München. Die Kugelstoßerin des TV Wattenscheid ist die Nummer sechs in Europa – und gibt nach dem Finale einen Einblick in ihre Gefühlswelt.

Julia Ritters Emotionen suchten einen Weg nach draußen. Als keine Kugel mehr zum weit Stoßen übrig war, kam zunächst das breite Grinsen. Doch irgendwann war auch das zu wenig. Tränen schossen der Werferin des TV Wattenscheid in die Augen, als sie in den Katakomben des Münchener Olympiastadions stand.

Kugelstoß-Kollege Simon Bayer klopfte ihr im Vorbeilaufen auf die Schulter. „Stark“, sagt er anerkennend. Julia Ritter verschluckte sich fast an einem „Danke“. „Es war so schön, ich habe es so genossen“, sagte die 24-Jährige nach ihrem Auftritt im EM-Finale.

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Leichtathletik-EM: Julia Ritter hat ihr Ziel erreicht

Bei ihrer ersten Europameisterschaft bei den Erwachsenen hatte Ritter mit 18,29 Metern Platz sechs erreicht. Sie war damit zweitbeste Deutsche hinter Sara Gambetta auf Platz fünf. Auch wenn bis zu der Siegerinnenweite der Niederländerin Jessica Schilder (20,24) noch fast zwei Meter fehlten, war Julia Ritter wie beseelt. „Ich wollte unbedingt unter die Top Acht kommen“, sagte sie. „Ich bin so happy, ich kann das gar nicht in Worte fassen. Es war so eine tolle Stimmung, zu Hause im eigenen Land, meine Eltern waren da, mein Trainer…“ Ihre Stimme stockt. Dann lacht sie wieder.

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Julia Ritter haut so leicht nichts um, aber dieser Abend bei der Leichtathletik-EM in München warf sie aus der Bahn.

Nach dem Wettkampf wollte sie nur schnell ihre Eltern finden, um mit ihnen den Triumph zu feiern. Aber spät durfte es nicht werden: Ihre Zimmerkollegin ist Diskuswerferin Shanice Craft. „Sie hat morgen ihren Wettkampf, da wäre es ein bisschen doof, wenn ich erst um drei Uhr nach Hause komme“, sagte die Wattenscheiderin.

Nach dem ersten Versuch brüllt Ritter ihre Freude heraus

Beseelt vom Glück: Julia Ritter vom TV Wattenscheid 01 bei der Leichtathletik-EM in München.
Beseelt vom Glück: Julia Ritter vom TV Wattenscheid 01 bei der Leichtathletik-EM in München. © Getty Images For European Athletics | Simon Hofmann

Julia Ritter war sehr gut in den Wettbewerb gestartet. Gleich im ersten Versuch schaffte sie die 18,29 Meter. Als die Kugel landete, brüllte und klatschte sie ihre Freude in den Münchener Abendhimmel. „Alle haben gedacht, ich hätte Bestleistung gestoßen, weil ich so laut geschrien habe“, sagt Ritter und lacht. „Aber es war einfach eine Befreiung. Die Quali war echt schwierig für mich.“ Mit 17,80 Metern hatte sie die 18-Meter-Marke am Morgen noch klar verpasst.

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Ihr Trainer Miroslaw Jasinski – Vater von Diskus-Ass Daniel – eilte die Tribüne hinab, um ihr zu helfen. „Wir reden da nicht viel über Technik. Normalerweise reicht mir das, wenn er sagt: Du kannst das, du schaffst das, du weißt, was du machen musst.“ Manchmal gebe er ihr aber auch kleine Tipps, verrät sie: „Zum Beispiel, wenn ich mehr auf meine Hüfte achten soll, das ist mein kleines Manko.“

Ritter hat WM und Olympia fest im Blick

Im Finale lieferte Julia Ritter, die sich selbst als „Rampensau“ bezeichnet, vor dem Heim-Publikum direkt im ersten Versuch mit 18,29 Metern ab. „Ich wusste, um unter die Top Acht zu kommen, muss ich 18 Meter stoßen; dass mir das direkt im ersten Versuch gelungen ist, war wichtig. Danach waren die Würfe sehr konstant, was mich freut, weil da ein gutes Level ist – und irgendwann geht es hoch. Der Ausrutscher nach oben wird kommen.“

Vielleicht schon im kommenden Jahr, dann ist die WM in Budapest ihr großes Ziel – bevor es um die Olympiaqualifikation für die Spiele 2024 in Paris geht. Doch jetzt ist für Julia Ritter erst einmal Urlaub angesagt. „Ein bisschen wird noch trainiert“, sagte sie. Aber dann geht es mit der Familie nach New York.

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