Von geregeltem Ablauf und Wettkämpfen sind die Bundesligateams aber noch weit entfernt

Seit kurzer Zeit steht Markus Wallerich wieder neben der Matte. Der Bundesligatrainer der Judo-Herren vom JC 66 Bottrop schaut dann seinen Schützlingen beim Trainingsbetrieb zu. „Ein Hauch von Alltag“, wie Wallerich feststellt. Seit der vergangenen Woche dürfen die Judoka wieder in der Dieter-Renz-Halle auf gewohntem Terrain trainieren, schon drei Wochen zuvor fanden sich die „Piraten“ regelmäßig im Freien zu Lauf- und Krafteinheiten zusammen.

Fest definierte Abläufe bestimmen derzeit den Terminkalender der 66er. „Trainiert wird in festen Zehnergruppen, dazu müssen wir natürlich strenge Maßgaben einhalten. Aber das nehmen wir in Kauf“, so Wallerich. Von einem wirklichen Alltagsgefühl sind die Judoka allerdings noch meilenweit entfernt. Dem ist sich auch Markus Wallerich bewusst. „Wir müssen derzeit in der gesamten Sportart Judo gewaltige Abstriche hinnehmen. Judo ist nun mal ein Kontaktsport, so können wir froh sein, überhaupt wieder gemeinsam Trainingseinheiten zu absolvieren. Aber wir sehen das Ganze realistisch - und wenn in anderen Teilen der Gesellschaft ganze Wirtschaftszweige einzubrechen drohen, steht der Sport verständlicherweise hinten an.“

Niederländer im Home-Office

Doch so ganz ohne ihren Sport wollen die 66er die aktuelle Zeit nicht durchleben. In Jan Tefett hat der Bottroper Bundesligist einen Beauftragten, der stets die neuesten Regelungen und Hygienemaßnahmen auf den Trainingsbetrieb des JC herunterbricht. „So sorgen wir zumindest dafür, dass unsere Kämpferinnen und Kämpfer nach mehreren Monaten der völligen Abstinenz wieder zur Routine finden“, so Wallerich. Diese Planung beschränkt sich jedoch auf die nationalen Kämpfer. Ausländische Athleten, die beim JC 66 etwa aus Italien oder den Niederlanden stammen, unterliegen den heimischen Regularien. „Bei unseren Niederländern ist es etwa so, dass sie sich momentan noch viel mit Homeworkout fit halten. Da müssen wir unseren Sportlern als Trainer auch ein Stück weit vertrauen, dass sie sich betätigen und in Form bleiben.“

JC66-Coach Markus Wallerich (r.) hofft, dass schon bald wieder Wettbewerbe im Judo möglich sind.
JC66-Coach Markus Wallerich (r.) hofft, dass schon bald wieder Wettbewerbe im Judo möglich sind. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Mit Blick auf die Bundesliga sieht Wallerich einen potenziellen Saisonstart in weiter Ferne. „Ursprünglich war der August anvisiert, der Deutsche Judobund hat mittlerweile aber Abstand davon genommen“, sagt der Piraten-Coach. Nun forciert der DJB eine Kurzversion der Meisterschaft in Form eines Turniers. Bei den Bundesligafrauen ist dieser Wettbewerb zunächst für den 31. Oktober vorgesehen, bei den Männern am 7. November. Die Turniere der zweiten Bundesliga sollen am 10. Oktober stattfinden. „Es ist jedoch schwer vorstellbar, dass ein Meister aus Nord- und Südstaffel innerhalb eines einzigen Tages auserkoren werden soll“, so Wallerich, „zudem ist das natürlich nur ein schwacher Trost angesichts einer ausbleibenden Saison.“

An behördliche Vorgaben gebunden

So werde normalerweise die sportliche Spannung über ein halbes Jahr erstreckt, zudem seien insbesondere die Heimkämpfe immer „ein echtes Event. Das alles fällt mit einem Turnier an einem einzigen Tag natürlich weg.“ Darüber hinaus scheint es weiterhin fraglich, ob in diesem Jahr überhaupt Wettkämpfe im Judo stattfinden können. „Da sind wir immer an behördliche Vorgaben gebunden. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, wohin der Weg uns führt“, so Wallerich. Geht es nach dem Bottroper Trainer, so finden erst im kommenden Jahr wieder Ligakämpfe statt. „Das ist aber nur mein persönliches Empfinden. Zudem weiß keiner, ob die ausländischen Athleten überhaupt zur Verfügung stehen. Und die Verletzungsgefahr könnte in Anbetracht der Umstände auch eine entscheidende Rolle spielen.“

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Vor allem die großen Vereine der Bundesliga sind an Finanzen und Sponsorengelder gebunden. Mit lukrativen Angeboten wird die Elite des Sports geködert. „Denkbar ist natürlich, dass der eine oder andere Verein künftig etwas kürzer treten muss, wenn Geldgeber ihr Engagement drosseln und demnach die finanziellen Mittel ausbleiben, um einen mit Topkämpfern gespickten Kader weiter zu bezahlen.“

Der JC 66 ist gut aufgestellt

Das alles sei nach Aussage von Markus Wallerich aber reine Theorie. „Zu wünschen ist es selbstverständlich keinem Verein“, sagt der Trainer des JC 66 Bottrop. Zumindest Bottrop sieht Wallerich diesbezüglich aber gut aufgestellt. „Auf unseren Verein nimmt die Situation nur bedingten Einfluss. Sportlich müssen wir derzeit kürzer treten, das ist klar. Der JC 66 steht aber in erster Linie dafür, auf die eigene Jugend und auf junge Talente zu setzen. An diesem Weg wird sich nichts ändern. Man könnte fast meinen, dass uns die Zeit bis zum nächsten Ligastart ein wenig in die Karten spielt, da wir unseren Nachwuchs langfristiger vorbereiten können.“

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Auch im Vergleich zu weiteren Wettbewerbsformen wird die Bundesliga zunächst kürzer treten müssen. Wallerich: „In erster Linie profilieren sich die Athleten durch Einzelwettkämpfe und internationale Turniere, bei denen es um Ranglistenpunkte geht.“ So besteht über die Ländergrenzen hinaus ein besonderes Interesse daran, dass vor allem diese Wettbewerbe baldmöglichst wieder ihren Betrieb aufnehmen. Möglicherweise könnten die ersten Einzelturniere bereits im August über die Bühne gehen. Wallerich: „Auch hier muss man aber stets die Entwicklungen berücksichtigen und sich entsprechend anpassen.“

Mit Blick auf die Olympischen Spiele - das größte Sportereignis der Welt wurde ebenfalls aufs Jahr 2021 verschoben - stehen im Judo noch Qualifikationsturniere aus. Auch hier werden sich die Judoka aber weiter in Geduld üben müssen: Um möglichen Wettbewerbsverzerrungen vorzubeugen, werden diese Turniere wohl erst ausgetragen, wenn in allen Ländern wieder Reisefreiheit herrscht. So bleibt es im Judosport bisweilen bei einem Hauch von Alltag.