Bochum. Angleiten oder Drehstoß – Kugelstoßen ist eine Frage der Technik. Die Bochumerin Julia Ritter erklärt die Unterschiede und Vorteile.
Wenn am frühen Donnerstag-Morgen der neue Olympiasieger im Kugelstoßen gekürt wird, dann rechnet Julia Ritter nicht mit einer Überraschung: „Sehr sicher wird es Ryan Crouser sein“, sagt die Athletin des TV Wattenscheid.
Und sie muss es wissen, schließlich ist die 23-Jährige vom Fach. Nur ganz knapp verpasste sie selbst die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio. Bei den Männern ist kein deutscher Athlet am Start.
Crouser hat mit der neuen Technik den Weltrekord gebrochen
Warum sie den US-Amerikaner, der vor ein paar Wochen erst den zuvor 21 Jahre bestehenden Weltrekord geknackt hat und 23,37 Meter stieß, so weit vorne sieht, erklärt sie so: „Ryan Crouser hat momentan einfach die beste Technik und kann sie so konstant abrufen, dass ich nicht glaube, dass da viel schief gehen kann“, sagt sie.
Weitere Berichte zu den Olympischen Spielen
- Olympia-Frust: So macht der Wattenscheider Jasinski weiter
- Pferd aus Bochum holt bei Olympia die Goldmedaille
- Deutschland-Achter: So erlebt Felix Wimberger die Gold-Jagd
Und meint mit der Technik den Drehstoß, den der 29-Jährige perfektioniert hat. Anders als im europäischen Raum, in dem die Angleit-Technik, auch O’Brian-Technik genannt, Jahrzehnte lang das Nonplusultra war, ist derzeit der Drehstoß auf dem Vormarsch, der vor allem in Amerika gelehrt wird. Auch bei den Frauen. Julia Ritter selbst überlegt, ob sie als gelernte Angleiterin lieber auf die andere Technik umsteigt.
Das klassische Angleiten ist die einfachere Technik
Aber wo liegt überhaupt der Unterschied? „Beim Kugelstoßen geht es ja darum, die Kugel möglichst schnell zu beschleunigen. Dazu hat man zwei erprobte Möglichkeiten“, so Ritter.
Das unterscheidet die Angleit- von der Drehtechnik
Bei beiden Varianten steht der Sportler zunächst mit dem Rücken zur Stoßrichtung. „Beim Angleiten, holt man mit einem Bein Schwung, stößt sich mit dem anderen in Stoßrichtung ab und macht einen Sprung, stemmt das Schwungbein dann in den Boden, dreht den Körper in Stoßrichtung, macht sich groß und stößt die Kugel aus.“ Klingt kompliziert, ist aber die etwas einfachere der beiden Techniken.
„Bei der der Drehstoßtechnik, wird wie der Name schon sagt, der Körper eineinhalb Mal im Ring gedreht, bevor der Kugel dann gestoßen wird“, erklärt Ritter und macht die Bewegung vor indem sie die Füße schnell und gekonnt durch den Ring wirbeln lässt. Fast ein bisschen tänzerisch sieht das aus.
Julia Ritter denkt über Technikwechsel nach
Diese Technik ähnelt der Bewegung im Diskuswurf sehr. „Weil ich auch Diskuswerferin bin, wäre es naheliegend, wenn ich die gleiche Technik auch beim Kugelstoßen verwende“, sagt die Wattenscheiderin mit Blick auf ihre Zukunft, weiß aber auch die Vorteile ihrer jetzigen Technik zu schätzen.
„Die Angleittechnik ist einfacher umzusetzen und damit auch stabiler. Es gibt weniger Fehlversuche und weniger missglückte Stöße. Der optimale Punkt in dem die Kugel nach der Beschleunigung ausgestoßen werden muss, ist leichter zu treffen“, sagt Ritter und demonstriert den Weg der Kugel, der quasi immer in die gleiche, und damit in die Stoßrichtung geht. Besonders große Athleten profitieren von dieser Technik, die allerdings auch kraftraubender ist.
Längerer Beschleunigungsweg beim Drehstoß
Und warum ist Ryan Crouser dann mit seinem Drehstoß im Vorteil?„Der Drehstoß hat den Vorteil, dass der Beschleunigungsweg länger ist. Man hat also mehr Zeit, der Kugel noch mehr Energie mitzugeben. Die Koordination ist allerdings nicht so einfach und auch der perfekte Punkt zum Ausstoßen ist schwer zu treffen, weil die Kugel aus einer Rotationsbewegung plötzlich linear fliegen soll“, sagt die 23-Jährige. Wer diesen Punkt aber perfekt trifft, kann mit ähnlichem Kraftaufwand größere Weiten erzielen.
Und derjenige, der diesen Punkt momentan einfach fast immer perfekt trifft, ist Ryan Crouser.