Essen. Frauenfußball-Bundesligist steht Konkurrenz gegenüber, die immer professioneller aufgestellt ist. Wie lange kann man das noch kompensieren?

Der Saisonstart in die Frauenfußball-Bundesliga ist der SGS Essen mit dem 1:1 gegen den ambitionierten Aufsteiger 1. FC Köln geglückt. „Jetzt wissen wir erst einmal, wo wir stehen“, erklärte Trainer Markus Högner nach dem Abpfiff. Denn die Domstädterinnen sind ein gutes Beispiel dafür, was in der Liga gerade passiert: Immer mehr Lizenz-Vereine mit einem starken Männer-Bundesligisten im Rücken mischen die Eliteliga auf oder sind gerade auf dem Weg dorthin.

Selbst Borussia Dortmund und Schalke 04 haben sich eine Frauen-Abteilung zugelegt. Bis in Liga eins ist es für sie aber noch weit. RB Leipzig könnte aber schon in der kommenden Saison ankommen. In Essen sieht man diese Entwicklung nicht ohne Sorge. „Das wird ein echter Kraftakt, sich weiter in der 1. Bundesliga zu behaupten“, weiß der SGS-Aufsichtsratsvorsitzende Dirk Rehage. „Aber wir werden ja schon seit zehn Jahren totgesagt.“

SGS Essen ist allen Unkenrufen zum Trotz putzmunter

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Den Unkenrufen zum Trotz ist die SGS sportlich aber putzmunter und bestreitet aktuell ihre 18. Saison in Folge im Oberhaus. „Wir sind so etwas wie das gallische Dorf der Bundesliga“, findet Rehage. Denn gerade vor dem Hintergrund, dass die SGS Jahr für Jahr mit einem im Vergleich zur Konkurrenz bescheidenen Etat auskommen muss, ist der hartnäckige Verbleib im Kreis der nationalen Elite eine gewaltige Anerkennung wert.

„Ich denke, dass wir auch in dieser Spielzeit drei, vier Teams hinter uns lassen werden“, prognostiziert der Aufsichtsratschef. „Entscheidend ist, dass wir immer wieder von unten nachschieben können.“

Nachwuchsarbeit ist eine Art von Lebensversicherung

Von „unten“ ist die eigene Jugend gemeint. Denn auf die Ausbildung ist die SGS angewiesen. Mehr als zwei Jugendspielerinnen schaffen durchschnittlich pro Saison den Sprung in die 1. Liga. Trainer Högner versteht es, aus den Talenten Spielerinnen mit Erstliga-Format zu formen.

SGS in Leverkusen

Am Sonntag reist die SGS Essen zu Bayer Leverkusen (14.30 Uhr), das die Vorteile eines Lizenz-Vereins im Hintergrund ebenfalls zu schätzen weiß.Dennoch sieht sich die SGS im zweiten und bereits letzten NRW-Duell der Saison nicht chancenlos. Mit einem weiteren Punkt könnte Trainer Markus Högner wohl gut leben.

Das zweite Bein der Essener „Lebensversicherung“ ist das Scouting von Jugendkoordinator Christian Kowalski. „Er kennt jede Spielerin ab elf Jahren im Umkreis von 240 Kilometern“, weiß Rehage. Und von der guten Arbeit in Essen profitiert letztlich auch der DFB: Lisa Weiß, Marina Hegering, Sara Doorsoun, Jana Feldkamp, Nicole Anyomi, Linda Dallmann, Lea Schüller, Lena Oberdorf und Turid Knaak schafften alle im SGS-Trikot den Sprung in die Nationalmannschaft.

Trainer Markus Högner von der SGS Essen hat ein Händchen bei der Förderung von Talenten.
Trainer Markus Högner von der SGS Essen hat ein Händchen bei der Förderung von Talenten. © Unbekannt | Michael Gohl

Nimmt man die Niederländerin Dominique Janssen noch dazu, wäre das eine Elf, die wohl auch dem VfL Wolfsburg und dem FC Bayern an der Tabellenspitze Paroli bieten könnte. Es kam aber anders.

Es fehlte eine halbe Million, um Mannschaft zu halten

„Wir waren mit diesen Spielerinnen erfolgreich, sind in den Fokus der Top-Klubs geraten und wurden leergekauft“, bilanziert Rehage. Wobei „leergekauft“ nicht ganz stimmt, denn die meisten sind ohne Ablöse weitergezogen. Eine Ausbildungsentschädigung gibt es im Gegensatz zu den Männern nicht. Nach der Saison 2019/20 traf es die SGS besonders hart.

Gerade erst hatten die Essenerinnen im DFB-Pokalfinale im Elfmeterschießen gegen Wolfsburg die Sensation verpasst, da verließen auf einen Schlag vier Nationalspielerinnen den Verein: Hegering und Schüller zog es zum FCB, Oberdorf ging nach Wolfsburg und Knaak schloss sich Atletico Madrid an. „Im Prinzip hat uns da eine halbe Million gefehlt, um diese Mannschaft zusammenzuhalten“, so Rehage.

Seit dem Erstliga-Aufstieg vor 18 Jahren hat die SGS ihren Etat zwar vervierfacht, das Budget der Top-Klubs ist aber wohl noch zehn Mal höher. In Wolfsburg oder Bayern ist eine Spielerin Profi und verdient ein Vielfaches mehr als eine Spielerin in Essen, die vom Fußball allein nicht leben kann. Vom DFB wird dieses Profitum noch gefördert, weil man darin offenbar eine Aufwertung des Frauenfußballs sieht.

Für einen Punkt geringsten finanziellen Aufwand

Essen definiert es anders. „Für mich zeigt sich die Professionalität darin, wie ich mit dem umgehe, was ich zur Verfügung habe“, findet SGS-Manager Florian Zeutschler. Dem folgend müsste die SGS den meisten anderen Erstligisten als Vorbild dienen. Denn setzt man Punkte und Etat ins Verhältnis, sieht man, dass die Essenerinnen für einen Zähler der Eliteliga den geringsten finanziellen Aufwand betreiben müssen.

Und doch wünscht man sich an der Ardelhütte auch etwas mehr finanziellen Spielraum, um sportlich wieder weiter oben angreifen zu können. „Dafür müssten wir unsere Truppe nur mal drei Jahre zusammenhalten können“, weiß Rehage. Ansonsten wird die Frage irgendwann sein, wie lange sich die SGS noch gegen die Entwicklungen in der Liga stemmen kann, um den Standort Essen zu halten.

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