Bochum. Die Wattenscheider Kugelstoßerin Julia Ritter hofft auf den DM-Titel. Diskuswerfer Daniel Jasinski kann an den Finals in Berlin nicht teilnehmen.
Gute und schlechte Nachrichten liegen manchmal nah beieinander. In diesem Fall stehen sie beieinander, als sie über die Deutsche Meisterschaft sprechen: hier Julia Ritter, daneben Daniel Jasinski. Beide sind Teil der Werfergruppe des TV Wattenscheid, gute Kumpel. Während die 24 Jahre alte Kugelstoßerin in das erfolgreichste Jahr ihrer jungen Karriere gestartet ist, erlebt der acht Jahre ältere Diskuswerfer und Olympia-Dritte von 2016 eine frustrierende Phase.
Nachdem er noch im vergangenen Jahr eine Bestleistung geworfen und das WM-Ticket für die wegen Corona auf diesen Juli verschobenen Wettkämpfe in den USA gelöst hatte, ist die Saison für Jasinski nun beendet, bevor sie begonnen hat. Wiederkehrende Rückenschmerzen zwingen ihn zur Absage für die Deutsche Meisterschaft. Seinen Titel wird er an diesem Wochenende bei den Finals in Berlin also nicht verteidigen können. Da die Teilnahme aber Voraussetzung für eine Nominierung für die WM im Juli in Eugene und die EM im August in München ist, war dies eine folgenschwere und harte Entscheidung für ihn.
Jasinski: „Ich habe total Bock, plane Paris 2024 fest ein“
An das Ende seiner Karriere dachte der Olympia-Zehnte von Tokio jedoch keine Sekunde. „Auf gar keinen Fall“, sagt er – und Julia Ritter neben ihm schüttelt energisch den Kopf. „Ich habe total Bock, plane Paris 2024 fest ein“, sagt er. „Dreimal Olympia will ich mindestens machen.“ Würde man Zuversicht eine Form geben, sie wäre 2,07 Meter groß und trüge Bart. Er spüre, dass er es noch in sich hat. Wieder nickt Julia Ritter eifrig und klopft ihm auf die Schulter: „Der Daniel macht das schon – der ist ein Kämpfer“, sagt sie. Würde man Frohsinn eine Gestalt geben, sie hätte die breiten Schultern und das noch breitere Grinsen von Julia Ritter.
Die 24-Jährige ist ein Gewinn für die deutsche Leichtathletik, mehr noch: Sie ist eine Wucht. Nicht nur mit der Kugel, die sie zuletzt regelmäßig über die 18-Meter-Marke stieß. Oder weil sie neben ihrer Hauptdisziplin auch mit dem Diskus antritt. Sondern auch als Typ. Die Bergkamenerin redet gern und wie es ihr in den Sinn kommt. Sie sprüht vor Tatendrang, genießt es, gefragt zu sein, ohne arrogant zu wirken. „Ich hab’ so ein Aufmerksamkeitsding“, sagt sie und lacht. Der Wettkampf in Berlin ist ganz nach ihrem Geschmack. Anders als das Gros der Athleten ermitteln die Kugelstoßerinnen und Kugelstoßer ihre Meister nicht im Olympiastadion, sondern schon am Donnerstag vor dem Brandenburger Tor. „Da liegt alle Aufmerksamkeit nur auf uns – ich liebe das.“
In den Schwanitz-Fußstapfen
Natürlich will Julia Ritter im Rampenlicht auch abliefern. Mit persönlicher Bestleistung von 18,60 Metern hat sie in diesem Jahr die WM- und EM-Norm erfüllt, in Berlin liebäugelt sie mit dem Titel. Sie liegt Sara Gambetta (18,88) und Katharina Maisch (18,80) dicht auf den Fersen. „Da ist alles möglich.“
Die Chancen stehen gut, dass die Drei auch das deutsche Trio für Eugene und München bilden. „Ich will auf jeden Fall zu beiden Wettkämpfen. Amerika wäre meine erste Erwachsenen-WM. Und eine Heim-EM in München: Was will man mehr?“ Die hohe Belastung stört Julia Ritter nicht: „Mir ist das egal, ich bin da ein Kampfschwein.“ Ihr herzhaftes Lachen weckt Erinnerungen: an Christina Schwanitz. Die 36 Jahre alte Dresdnerin, inzwischen in Kugelstoß-Rente, war über viele Jahre das Nonplusultra in Deutschland, gewann 2014 und 2016 den EM-Titel und wurde 2015 Weltmeisterin. „Sie hat große Fußstapfen hinterlassen und in die möchte ich treten“, sagt Julia Ritter. Aber zunächst zählt nur das Rampenlicht von Berlin.