Bottrop. In unserer Serie erinnert sich Helmut Beckfeld an seine Jugend im Revier und erklärt, warum sein Weg nicht zum Anti-Terror-Einsatzkommando führte.

Kein Spaziergang, sondern eine Fahrradtour stand für die jüngste Folge von „Walk & Talk“ auf dem Programm. Ich traf mich mit Helmut Beckfeld (75) zu einer kleinen Rundreise durch Bottrop, hin zum Malakoffturm und zurück. Helmut Beckfeld ist leidenschaftlicher Fotograf und begleitet seit Jahren die Fußballteams von Fortuna Bottrop und die Leichtathleten von LC Adler Bottrop.

Helmut Beckfeld und ich treffen uns am Hauptbahnhof, er mit seinem hochmodernen E-Bike, ich in Ermangelung eines eigenen Fahrrades mit einem geliehenen Mountain-Bike. Mein letztes Rad hatte im Winter ohne meine Einwilligung über Nacht den Besitzer gewechselt. Wir begrüßen uns und machen uns direkt auf den Weg Richtung Prosper II, zum denkmalgeschützten Malakoffturm.

Dabei fällt schnell auf: Helmut Beckfeld ist topfit, und das ist keine Überraschung. Seit vielen Jahren macht er ausgiebige Radtouren, die ihn in viele Teile Deutschlands und genauso ins Ausland geführt haben. An der letzten Steigung keuche ich ein wenig, wir machen eine erste kurze Rast. Schnell finden wir erste Gemeinsamkeiten: Wir haben eine Bergbauvergangenheit, wir lieben den Ruhrpott. Doch der hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Auch der Teil von Bottrop, in dem Beckfeld aufgewachsen ist.

„Früher war dort überall freies Feld“

„Wir sind ja vorhin da am Ostring entlang gefahren, dann die Beckstraße. Da sind heute überall Wohnhäuser. Früher war dort überall freies Feld. Ich habe da als Kind gespielt. Meine Freunde und ich, wir haben da Buden gebaut, Tunnel gegraben. Wir konnten den ganzen Tag alles machen, wir waren schon sehr frei“, erinnert sich Beckfeld an seine Kindheit mitten im Ruhrgebiet.

„Diese Freiheit, die wir damals hatten, die fehlt heute den Kindern, aber die Kinder heute haben wahrscheinlich auch ein anderes Bewusstsein, die haben Handys und Laptops. Das ist für mich nur eine scheinbare Freiheit, da fehlt mir die Bewegung. Das zeigt sich ja auch daran, dass viele Kinder unter einem Mangel an Bewegung leiden. So etwas wie Bewegungsmangel gab es zu der Zeit, als ich Kind war, ganz einfach gar nicht. Wir waren immer draußen, haben auf der Straße Fußball gespielt und sind richtig dreckig nach Hause gekommen.“ erzählt er lachend.

Früher Lebensmittelpunkt für Tausende, auch Helmut Beckfeld malochte viele Jahre auf dem Pütt.
Früher Lebensmittelpunkt für Tausende, auch Helmut Beckfeld malochte viele Jahre auf dem Pütt. © Unbekannt | Felix Hoffmann

Doch Helmut Beckfeld ist keiner, der die Vergangenheit verklärt und das Früher besser als das Heute findet, auch wenn wir noch ein bisschen in der Vergangenheit verweilen. Schwärmend erzählt er von seinen Sonntagen, da ging es immer ins Bali-Kino an der Beckstraße, Tarzan, Zorro, das waren die Helden von Helmut Beckfeld damals und er erinnert sich gerne daran.

In seiner Jugend war Helmut abenteuerlustig. Aus einer Bergarbeiterfamilie stammend, war der berufliche Weg vorgezeichnet, Ausbildung zum Energieanlagenelektroniker bei Siemens und von da aus ab auf den Pütt. „Ich brauchte immer Action. Und ich war ziemlich furchtlos. Deshalb bin ich auch beim Bundesgrenzschutz gelandet. Ich war damals an der innerdeutschen Grenze bei Helmstedt und Marienborn, von 1968 bis 1971, zu einer richtig heißen Phase.“

Das gefiel ihm: „Und dann wollte ich zur GSG 9, Anti-Terror-Einsatzkommando. Aber da hat meine Frau interveniert“, gibt er augenzwinkernd preis. „Aber so ganz vom Nervenkitzel konnte ich die Finger doch nicht lassen, deshalb bin ich unter Tage dann auch zur Grubenwehr. Mit den Kollegen von damals habe ich auch heute noch Kontakt, vielleicht treffen wir gleich noch jemanden von damals“, erfahre ich von Helmut, bevor wir uns wieder in den Fahrradsattel schwingen und die letzten Meter zum Malakoffturm fahren.

Vor dem Turm bleiben wir kurz stehen, ich drehe mir eine Zigarette und Helmut erklärt beiläufig: „Ich bin froh, dass ich vor vielen Jahren aufgehört habe. Lass es sein, ist echt besser.“ Und ja, da hat er Recht, denn was die Fitness angeht, kann ich mit dem ehemaligen Steiger nicht mal ansatzweise mithalten.

