Soest/Tokio. Eine Medaille sollte her, aber in Tokio platzten die Staffelträume von Gina Lückenkemper und Co. Bei der Schuldfrage ist man sich nicht einig.

„Ich bin der Meinung, dass ich schon pünktlich losgelaufen bin.“ Diesen Satz sagte Gina Lückenkemper unmittelbar nach dem Staffelfinale über 4 x 100 Meter bei den Olympischen Spielen in Tokio in der ARD. Auf dem fünften Platz beendete das Quartett des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV) das Rennen und verpasste damit die erhoffte Medaille. Der Grund dafür stand schnell fest. Es war der dritte Wechsel von Tatjana Pinto auf die zwischen Anreise nach Japan und Staffelstart von der Ersatz- zur Schlussläuferin gewordene Lückenkemper. Wer falsch agierte – darüber allerdings gingen anschließend die Meinungen auseinander.

Jamaika holt Gold

„Das ist der Schlüssel zum Erfolg, wenn du vernünftig wechselst. Das ist die Chance, die wir heute haben“, sagte ARD-Experte Frank Busemann unmittelbar vor dem Staffelfinale, in welches das deutsche Quartett durch einen Sieg im Vorlauf in 42,00 Sekunden souverän eingezogen war. Nach dem vierten Platz bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 sollte in Tokio in der Besetzung Rebekka Haase, Alexandra Burghardt, Tatjana Pinto und Gina Lückenkemper der Sprung auf das Treppchen, auf mindestens Rang drei hinter den Top-Favoritinnen aus Jamaika und den USA gelingen.

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Und tatsächlich ging Gold erstmals seit 2004 an Jamaika, das in der drittbesten je gelaufenen Zeit von 41,02 Sekunden den Weltrekord der USA (40,82) um zwei Zehntel verpasste. Silber ging an die US-Amerikanerinnen (41,45) vor Großbritannien (41,88). Das deutsche Quartett lag lange auf Kurs Bronze – scheiterte aber beim Wechsel von Pinto auf Lückenkemper und belegte in 42,12 Sekunden Platz fünf.

Das sagt Pinto

„Ich habe gemerkt, dass der Abstand etwas größer war als sonst, deshalb habe ich dann stopp gerufen“, erklärte Pinto nach dem Rennen in der ARD: „Das war es natürlich dann. Gina musste rausnehmen. Bis dahin lagen wir echt gut. Die Mädels haben echt einen guten Job gemacht. Wir haben alles gegeben. Wir wollten eine Medaille.“

In der ersten Enttäuschung wollte Lückenkemper die Schuld, wenn man denn von einer Schuld sprechen kann, offenbar nicht alleine bei sich sehen. Als sie im ARD-Interview an der Reihe war, erklärte die 24-Jährige deshalb: „Ich bin der Meinung, dass ich schon pünktlich losgelaufen bin. Aber ich habe mich auch heute schon im Warm-Up tausendmal besser getroffen als gestern. Wenn man sich trifft, dann geht halt die Post ab.“

Das sagt Lückenkemper

Dass Pinto nicht hätte rufen sollen, das brachte die für den SSC Berlin startende Wahl-Bambergerin anschließend zum Ausdruck: „Nachdem wir gestern so einen Auffahrunfall an dem Wechsel hatten, war es natürlich extrem ungewohnt für Tatjana, dass ich da halt auf einmal losgeschossen bin. Ich glaube, wenn wir versucht hätten, das Ding durchzuziehen ohne ein Stopp, dann wäre es echt echt eng geworden. Es hätte klappen können. Es hätte aber auch daneben gehen können, dass wir mit einem dq (für disqualifiziert; Anm.d.Red) dagestanden hätten. Wenn meine anlaufende Läuferin Stopp ruft, dann heißt das definitiv den Anker werfen. Es ist... scheiße“, sagte sie.

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Dem DLV-Quartett fehlten in 42,12 Sekunden zu Bronze 24 Hundertstel. „Wir haben alles gegeben. Natürlich ärgern wir uns“, sagte Haase in der ARD. Die bislang letzte deutsche Medaille hatte die Frauen-Staffel der DDR mit Silber 1988 in Seoul gewonnen. 2016 in Rio waren Haase, Lückenkemper und Pinto mit Lisa Mayer Vierte geworden.