vorstand unterstützte den Trainer in dieser heiklen Situation nicht, in der Bongartz trotz der Anspannung noch einen Scherz auf den Lippen hatte: „Dass Stefan nicht am Montag kommt, mich umarmt und sich bedankt für das Wochenende, das ist doch wohl normal.“

Eine Party führte nach Bottrop und dann kam die Tochter

Im Oktober 1976 siegte Bongartz zusammen mit Schalke beim FC Bayern mit 7:0. Bongartz brachte den geschlagenen Sepp Maier nach der Partie dennoch zum Lachen.
Im Oktober 1976 siegte Bongartz zusammen mit Schalke beim FC Bayern mit 7:0. Bongartz brachte den geschlagenen Sepp Maier nach der Partie dennoch zum Lachen. © Imago

Effenberg diktierte das Geschehen im Klub, eine Krisensitzung jagte die nächste, im Dezember trat der Fußballlehrer aus Bottrop zurück. „In der Situation wie damals würde ich das noch mal so machen. Es musste etwas passieren,“ blickt er ohne Zorn zurück. Heute ist er als Spielerberater tätig, betreut u.a. den Fürther Profi Dickson Abiama. „Der Fußball lässt mich nicht los, macht mir immer noch Spaß“, erklärt Hannes Bongartz, der den Aufwand allerdings reduziert hat: „Im Rentenalter soll man auch so ein bisschen an sich denken, und sich Zeit nehmen für die Familie, denn die Jahre werden ja jetzt immer kürzer.“

Dass Bongartz gerade in Bottrop landete, fußte im Sommer 1983 übrigens auf einem schnellen Entschluss. Der Unternehmer Heinrich Becker, ein Geschäftspartner, gab den Tipp; Hannes Bongartz wohnte mit seiner hochschwangeren Frau Cornelia damals in Kaiserslautern. Nachdem der Gynäkologe in der Pfalz am Vormittag meinte, die Geburt stehe noch nicht unmittelbar bevor, fuhr das Paar nach Bottrop zu einer Party bei Becker. Gegen 23 Uhr ging Cornelia Bongartz zu Bett. „Nachts um zwei, drei Uhr sind wir dann aber ins Marienhospital“, erinnert sich Hannes Bongartz – Tochter Nathalie kam zur Welt.

Als der Fußballprofi Frau und Baby am Vormittag wieder besuchte, wartete er mit einer Überraschung auf. „Du, wir haben jetzt hier auch ein Heim“, teilte er seiner Frau mit, die ihn daraufhin als „verrückt und wahnsinnig“ bezeichnete. Bongartz hatte schnell den Kauf des Hauses in der Stadtmitte auf den Weg gebracht, in dem die das Ehepaar seither wohnt. Nur die Töchter sind längst ausgezogen und leben jetzt in Gladbeck.

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