Wattenscheid. Hart trainieren derzeit die Leichtathleten des TV Wattenscheid. Nur zwölf dürfen den Olympiastützpunkt nutzen. Eine Hoffnung: eine late season.
Am Montag war Wettkampf-Premiere. Normalerweise. Ein Aufgalopp im Trainingslager in Florida wäre das gewesen für die Sprinter des TV Wattenscheid 01. Stattdessen trainieren sie daheim; die Besten immerhin auch im Lohrheidestadion oder im Kraftraum am Olympiastützpunkt, alle anderen nach Trainingsplänen für sich. „Es ist viel Eigenverantwortung gefragt“, weiß Andre Ernst.
Seit mehr als zehn Jahren ist Ernst, 52, Sprinttrainer beim Leichtathletik-Spitzenklub, eine Situation wie diese hat er natürlich noch nicht erlebt. Den meisten seiner Athleten schreibt er jeden Morgen digital ein Pensum auf, die Halde sollen sie hinaufrennen zum Beispiel oder auch ein Krafttraining absolvieren mit einfacheren Mitteln. Als Trainer aber kann er nicht eingreifen, nicht helfen, nicht motivieren, „das ist viel Kopfsache für die Athleten“, sagt Ernst – auch mit Blick auf die Ziele. Welche Ziele?
Viele starke Leichtathleten dürfen das Stadion weiterhin nicht benutzen
Ernst betreut zwei Gruppen zurzeit. Sieben Sprinter wie etwa Maurice Huke und Synthia Oguama, die bei einer DM ganz vorne mitlaufen können, arbeiten seit Mitte März wegen der Coronavirus-Epidemie weiterhin in diesem einsamen Homeoffice. Die Athleten des Olympia- und Perspektivkaders dagegen, zwölf sind das am Olympiastützpunkt in Wattenscheid, können seit einer ersten Öffnung für den Profisport auch jenseits des Bundesliga-Fußballs die Trainingsstätten nutzen unter strengen Auflagen.
Halbmarathon: Schon über 150 Anmeldungen
Der Stadtwerke-Halbmarathon durch die Bochumer City soll wie berichtet stattfinden, womöglich unter diversen „Corona“-Auflagen. Auch, um „ein Zeichen zu setzen, positiv nach vorn zu schauen“, so Mitorganisator Sebastian Kraus. Sollte es doch nicht klappen, können Angemeldete ihren Beitrag zurückerhalten oder ihn geltend machen für den Lauf 2021.
Bereits bis zum Montag hatten sich mehr als 120 Aktive online angemeldet für den Halbmarathon, für alle Läufe des Events mehr als 155. Anmeldung (Einzelstarter Halbmarathon: 25 Euro): https://my.raceresult.com/147966/
Hygiene hat natürlich oberste Priorität, und nur zu zweit dürfen sie im Stadion oder Kraftraum sein. Also Trainer und Athlet. Eine Ungleichbehandlung etwa zum Profifußball, wie Michael Huke, der Manager des TV Wattenscheid 01, anprangert, denn dort sind – mit Abstandsregelungen – größere Gruppen erlaubt. „In unserer Halle und erst Recht im Stadion ist genug Platz“, sagt Huke.
Michael Huke hofft auf schnelle Lockerung der Maßnahmen
Der Spitzenfunktionär der deutschen Leichtathletik hofft auf eine baldige weitere Lockerung, auch für Athleten aus der zweiten Reihe, die national ja immer noch in der ersten Reihe stehen. Und schnellstmöglich auch für weitere Kräfte: Allein von der U16 aufwärts - ab dieser Altersklasse gibt es Deutsche Meisterschaften - betreut der TV Wattenscheid 01 rund 120 Aktive, insgesamt sind es 400. Die Kinder und Jugendlichen werden per Apps und Videos von ihren Trainern betreut – mehr geht zurzeit nicht, wie bei anderen Sportvereinen auch.
Diese zwölf Spitzenathleten dürfen die Möglichkeiten am OSP nutzen
Zwölf Spitzen-Athleten des TV 01 immerhin genießen mehr Trainingsfreiheiten. Die beiden Ernst-Schützlinge Robin Erewa und Philipp Trutenat, Hürdensprinterin Pamela Dutkiewicz, Julia Ritter, Hanna Meinikmann und der Olympia-Dritte Daniel Jasisnki (Kugelstoßen/Diskus), die bereits für Olympia 2021 qualifizierten Marathonläufer Hendrik Pfeiffer und Amanal Petros, die Mittel- und Langstreckenläufer Nils Vogt und Marius Probst sowie die Hochspringer Christine Honsel und der für Soest startende Falk Wendrich. TV-01-Wurftalent Timo Northoff trainiert in Bielefeld. Positiv: „Trotz des derzeit sehr intensiven Trainings sind alle Athleten fit“, sagt Huke. Im Vorjahr hatte den TV Wattenscheid 01 ja ein enormes Verletzungspech durchgeschüttelt, unter anderem fiel die WM-Dritte Pamela Dutkiewicz fast komplett aus.
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Andre Ernst coacht derzeit also im Wechsel Robin Erewa und Philipp Trutenat, noch nach einem Programm, das für Ende April recht normal ist, also „sehr hart“. Nur: eine normale Sommer-Saison findet ja nicht statt. Die Olympischen Spiele in Tokio, die Europameisterschaften in Paris, die großen Meetings sind abgesagt, teils verschoben. Andre Ernst sagt: „Die Ziele rücken aus dem Blickfeld, gleichzeitig müssen sich die Sportler aber durch das derzeit sehr harte und umfangreiche Programm quälen.“
Leichtathleten hoffen noch auf eine „late season“ im September
Ganz aufgegeben haben die Leichtathleten die Saison aber noch nicht. Die Deutsche Meisterschaft wurde zunächst in den September verschoben, ob sie stattfinden wird, ist offen. Michael Huke hält davon nichts. „Meisterschaften in dieser Saison wären eine Farce“, sagt er. So gebe es auch innerhalb Deutschlands unterschiedliche Voraussetzungen, in Bayern etwa darf aktuell noch gar keiner trainieren, „es gibt keine Gleichbehandlung“, moniert Huke. Zudem: Auch im September ist ja mit Einschränkungen zu rechnen.
Sportliche Wettkämpfe jenseits von Meisterschaften aber, betont Huke, wären wünschenswert in einer „late season“ im September, in einer späten Saison. „Sonst fehlt ein komplettes Jahr die Wettkampfpraxis.“
Hier könnten Athleten etwa im Sprint auch jede zweite Bahn mal freilassen. Huke denkt an größere Meetings wie in Dessau und an kleinere Events; man kann die Disziplinen wie Wurf und Lauf und Sprung ja auch voneinander abkoppeln. Auch im Lohrheidestadion könnte sich der Wattenscheider Manager solch einen Wettkampf vorstellen. Konkretere Pläne dazu könne es aber frühestens im Mai geben, wenn die Politik in die entsprechende Richtung Signale geben würde.
Ansonsten gilt es: fit halten, durchhalten, die Olympischen Spiele sollen ja 2021 stattfinden, nun ja: vielleicht zumindest. Andre Ernst sagt: „Wir müssen dieses Jahr meistern und weiter nach vorne blicken.“