Wattenscheid. Die SG Wattenscheid 09 verabschiedet am Sonntag beim Saisonfinale zehn Spieler und die Sportliche Leitung. Was waren die Fehler - und was macht Hoffnung?

  • Wattenscheid 09 empfängt Sonntag den 1. FC Gievenbeck im Lohrheidestadion zum Saisonabschluss
  • Zehn Spieler werden verabschiedet, darunter auch die Aufstiegshelden Marvin Schurig und Jeffrey Malcherek
  • Wattenscheid ist am Ende eines schwierigen Jahres immer noch im Umbruch - viele Fragen sind offen

Saisonfinale im Lohrheidestadion: Das 34. und letzte Spiel dieser Oberliga-Saison (So., 15 Uhr, gegen den 1. FC Gievenbeck) bedeutet für Wattenscheid 09 sportlich nicht mehr viel, die Mannschaft des scheidenden Cheftrainers Engin Yavuzaslan kann noch auf Rang zwölf springen oder auf Platz 15 zurückfallen - aber es geht nicht mehr gegen den Abstieg.

Das ist kein Erfolg im eigentlichen Sinne, kein Grund zu feiern, maximal zum erleichterten Anstoßen. Aber es ist ein Ergebnis, das alle Wattenscheider im Winter sofort unterschrieben hätten, als es mit sieben Punkten auf dem Konto ins neue Jahr ging.

Der wichtigste Part findet vor dem Spiel statt: Trainer Engin Yavuzaslan, Sportchef Hartmut Fahnenstich und gleich zehn Spieler werden verabschiedet: Wattenscheid 09 steht ein erneuter Umbruch bevor, der dritte innerhalb eines Kalenderjahres. Vielleicht ist es auch ein anhaltender, schmerzhafter Umbruch für die SGW, die sich auch während der Saison von vielen verdienten Figuren der Vergangenheit trennte.

Wattenscheid 09 ging mit unausgewogenem Kader und Fragezeichen in die Saison

Im vergangenen Sommer hielt der damalige Sportvorstand Christian Pozo y Tamayo viele Leistungsträger, baute den Kader aber auch teilweise um - und lag im Nachhinein betrachtet damit daneben. Es waren viele gute Spieler, aber die Mannschaft war unausgewogen, hatte Fragezeichen in allen Mannschaftsteilen und passte auch nicht mehr zu Trainer Christian Britscho, der nach dem Fehlstart gehen musste.

Pozo holte Engin Yavuzaslan aus Vreden, der vieles anders machen wollte und auch musste. Als er übernahm, habe die Mannschaft vier Punkte gehabt, meinte Yavuzaslan einmal - da könne er doch nicht kommen und sagen, dass alles gut sei. Als erstes rasierte er den damaligen Top-Torschützen und Publikumsliebling Dennis Lerche, baute auch Trainerteam und Betreuerstab um.

Dennis Lerche, Marvin Schurig und Christian Britscho beim Aufstieg 2022 - für sie alle war die Saison 2023/24 das Ende ihrer Wattenscheider Zeit.
Dennis Lerche, Marvin Schurig und Christian Britscho beim Aufstieg 2022 - für sie alle war die Saison 2023/24 das Ende ihrer Wattenscheider Zeit. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Er stehe „für harte Arbeit und Ehrlichkeit“ sagte Yavuzaslan der WAZ an dem Tag, als sein Abschied bekannt wurde - diese Ehrlichkeit kam nicht bei allen im Verein gut an. Der Behauptung, sein Verhältnis zum Team sei beschädigt, entgegnet Yavuzaslan, das sei der Frust einiger Spieler ohne Spielpraxis. Erfahrene Spieler, darunter die (Ex-Kapitäne) Marvin Schurig und Arda Nebi verloren ihre Plätze; vor dem entscheidenden Spiel gegen Rheine strich Yavuzaslan beide aus dem Kader. Andere Spieler dagegen blühten unter ihm auf, etwa Eduard Renke oder Fabrizio Fili.

Das war eine Trainerwahl, die damals nicht offensichtlich war, die nicht jeder so getroffen hätte.
Hartmut Fahnenstich über die Entscheidung seines Vorgängers Pozo, Engin Yavuzaslan aus Vreden zu holen

Sportlich behielt er Recht: Letzlich hat Yavuzaslan den Abstieg mit Wattenscheid 09 verhindert, er holte 1,11 Punkte pro Spiel - in der Rückrunde waren es 1,44. Vor seinem letzten Spiel sagt er: „Ich gehe mit Stolz, das geschafft zu haben, so eine Aufholjagd hingelegt zu haben - aber auch mit Trauer, weil ich eigentlich mehr vorhatte. Es war mir eine Ehre, für den Verein zu arbeiten. Ich bin froh, dass ich einen Teil dazu beitragen konnte, Wattenscheid in der Oberliga zu halten. Jeder im Verein muss sich hinterfragen, wie es zu dieser Situation kommen konnte.“

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Fahnenstich bedankt sich bei Pozo für die Trainer-Verpflichtung

Für Hartmut Fahnenstich ist Yavuzaslan der Hauptgrund, warum die SGW die Kurve kriegte: „Für die Trainerwahl möchte ich mich bei meinem Vorgänger Christian Pozo bedanken. Das war eine Trainerwahl, die damals nicht offensichtlich war, die nicht jeder so getroffen hätte“, sagt Fahnenstich, der auch seinen Teil dazu tat, sportlich erfolgreicher zu sein: Er baute den Kader um, bediente sich vor allem am auseinanderfallenden TuS Bövinghausen und holte unter anderem mit Nico Thier und Maurice Haar die Säulen der „neuen“ Wattenscheider Mannschaft.

