Wattenscheid. Wattenscheid 09 drohte das Aus, nun ist der Neustart fast geschafft. Insolvenzverwalterin Anja Commandeur erzählt im Interview, wie er gelang.
Seit mehr als einem Dreivierteljahr beschäftigt sich Insolvenzverwalterin Dr. Anja Commandeur mit dem ehemaligen Fußball-Bundesligisten SG Wattenscheid 09. Dem kriselnden Verein, dessen Löschung gerade noch verhindert werden konnte, ist der Neustart gelungen. Schon bald wird der operative Vorstand des zukünftigen Oberligisten die Geschäfte des Traditionsvereins wieder selbstständig führen. Wir sprachen mit der Rechtsanwältin.
Frau Commandeur, der Vorstand der SG Wattenscheid 09 wird bald wieder selbstständig die Geschäfte führen dürfen. Was war maßgeblich für den positiven Entscheid der Massegläubiger?
Anja Commandeur: Dazu müsste man eigentlich die Massegläubiger befragen. Allerdings habe ich während meiner Arbeit gute Einblicke erhalten. Den Gläubigern war wichtig, dass es einen echten Neuanfang gibt, bei dem Fehler aus der Vergangenheit vermieden werden.
Wer sind eigentlich die Massegläubiger?
Commandeur: Es handelt sich dabei um einen Rechtsbegriff. Zum einen gibt es Insolvenzgläubiger. Das sind die, die bereits vor Insolvenzeröffnung Forderungen gegenüber dem Schuldner hatten. Zum anderen gibt es die Massegläubiger. Das sind diejenigen, die nach Eröffnung des Verfahrens Forderungen an den Schuldner, als in diesem Fall an die SG Wattenscheid 09, haben. Das sind zum Beispiel Spieler, Trainer, geringfügig Beschäftigte, Krankenkassen oder das Finanzamt.
Waren die Gespräche mit den Gläubigern harmonisch?
Commandeur: Ja, durchweg. Denn alle hatten das gemeinsame Ziel, dass der Verein erhalten bleibt.
Warum war das so wichtig?
Commandeur: Weil es darum ging, den Rechtsträger zu erhalten. Denn die Liga-Berechtigung hing am Verein. Somit haben alle mitgeholfen, den Verein zu erhalten. Allerdings unter der Voraussetzung, dass es kein „Weiter so“ gibt.
Das gibt es offensichtlich nicht. Was zeichnet denn den neuen Vorstand in Ihren Augen aus?
Commandeur: Ich sehe hohes Engagement und hohe Professionalität. Und den klaren Willen, Verantwortung zu übernehmen, um etwas für die Zukunft zu gestalten. Es liegt nicht alles auf der Schulter von wenigen Personen. Zum neuen Vorstand gehören gestandene Geschäftsleute, die jeweils einen großen Teil ihrer Freizeit opfern. Jeder von ihnen leitet das Ressort, das der jeweiligen Qualifikation entspricht. Von so einer Konstellation können selbst manche Bundesligisten träumen.
Wie sah die finanzielle Planung für den Neubeginn aus?
Commandeur: Wir mussten schnell eine Planung machen – denn die war nicht vorhanden. Wir haben genau aufgezeigt, was man braucht. So haben wir auf Monatsbasis eine Liquiditäts- und Ertragsplanung gemacht. Mit diesem ersten Plan sind wir in die Sponsoren-Gespräche gegangen. Denn die potenziellen Geldgeber wollten schließlich wissen, welche Summen man als Verein überhaupt benötigt.
Sehen Sie alle erheblichen Mängel aus der Vergangenheit behoben?
Commandeur: Ja. Jetzt muss der Verein nur noch sportlich bestehen. Aber darauf habe ich keinen Einfluss (lacht).
Wie war Ihr erster Eindruck, als Sie Ihre Arbeit bei der SG Wattenscheid 09 aufgenommen haben?
Commandeur: Ich möchte niemanden verunglimpfen, da ich die Gründe für das Verhalten einzelner Personen nicht kenne. Aber im Wesentlichen habe ich im Verein keine Führung gespürt. Und auch das Bestreben, Verantwortung zu übernehmen, war nicht da. Der einzige, der wirklich von Beginn an mitgewirkt hat und immer noch mitwirkt, ist ein Urgestein des Vereins.
Rechtsanwältin Kristin Brocker, die seit Dezember zum Aufsichtsrat des Vereins gehört, arbeitet in der gleichen Kanzlei wie Sie. Sie bleibt dem Verein also verbunden. Sie auch?
Commandeur: Dass Frau Brocker zum Aufsichtsrat gehört, war vom Vorstand so gewünscht. Sie wollten in dem Gremium gern juristisches Know-How haben. Was meine Person betrifft, so kann ich sagen, dass ich bereits vor meiner Arbeit in Wattenscheid Interesse am Fußball hatte und es auch weiterhin habe. Und ich muss zugeben, dass mir der Verein in der Zeit ans Herz gewachsen ist. Sobald es möglich ist, werde ich mir sicher ein Spiel der Mannschaft anschauen.