Tokio / Wattenscheid. Der Marathonläufer des TV Wattenscheid fiebert auf das Ende der Spiele in Tokio hin. Bis dahin ist er wegen Corona wie ein „Olympia-Gefangener“.
Wenn sie nicht gleichzeitig so schön wäre, wäre sie schon irgendwie traurig: die Situation, in der sich Hendrik Pfeiffer derzeit befindet. Der Marathon-Läufer des TV Wattenscheid 01 ist kurz davor, seine sportliche Karriere zu krönen. Mehr noch: seinen Lebenstraum zu erfüllen. Nämlich mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio.„Es ist das, worauf ich die vergangenen 14 Jahre meines Lebens hingearbeitet, dem ich alles andere untergeordnet habe“, sagt der 28-Jährige. Ein ganzes halbes Leben also. „Umso glücklicher bin ich jetzt, dass es geklappt hat.“
Schon die Reise zur Qualifikation war das reinste Auf und Ab für den Wattenscheider Läufer. Ein Marathon vor dem Marathon. Und was erwartet ihn jetzt? In Sapporo? Denn die olympischen Marathon-Läufe werden wegen der Witterungsbedingungen nicht in Tokio ausgetragen.
Olympia in Tokio: Bitterer Beigeschmack durch Corona
„Das werden wir dann sehen“, sagt Pfeiffer mit einem skeptischen Unterton. Klar, Corona-Spiele sind nicht die Spiele, die sich ein Athlet zur Krönung seiner sportlichen Karriere wünscht. Nicht nur, dass es an der 42,195 Kilometer langen Strecke vermutlich keine Zuschauer geben wird.
„Auch die Restriktionen sind sehr, sehr scharf. Im Vorfeld fühlt es sich ein bisschen so an, als sei man ein ‚Olympia-Gefangener‘. Es wird nichts mit dem zu tun haben, was man sich normalerweise unter Olympischen Spielen und Olympischem Dorf vorstellt“, sagt Pfeiffer und beschreibt die strikten Vorkehrungen, die ihn vor Ort erwarten: „Spontan in den Supermarkt? Verboten! Mal eben das Zimmer verlassen? Verboten! Man musste jetzt schon vorher angeben, wann man das Zimmer verlassen will in den paar Tagen, in denen man vor Ort ist. Man musste jetzt schon angeben, welche Snacks man dann zu sich nehmen möchte. Und natürlich Tests, Tests, Tests.“
Das sei doch alles etwas gewöhnungsbedürftig und habe einen bitteren Beigeschmack, sagt der Ausdauersportler des TV Wattenscheid, der natürlich nachvollziehen kann, dass die Organisatoren möglichst Corona-Fälle verhindern wollen.
60.000 bei der EM, keine Zuschauer bei den Olympischen Spielen
Auch interessant
„Allerdings ist es für Sportler natürlich bitter, wenn sie sehen, dass bei der Fußball-Europameisterschaft 60.000 Zuschauer im Stadion sind und bei den Olympischen Spielen überhaupt keine“, so Pfeiffer, dessen Freude aber dennoch überwiegt, an dem größten Sportfest der Welt endlich teilnehmen zu können. „Selbstverständlich“, betont Pfeiffer, dem ein erster großer Ballast bereits von den Schultern gefallen ist, nämlich mit der Nominierung für die Spiele, um die er lange, lange zittern musste.
„Durch die Corona-Pandemie wurden die Olympischen Spiele ja von 2020 auf 2021 verschoben. Da war ich zwischenzeitlich schon in einer Lebenskrise“, gesteht der Wattenscheider. Sein Lebenstraum drohte zu zerplatzen. „Meine gelaufene Norm blieb zwar bestehen, aber ich musste immer zittern, ob ich nicht noch von einem deutschen Konkurrenten unterboten werde“, sagt er. Dem Deutschen Team stehen in Tokio für den Marathon nur drei Startplätze zu.
Vereinskollege Amanal Petros
„Es wurde noch mal richtig eng. Amanal Petros ist deutschen Rekord gelaufen, Richard Ringer hat richtig gute Zeiten hingelegt und Simon Boch ist schlussendlich nur 20 Sekunden an der Zeit vorbei geschrappt“, sagt der TV 01-Athlet. Das Schwierige an Pfeiffers Situation: „Ich hätte selbst nicht nachlegen können, weil ich Anfang des Jahres 2021 an Corona erkrankt war. Das hat mich fünf Wochen wirklich außer Gefecht gesetzt“, schildert Pfeiffer.
„Das auch noch“, möchte man sagen. Denn wirklich Glück mit Großereignissen hatte Pfeiffer in seiner sportlichen Karriere nicht unbedingt. Die Olympischen Spiele sind das fünfte prestigeträchtige Event, für das sich der Marathon-Läufer qualifiziert hat. Es wird hoffentlich das erste sein, an dem er dann auch wirklich teilnimmt. Schon 2016 hatte er die Qualifikation für die Spiele in Rio geschafft, musste kurz vorher aber verletzungsbedingt absagen. Außerdem war er qualifiziert für die Europameisterschaften 2016, 2018 und 2020. Die ersten beiden Events verpasste er ebenfalls wegen einer Verletzung, die EM 2020 wurde wegen Corona gestrichen.
Auch interessant
Vorbereitung mit Teamkollege Petros
Jetzt also soll es endlich soweit sein. Zur Vorbereitung war Pfeiffer mit seinem Team-Kollegen Amanal Petros bis Sonntag im Trainingslager in Kenia. „Die Bedingungen dort waren optimal“, sagt Pfeiffer. Erst ein paar Tage vor Wettkampf-Start, der am letzten Tag der Olympischen Spiele, dem 8. August ist, werden die Marathon-Läufer nach Sapporo reisen.
Olympia in Tokio: Alle Entscheidungen und News lesen Sie hier in unserem Live-Ticker
„Ich werde ganz entspannt in den Wettkampf gehen, die Teilnahme ist für mich das Wichtigste“, betont der Wattenscheider. Bleibt zu hoffen, dass – in Zeiten von Corona – bis dahin nicht doch noch etwas dazwischen kommt. Denn Pfeiffers Motto ist kein anderes als: Dabei sein ist alles.