Fahnenstich und Yavuzaslan machten kurzfristig das beste aus der Situation, haben aber auch eine Mit-Verantwortung dafür, dass der Klub insgesamt nicht weiter ist als vor einem Jahr. Eher hat der Verein noch mehr Fragezeichen, sowohl auf der Führungsebene als auch im sportlichen Bereich.

Die Frage, wohin es mit den beiden hätte gehen können, erübrigt sich, weil die Zusammenarbeit in der Führung nicht klappte - die Lücke, die Fahnenstich nicht füllen konnte und wollte, gehört auch zu Pozos Vermächtnis. Die „Identitätskrise“, die der Ex-Vorstand einmal ausrief, hält an: Wohin der Verein sportlich will, ob die Regionalliga das Ziel ist oder sogar sein sein muss, ist nicht klar.

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Wattenscheid 09 verabschiedet drei Kapitäne - aber Maurice Haar noch nicht

Mit der Installation von Christopher Pache als neuem Cheftrainer ist ein erster Schritt erfolgt. Gute Nachrichten für die Fans sind, dass schnell Stammspieler und Identifikationsfiguren verlängert haben, etwa Tim Kaminski, einer der wenigen verbliebenen Aufsteiger. Und dass andere Stammspieler sich zumindest noch nicht für einen anderen Klub entschieden haben und entsprechend nicht auf der Verabschiedungsliste stehen: Renke, Fili, Jamal El Mansoury oder auch Maurice Haar, der allerdings Thema bei mindestens einem Regionalligisten ist.

Marvin Schurig verlässt die SG Wattenscheid 09 nach fünf Jahren.
Marvin Schurig verlässt die SG Wattenscheid 09 nach fünf Jahren. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann
Jeffrey Malcherek verlässt die SG Wattenscheid 09 in diesem Sommer.
Jeffrey Malcherek verlässt die SG Wattenscheid 09 in diesem Sommer. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann
Arda Nebi verlässt die SG Wattenscheid 09 nach nur einem Jahr.
Arda Nebi verlässt die SG Wattenscheid 09 nach nur einem Jahr. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Verabschiedet dagegen, und auch das steht für den andauernden Umbruch seit einem Jahr, werden auch drei (ehemalige) Kapitäne: Marvin Schurig, Jeffrey Malcherek und Arda Nebi. Während Schurig und Malcherek prägende und gefeierte Figuren der vergangenen 09-Jahre waren, geht Nebi nach nur einem, unglücklich verlaufenen Jahr bei der SGW.

Sie werden vor dem Spiel gemeinsam mit den weiteren Abgängen kurz verabschiedet: Felix Casalino, Daniel Dudek, Frederik Wiebel, Nils da Costa und Abid Yanik wurden teilweise schon bei neuen Klubs vorgestellt. Nico Thier und Niklas Lübcke machen dazu nach einem halben Jahr von ihrer Ausstiegsklausel Gebrauch.

SGW verabschiedet Schurig, Malcherek, Nebi

Marvin Schurig (35) war eins der Gesichter des Wiederaufbaus nach der Insolvenz, kam gemeinsam mit Trainer Christian Britscho von RW Ahlen - schon dort waren die beiden gemeinsam in die Regionalliga aufgestiegen, sie wiederholten das 2022 mit Wattenscheid 09. Er übernahm nach dem Abstieg sogar noch mehr Verantwortung, rückte ins Trainerteam auf - unter Yavuzaslan war er aber sportlich nicht mehr gefragt.
Auch Jeffrey Malcherek (27) war einer der Aufstiegshelden: Im Januar 2022 schloss sich der damals vereinslose Malcherek der SGW an, um nach einer schweren Knieverletzung wieder Fuß zu fassen - und war kurz darauf absoluter Stammspieler, der entscheidenden Anteil am Aufstieg hatte. Christian Britscho machte ihn vor einem Jahr zum Spielführer. Nach dem Trainerwechsel verlor er Stammplatz und Kapitänsamt, hatte im Saisonendspurt allerdings noch einige wichtige Einsätze.
Nur ein Jahr bei der SGW dagegen spielte Arda Nebi (33) - ein Wechsel von dem sich alle Seiten mehr erhofft hatten. Der erfahrene Stürmer galt als Königstransfer in der Offensive im vergangenen Sommer, erzielte aber nur zwei Tore. Engin Yavuzaslan machte ihn im Winter zum Kapitän, Nebi verlor aber seinen Platz im Team und teilweise auch im Kader.

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