Essen. Essener Handballer zwingen Spitzenreiter Flensburg-Handewitt beim 28:29 fast in die Knie. Starke Leistung macht zumindest Mut im Abstiegskampf.

Das war nicht leicht zu verdauen für die Gastgeber. „Meine Gefühlslage ändert sich alle zehn Sekunden zwischen unglaublich stolz und richtig enttäuscht“, brachte es Trainer Jamal Naji nach dem Heimspiel gegen Spitzenreiter auf den Punkt. Tusem Essen bot der SG Flensburg-Handewitt über 60 Minuten einen harten Kampf und spielte gegen eine der besten Mannschaften der Welt auf Augenhöhe, verlor am Ende aber knapp mit 28:29 (14:15).

Das größte Lob für die Gastgeber gab es schon vor dem Anpfiff. Flensburgs Trainer Maik Machulla betitelte die Mannschaft von der Margarethenhöhe als „besten Aufsteiger der letzten Jahre“. Ihm gefalle vor allem, dass die Essener auch gegen die großen Teams der Liga mitspielen wollen und nicht einfach nur hart verteidigen.

Essener Deckung arbeitet hervorragend

Dass der Tusem aber auch das kann, bewies er in der ersten Halbzeit gegen den Tabellenführer eindrucksvoll. Der Abwehrwall hielt den heranstürmenden Norddeutschen Stand und brach nicht ein. Dennoch machte Flensburg ein paar Lücken aus, in die vor allem Jim Gottfridsson oder Goran Sogard mit viel Tempo hineinstießen.

Dies gelang allerdings nicht so häufig wie erwartet. Denn die Essener hatten ihre Arme überall: mal am Ball, mal am Gegner – und oft einfach im Weg. Jede gelungene Abwehraktion der Hausherren feierten sie und holten sich dadurch Selbstvertrauen.

Im Angriff Rühe und Übersicht behalten

Im Angriff behielt der Abstiegskandidat Ruhe und Köpfchen. Alles lief über Justin Müller, der durch den Rückraum wirbelte wie ein Fuchs durch den Wald. Und das ist schon fast wörtlich zu nehmen, denn gegen den flinke Rückraumspieler sahen die hochgewachsenen Verteidiger der SG aus wie statische Bäume. Teilweise bewegten sie sich auch so, weshalb der Tusem auch an Toren auf Augenhöhe blieb.

Wieder freigespielt: Der Essener Kreisläufer Auge in Auge mit dem Flensburger Keeper Benjamin Buric.
Wieder freigespielt: Der Essener Kreisläufer Auge in Auge mit dem Flensburger Keeper Benjamin Buric. © Unbekannt | Michael Gohl

Erfreulich aus Sicht des krassen Außenseiters war die Rückkehr von Dennis Szczesny, der durch eine Schulterverletzung fünf Wochen lang pausieren musste. Und der 27-Jährige tat so, als wäre er nie weggewesen. Szczesny fügte sich direkt gut ein und war selbst zweimal erfolgreich.

Gastgeber mit viel Emotion und Mentalität

Die Flensburger Defensive wirkte nicht so sattelfest, wie man es von einem Spitzenreiter gewohnt ist. Den Tusem freute es, denn er musste dank einer engagierten Leistung gegen den haushohen Favoriten nur mit einem knappen 14:15-Rückstand in die Kabine gehen.

Was in der zweiten Halbzeit in der Sporthalle „Am Hallo“ auf der Platte zu sehen war, dürfte in die Sachbücher unter dem Kapitel „Emotionalität und Mentalität“ eingehen. Ein nahezu perfektes Fallbeispiel für das, was eine richtige Einstellung bewegen kann.

Favorit konnte sich keine Pause gönnen

Der Tusem zeigte weiterhin Kämpferherz und sammelte von Tor zu Tor mehr Hoffnung. Flensburg dagegen hatte viel Mühe und wirkte teilweise überfordert mit der starken Essener Hintermannschaft und deren quirliger Offensive. Die Gastgeber ließen sich zu keinem Zeitpunkt abhängen und zwangen den Riesen fast in die Knie.

Die Tatsache, dass die Flensburger über die volle Distanz mit ihrer besten Sieben spielen mussten, sprach Bände. Immer wieder rannten sie sich fest, zudem bekamen die Torhüter keine Hand an den Ball. Der Tusem war dem Wunder sehr nah, weil fast alles nach Plan lief.

Leidenschaft könnte im Abstiegskampf helfen

Erst in den Schlusssekunden sorgte der Siebenmeter vom schwedischen Vize-Weltmeister Hampus Wanne für die Entscheidung. „Wir haben ein mega gutes Spiel gemacht“, war Essens Justin Müller stolz, „aber das Ergebnis ist dann doch echt bitter.“

Dennoch, dieser Auftritt dürfte Mut geben für das kommende Spiel in Balingen, dem direkten Konkurrenten im Abstiegskampf. Mit der gleichen Leidenschaft wie gegen Flensburg sollte dort einiges möglich sein.

So haben sie gespielt

Tusem Essen – SG Flensburg-Handewitt 28:29 (14:15).

Tusem: Bliß, Fuchs; Beyer (7/4), Rozman, Durmaz, Becher, Ignatow (1), Szczesny (2), Müller (6), Firnhaber (1), Seidel (1), Morante (4), Klingler (1/1), Wolf, Ingenpaß, Zechel (5).

Flensburg: Buric, Bergerud; Golla (3), Jensen (1), Svan (1), Wanne (3/3), Jondal (3), Steinhauser, Mensah (1), Sogard (6), Gottfridsson (8/2), Holpert, Petersson (1), Rod (2).

Siebenmeter: 5/5 – 5/9.

Strafminuten: 6 – 6.

Schiedsrichter: Fedtke/Wienrich (beide Berlin).

Spielfilm: 1:2 (5.), 5:4 (12.), 6:7 (17.), 9:11 (23.), 13:13 (28.), 14:15 (30.) – 17:17 (35.), 18:20 (40.), 21:20 (43.), 23:26 (50.), 25:26 (55.), 28:29 (60.).

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