Wattenscheid. Steigerungen in jedem Mannschaftsteil, richtige Personalentscheidungen – Hauptgrund für den Erfolg gegen Fortuna Köln war aber etwas anderes.

Als Trainer Christian Britscho um kurz vor vier Uhr am Samstagnachmittag gemeinsam mit seiner Mannschaft vor den Wattenscheider Fanblock lief, ballte er die Fäuste über dem Kopf, peitschte die Anhänger an. Groß war die Freude, aber auch die Erleichterung bei der SG Wattenscheid 09 über den 3:0-Heimsieg gegen den bitter enttäuschenden SC Fortuna Köln. Grund dafür waren eine in allen Mannschaftsteilen deutlich verbesserte Leistung sowie einige Personal-Entscheidungen des Trainers.

Mit veränderter Formation, vor allem aber veränderter Arbeitseinstellung legte die SGW am Samstag den Schalter um. „Wir haben ziemlich deutlich zu verstehen bekommen, dass wir defensiv geordneter stehen müssen“, erklärte Verteidiger Timm Esser. „Wenn man gesehen hat, wie wir in jeden Ball reingeflogen sind, war das der entscheidende Unterschied.“

SG Wattenscheid 09: Abid Yanik glänzt mit Traumtor

Nach dem 0:8 bei Rot Weiss Ahlen waren Umstellungen naheliegend, aufgrund der Personalsituation aber auch alternativlos; so waren Kim Sané (Kopfverletzung), Berkant Canbulut (Oberschenkel) und Mike Lewicki (Knie) nicht einsatzfähig. Britscho setzte in seiner Startelf unter anderem auf den am Dienstag verpflichteten Tim Brdaric, der noch kaum mit der Mannschaft trainiert hatte, sowie den A-Jugendlichen Abid Yanik, der für eins der Highlights des Nachmittags sorgen sollte.

Fußball arbeiten: Umut Yildiz (Wattenscheid 09) im Zweikampf mit Sascha Marquet von Fortuna Köln.
Fußball arbeiten: Umut Yildiz (Wattenscheid 09) im Zweikampf mit Sascha Marquet von Fortuna Köln. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Yanik hatte in der Vorbereitung bereits mit einem Super-Solo ein tolles Tor erzielt und seinen Trickreichtum auch im Westfalenpokal gegen Hohenlimburg angedeutet. Den zeigte er nun auf großer Bühne in der Nachspielzeit der ersten Hälfte: Einen langen Ball gab er nicht verloren, holte ihn sicher an der Grundlinie, drehte seinen Gegner mit einem Haken so ein, dass der sich auf den Boden setzte – und schloss aus spitzem Winkel mit der Pieke ab.

„Das sind die schönen Momente, die für so Scheiß-Wochen wie zuletzt entschädigen“, schwärmte Britscho. Das 2:0 war die Krönung der guten ersten Hälfte, die für die SGW perfekt lief.

Lerche bringt Wattenscheid 09 in Führung, Staudt hält Elfmeter

Die SGW stand stabiler, aber Fortuna Köln war spielbestimmend, wenn auch nicht gefährlich. In Führung ging so Wattenscheid nach einer knappen halben Stunde: Felix Casalino bekam den Ball nach einer abgefälschten Flanke, wurde von Angelo Langer klar gefoult. Dennis Lerche verwandelte knallhart oben rechts.

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Auch Fortuna Köln bekam einen Elfmeter, nachdem Jeffrey Malcherek der Ball an die Hand gesprungen war. Bruno Staudt hielt aber Sascha Marquets unplatzierten Versuch: Nachdem Lerches Führungstreffer noch für relativ verhaltenen Jubel gesorgt hatte, wurde es da mal wieder richtig laut im Lohrheidestadion, auch wenn nur 878 Fans zu Gast waren.

Und zwei Minuten später dann eben das Kunststück von Yanik. Es waren die Minuten, in denen die Partie sich entschied – diesmal dank individueller Klasse aber auch des nötigen Spielglücks zugunsten der Wattenscheid 09. „Wenn der Elfmeter reingeht, kann das Spiel ganz anders ausgehen“, wusste Britscho. „Danke an Bruno“, meinte Timm Esser.

Wattenscheid setzt auf Kopfballstärke

Apropos Esser – das war der zweite Punkt, in dem Britscho in Sachen Personal richtig lag. Er verzichtete darauf, die Hauptdarsteller der Niederlage von vor einer Woche auf die Bank zu setzen. „Es hätte mich nicht gewundert, wenn ich rausrotiert wäre“, meinte Esser. „Aber wichtig war für uns, dass wir nicht alles über den Haufen werfen, sondern an uns glauben.“

Esser spielte allerdings gemeinsam mit Brdaric auf der Doppelsechs. Mit zwei Viererketten war die SGW kompakter, hatte mit vier gelernten Innenverteidigern im Zentrum die Lufthoheit, eine Reihe weiter vorne stand auch noch „Bulle“ Dennis Lerche im Zentrum.

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Die körperliche Präsenz wirkte. Es war einer der Schlüsse, die Britscho aus den drei Auftaktniederlagen gezogen hatte. „Viele Mannschaften sind anders und ein Stück weit besser besetzt. Wir haben hier angefangen, Fußball zu arbeiten, in jeder Sekunde.“ Den Rückstand an fußballerischer Klasse und auch Erfahrung machte die SGW so wett, mehr noch: Wattenscheid wirkte abgezockter, hatte Köln in der zweiten Hälfte meist im Griff.

Wattenscheid setzt auf Kopfballstärke

Dass dann Joker Niko Bosnjak in der Schlussphase mit dem 3:0 nach einem Konter das Spiel entschied, war die Kirsche auf der Torte. Das Endergebnis ist zu hoch, sagt aber etwas über die Harmlosigkeit der Kölner aus, deren Aufbäumen verpuffte. Und über die Steigerung der Wattenscheider in jeder Hinsicht. So geht es – zumindest gegen diesen Gegner, der mit dem Rücken zur Wand stand, nun noch tiefer in der Krise steckt: „Wir haben die Schnauze voll“, kam es schon vor dem Schlusspfiff aus dem Gästeblock.

Die Wattenscheider Fans dagegen durften feiern, nächsten Freitag wartet aber schon die nächste, schwerere Aufgabe: Dann kommt der SC Wiedenbrück nach Wattenscheid, der gerade 5:0 gegen Rot Weiss Ahlen gewann. Für diese Aufgabe hat die SGW neues Selbstbewusstsein: „Das heute war mental brutal wichtig“, sagte Esser. „Das stärkt, da müssen wir anknüpfen. Wir müssen jedes Spiel so angehen wie heute.“

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