Paris. Platz fünf darf man feiern - aber war vielleicht sogar Gold drin? Der Bochumer Lucas Matzerath und Trainer Mark Jayasundara geben einen Einblick in ihre Gefühlswelt.
Der Abend nach dem großen Olympia-Finale war ein langer für Lucas Matzerath. Der 24-jährige Bochumer war nach Platz fünf ein gefragter Mann, musste erst zur Dopingkontrolle und durfte dann noch mit Teamkollege Melvin Imoudu ins ZDF-Sportstudio. Erst um halb 2 war er zurück im Olympischen Dorf, mit gemischten Gefühlen. Sein Ziel, das Finale hatte er erreicht - die Medaille, die er sich insgeheim vorgenommen hatte, aber verpasst.
Ob das Ergebnis okay sei, wurde er von ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein gefragt: „Auf jeden Fall“, antwortete Matzerath. „Es war nicht ganz das Ergebnis, was ich mir erhofft hatte. Aber mit dem, was ich im Becken abgeliefert hab, kann ich auf jeden Fall zufrieden sein.“
Ein weiterer Final-Auftritt kommt nicht dazu. Matzerath hätte noch in der 4x100-Meter-Lagenstaffel starten können - im Vorlauf war er Teil des Teams, das den Einzug ins Finale schaffte. Im Finale am Sonntagabend gehört er aber nicht zur deutschen Besetzung, stattdessen schwimmt Melvin Imoudu die Bruststrecke, der zuletzt etwas schneller gewesen war. Das Abenteuer Paris, auf das Matzerath so lang hingearbeitet hatte, ist beendet - mit einem positiven, aber zweispältigen Gefühl.
Lucas Matzerath: War im Finale sogar Gold drin?
Zurück zum Fernseh-Interview nach dem Einzelrennen. Ein euphorischer Auftritt war es nicht - er war auch etwas wehmütig nach dem 100-Meter-Brust-Finale. Auf Bahn eins bekam Matzerath nicht voll mit, was in der Mitte des Beckens passierte, verpatzte auch den Anschlag. Sonst wäre sogar eine Medaille drin gewesen, mit einer Bestzeit sogar Gold. Matzeraths ist über die 100 Meter Brust Deutscher Rekordhalter in 58,7 Sekunden - Olympia-Gold gewann der Italiener Nicolo Martinenghi in nur 59,03 Sekunden. Matzerath folgte 27 Hundertstelsekunden später. Die Goldzeit hätte Matzerath eigentlich draufhaben können. Aber eben nicht in Paris.
Auch für Trainer Mark Jayasundara machte das die Bewertung schwer. Der Bochumer ist als DSV-Trainer mit in Paris und ordnet es gegenüber der WAZ so ein: „Das ist ja so eine Floskel: Man trainiert ja immer daraufhin, bei Meisterschaften eine Bestzeit abzuliefern. Aber das geht hier nicht. Das Becken ist sehr langsam, sonst hätten wir längst schon einige Rekorde gesehen“, fand der Trainer. „Auf allen Strecken brauchen alle Schwimmer etwas länger, da fehlt eine halbe, vielleicht sogar eine ganze Sekunde. Wir können die Leistung daher nicht an Zeiten messen. Es geht einfach ums Racen, ums Rennen.“
Vorbreitung mit alten Videos von Olympia in Rio
Genau darauf hatte sich Matzerath vorbereitet, insbesondere in der ungewöhnlich lauten und stimmungsvollen Pariser Olympia-Schwimmhalle. Unter anderem mit alten Videos von Olympischen Rennen aus Rio de Janeiro 2016 bereitete sich Matzerath auf Paris vor, um die Geräuschkulisse zu simulieren.
Das gelang: Während viele Sportler angespannt und mit Kopfhörern in die Halle kamen, lächelte Matzerath, ballte die Fäuste, strahlte Lust aufs Rennen aus. Trainer Jayasundara verrät: „Auch das haben wir geübt, wie man in die Halle reinkommt. Da geht es um die Körperhaltung, um die Energie, man darf nicht geduckt sein - das braucht man, um die letzten Prozente rausholen zu können.“ Matzerath sagte dann auch im ZDF: „Das Drumherum war keine Ablenkung für mich.“
Märtens‘ Goldshow beflügelt die anderen Deutschen
Bei ihrem Halbfinale waren Matzerath und Imoudu schon ganz nah dran gewesen an einem Olympiasieger - direkt vor ihrem Semifinale raste Lukas Märtens zum Sieg über 400 Meter Freistil. „Ich musste die Emotionen unterdrücken, mich auf mein eigenes Rennen konzentrieren, statt den Sieg zu feiern“, verrät Matzerath. „Danach konnte ich ihn abklatschen, ein Drücker war auch drin.“
Insgesamt überwogen aber die guten Gefühle im Team der Schwimmer, das laut Jayasundara sehr eng zusammenhält. Matzeraths Aussagen belegen das: „Lukas hat das erste Gold eines deutschen Manns im Schwimmen seit 1988 geholt, das hat uns alle beflügelt.“ Dass er und Imoudu dann zu zwei im Finale über 100 Meter Brust standen, und dann auch noch Vierter und Fünfter werden, sei auch bemerkenswert: „Wir haben Historisches geleistet.“
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Auch Jayasundara zog einen positiven Strich drunter, erinnerte noch an die großen Probleme zu Beginn des Jahres: Matzerath durfte nach einer Viruserkrankung wochenlang nicht richtig trainieren. Normalerweise schwimme er 200 Kilometer pro Monat, rechnet der Trainer vor: „Im März waren es null, im April dreißig.“ Auch vor diesem Hintergrund sei Platz fünf eine hervorrangende Leistung, die die beiden vorher wohl so unterschrieben hätten. Das hauptziel Finale hat er erreicht.
Ein Staffeleinsatz könnte noch folgen
Und Jayasundara sagt auch: „Die Wahrnehmung des Schwimmsports ist sehr positiv, auch Lucas hat sich im Fernsehen gut verkauft. Die Resonanz ist extrem positiv, war er stolz. Und blickt voraus: „2021 war er Neunter, jetzt im Finale und Fünfter. Das ist eine Steigerung und geht in die richtige Richtung, und so soll es 2028 in Los Angeles weitergehen.“
Paris ist aber noch nicht vorbei: Für die beiden Brustschwimmer gibt es noch zwei Staffelplätze in der 4x100-Meter-Lagen-Staffel, einmal Mixed und einmal mit den Herren - ob Matzerath oder Imoudu schwimmt, ist aber noch nicht entschieden.
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