Vieles dreht sich noch um den Pütt

Dann sitzen wir im Turm bei gemütlichem Klönschnack mit alten Arbeitskollegen. Hier dreht sich alles immer noch um den Pütt und um den Turm, um dessen Erhaltung sich die ehemaligen Bergleute mit viel Liebe und Engagement kümmern. Der Malakoffturm, ein Baudenkmal aus einer Zeit, als der Ruhrpott noch grau, rußig und dreckig war.

Eine Zeit, die Helmut miterlebt hat: „Ich habe die Verschmutzung früher gar nicht so wahr genommen, wir sind ja damit groß geworden, das war ja Normalität, aber das grüne Ruhrgebiet heute finde ich natürlich toll. Gerade für mich als Radfahrer. Wir haben mittlerweile so viele tolle Radwege. Das nutze ich natürlich.“

Im Gespräch mit WAZ-Mitarbeiter Kai-Uwe Müller: Helmut Beckfeld erinnert sich gerne an seine Jugendzeit in Bottrop.
Im Gespräch mit WAZ-Mitarbeiter Kai-Uwe Müller: Helmut Beckfeld erinnert sich gerne an seine Jugendzeit in Bottrop. © Felix Hoffmann | Felix Hoffmann

Doch auch zu Fuß ist Helmut immer wieder unterwegs gewesen, das Joggen hat er wegen einer Meniskus-Operation mittlerweile durch Nordic Walking ersetzt, in jüngeren Jahren hat er sich auch schon mal an einem Marathon versucht. „Aber da habe ich nach 19 Kilometern aufgeben müssen, da ging nix mehr“, gibt er zu.

Unser Gespräch wandert vom Fotografieren hin zum Sport, geht über zur Musik und landet bei einem seiner unvergesslichen Urlaubserlebnisse. „Das muss 1971 gewesen sein, da war ich mit meiner Frau das erste Mal auf Formentera.“ Warum Formentera, möchte ich wissen, denn die Insel war in den 1970er Jahren ja noch weitgehend unbekannt.

Helmut Beckfeld lacht und legt los: „Meine Frau hatte immer das Bedürfnis, etwas Besonderes zu machen, weil ich eben auch eine besondere Frau habe. Und die wollte nach San Fernando, dem damaligen Hippie-Zentrum auf Formentera. Und es war einfach umwerfend dort. Die Strände waren damals noch menschenleer. Wir also dort ab zum Strand und so wie der liebe Herrgott uns schuf, ab ins Meer. Auf einmal kam da die Guardia Civil, wir also mucksmäuschenstill im Sand, leicht versteckt, so dass sie uns nicht entdecken. Man darf nicht vergessen, Spanien war damals sehr katholisch. Und der Diktator Franco war da an der Macht, mit denen war nicht zu spaßen. Aber die haben uns nicht entdeckt, es ging alles gut. Wir haben da viele Freundschaften geschlossen und uns mit den Leuten viele Jahre immer wieder getroffen.“

Doch jetzt noch einmal zurück zum Sport, zurück zum Fußball. Sein Herz hat Helmut Beckfeld nach seiner aktiven Zeit an Fortuna Bottrop verloren. Über den Umweg Tennis bei Glückauf Bottrop landete er bei Fortuna, wo er regelmäßig die Spiele der Mannschaften schaute. So ergab es sich, dass er kurz später einen Trainerposten für die D-Jugend übernahm. Nach ein paar Jahren war allerdings der Trainerposten mit seinen anderen Aufgaben als Familienvater, als Werktätiger und zusätzlich dazu noch die Steigerschule nicht mehr zu vereinbaren, so dass der Fußball für ein paar Jahre pausieren musste.

Fortuna steht immer wieder im Fokus

Doch alte Liebe rostet nicht. Nachdem sich der berufliche Stress etwas gelegt hatte, kam Fortuna fast automatisch wieder in den Fokus, begleitet von der Leidenschaft für die Leichtathletik und den LC Adler Bottrop. Für beide Vereine ist Helmut mit der Kamera aktiv und unterstützt mit seinen Fotoarbeiten beide Clubs. Spannend fand er die leider abgebrochene Bezirksliga-Saison 20/21: „Ja, das war schon toll, wie gleich drei Bottroper Vereine da ganz oben mitgemischt haben. VfB, Fortuna und Rhenania auf den ersten drei Plätzen, das hätte ich schon gerne miterlebt, wie dieses Rennen ausgegangen wäre. Und vor allem: da wurde richtig guter Fußball gespielt. Mal sehen, wer in der neuen Saison oben mitmischen kann, ich freue mich drauf.“

Helmut Beckfeld und ich schieben jetzt gemütlich unser Rad, noch ein kurzer Stopp am Eiswagen und dann neigt sich ein spannender und interessanter Tag zur Neige, der bei Gelegenheit sicher eine Fortsetzung findet. „Wir sehen uns auf dem Sportplatz“, lautet die Verabredung für die neue Saison.

Die bisherigen Folgen der Serie „Walk & Talk“:

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