Bochum. Die deutschen Dressurreiterinnen sind bei Olympia in Tokio wieder erfolgreich und räumen die Medaillen ab. Die Verbindung nach Bochum ist nah.
Bochum hat eine Goldmedaille! Zumindest wenn man nach dem Ursprung geht. Bei den Olympischen Spielen in Tokio haben die deutschen Dressurreiterinnen am Dienstag Mannschaftsgold geholt. Mit dabei war auch Isabell Werth mit ihrem Pferd Bella Rose. Und die Stute wurde wo geboren? Richtig, in Bochum. Genauer gesagt: auf dem Gestüt von Pferdezüchter Wilhelm Strunk in Stiepel.
Das ist mittlerweile stolze 17 Jahre her. Strunk hat das Finale ganz genau verfolgt und sich mit Isabell Werth und „seiner“ Bella Rose gefreut. Einen Tag später war er allerdings etwas enttäuscht, als sich Werth und Bella Rose im Einzelwettkampf Jessica von Bredow-Werndl und der Stute Dalera knapp geschlagen geben mussten. Somit wäre sie das erste Pferd gewesen, das gleichzeitig Europa- und Weltmeisterin sowie Olympiasiegerin im Einzel ist. Nur zwei Prozentpunkte fehlten am Ende. „Sie haben einfach beide keine Fehler gemacht“, sagt der 70-Jährige, der eigentlich in Tokio mit dabei gewesen wäre.
„Jahrhundertpferd“ Bella Rose ist in Stiepel aufgewachsen
„Es war schon alles geplant und gebucht“, berichtet Wilhelm Strunk. Vor zwei Monaten kam dann aber die endgültige Absage. Gerne hätte er Bella Rose noch einmal live vor Ort gesehen – denn es kann sein, dass das die letzte Möglichkeit war. Da die Stute schon 17 Jahre ist, wird sie nicht mehr viele Wettkämpfe mitmachen. Strunk erinnert sich gerne an die Zeit des Pferdes in Stiepel zurück. „Wir haben sie hier angeritten und gezüchtet“, sagt er. Man habe das Talent sofort erkannt. „Ihre Übersetzungen waren damals einmalig. Ein echtes Jahrhundertpferd.“
2007 wurde sie im Alter von drei Jahren von Isabell Werth übernommen und zog von Stiepel raus in die weite Welt. „Das war mehr ein Zufall“, sagt der Pferdezüchter. Der damalige Anreiter Matthias Bouten war mit Isabell Werth befreundet und hat ihr den Hinweis gegeben, dass in Stiepel ein echter Rohdiamant geschliffen wird.
Strunk ist stolz, dass so ein Pferd bei ihm geboren wurde. Gemeinsam mit seiner Frau Heike, die im vergangenen Februar verstorben ist, und seinem Bruder Heinrich baute er die Zucht auf. Seit 1967 züchtete er Pferde, bis zu 60 Stück waren in seinem Besitz. 2011 haben er und sein Sohn Nico dann aber beschlossen, dass es keinen Sinn mehr macht, das Ganze weiter zu betreiben. „Da musste ich schon schlucken. Das war nach 45 Jahren nicht einfach“, sagt Strunk. Finanziell habe es sich aber nicht mehr gelohnt. Die Pferde wurden allesamt versteigert.
Auf dem Hof in Bochum-Stiepel reiten jetzt die Kinder
Die „Nachwuchsarbeit“ haben die Strunks dennoch nicht aufgegeben. Schwiegertochter Nina hatte die Idee, auf dem Hof Kinderreiten anzubieten. Und das läuft mehr als erfolgreich. „Mehr als 150 Kinder sind in der Woche bei uns“, erzählt Strunk. 80 Kinder stünden noch auf der Warteliste. Dafür wurden extra Reitlehrerinnen eingestellt und die Pferde, die noch auf dem Hof an der Haarstraße stehen, weiter ausgebildet.
Den Sport verfolgt Wilhelm Strunk weiterhin intensiv. Auch die Zucht hat ihn nicht ganz losgelassen. Als der Betrieb 2011 aufgelöst wurde, hat er drei Zuchtpferde behalten. Zwei davon seien jetzt auch schon im Rentenalter. „Wenn ich selbst gar nicht mehr züchte, dann fahre ich auch nicht mehr zu Wettkämpfen, um mir die anzuschauen. Dann ist man irgendwann einfach raus.“
Noch 2016 war er bei den Olympischen Spielen in Rio. Dort hat sich für ihn gezeigt, wie klein die Welt doch ist. „Ich habe erfahren, dass es in Brasilien einen Sport- und Geschäftsmann gibt, der zwei meiner damaligen Pferde besitzt.“ Leider seien alle Flüge innerhalb Brasiliens ausgebucht gewesen, sodass er sie nicht besuchen konnte. Aber auch das zeigt: Von Bochum geht es raus in die weite Welt. Nicht nur für Bella Rose - das Jahrhundertpferd.