Wattenscheid. Sportlich läuft es bei der SG Wattenscheid 09. Dauerthema aber bleibt die Liquidität. Die wird von einem Kreditinstitut in Frage gestellt.

Die SG Wattenscheid 09 bleibt meldungsstark. Der Fußball-Oberligist präsentiert in schöner Regelmäßigkeit Nachrichten über die Verpflichtung von neuen Spielern oder die Vertragsverlängerung mit Spielern, die bereits für die Wattenscheider spielen. Es sind gute Nachrichten. Aber es gibt auch weniger gute Nachrichten und es gibt richtige Ärgernisse, wie Sportvorstand Christian Pozo y Tamayo (40) im WAZ-Interview verrät.

Wenige Stunden nach dem Interview-Termin schickt er einen Link. Dahinter: der Zugriff auf ein emotionales Video, aufwendig produziert von Mitarbeitern des Fußball-Oberligisten SG Wattenscheid 09. Was es damit auf sich hat, wie die Stimmungslage rund um das Lohrheidestadion ist und welche Ärgernisse es gibt, erklärt Pozo y Tamayo.

Herr Pozo y Tamayo, wir sitzen im Lohrheidestadion. Was geht Ihnen gerade durch den Kopf?

Christian Pozo y Tamayo: Ich werde immer, wenn ich hier bin, wehmütig. Das Stadion ist schön, keine Frage. Es hat Kultstatus. Aber im Moment überwiegt die Trauer darüber, dass nichts geht.

Trotzdem sind viele schöne Gedanken mit dem Verein verbunden.

Selbstverständlich. Auch wenn uns die Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht hat: Ich bereue keine Sekunde der Arbeit, die wir hier reingesteckt haben. Die Rettung des Vereins hat sich gelohnt.

Ist der Verein noch gerettet oder läuft bereits die nächste Rettung?

Christiano Pozo y Tamayo, Sportvorstand der SG Wattenscheid 09.
Christiano Pozo y Tamayo, Sportvorstand der SG Wattenscheid 09. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Ich habe das Gefühl, dass das gar nicht aufhört. Dabei geht es gar nicht in erster Linie darum, dass wir uns finanziell nicht gut aufgestellt haben. Uns wurde vielmehr ein Strich durch die Rechnung gemacht, so dass uns das Thema Liquidität stärker beschäftigt.

Was ist passiert?

Im September des vergangenen Jahres hatten wir ein Gespräch mit Vertretern der Sparkasse Bochum. Wir wollten gern ein Konto eröffnen, mit dem wir die Mitgliedsbeiträge einziehen können. Jetzt haben wir, nach dem wir viel ehrenamtliche Arbeit reingesteckt haben und auch schon alles unsererseits geklärt und sogar unterschrieben war, die Absage auf die Führung eins Lastschriftverfahrens bekommen mit der Begründung, das Risiko sei zu hoch.

Woher kommt diese Einschätzung?

Die Sparkasse musste wegen des Vereins einige Forderungen abschreiben, das ist uns bewusst. Allerdings resultierte das aus der Arbeit anderer Leute, die vor uns die Verantwortung im Verein hatten. Diese Entscheidung schadet uns aber in unser derzeitigen Situation. Denn ohne Mitgliedsbeiträge können wir den Laden dicht machen. Wir haben sogar Sicherheiten angeboten. Ohne Erfolg.

Und nun?

Wir sind sehr enttäuscht, die Sparkasse - wir sprechen hier über ein kommunales Unternehmen - lässt uns am langen Arm verhungern. Das ist ärgerlich, wenn man bedenkt, dass andere Vereine sogar ein Sponsoring bekommen. Uns verweigert man, das Lastschriftverfahren zu nutzen. Wir werden nun alles über die Volksbank hier in Wattenscheid abwickeln. Hier haben wir sogar zusätzlich eine Spende für unsere Nachwuchsabteilung erhalten. Nichtsdestotrotz hat das alles viel Zeit gekostet.

Die Aussage, dass die Pandemie dem Verein nichts anhaben kann, kam zu einem frühen Zeitpunkt. Ist diese Aussage weiterhin gültig?

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann ich versichern, dass die Spieler pünktlich ihr Gehalt bekommen. Da gehören wir, glaube ich, zu den Ausnahmen. Wir sind aktuell nicht in großen Problemen. Natürlich leiden wir aber auch unter der Unklarheit mit Blick auf die Zukunft.

Sind Sie trotzdem noch mit Herzblut bei der Sache?

Ich gebe ein Beispiel. Unsere Medienabteilung hat einen Film gemacht, den wir zum Beispiel Spielern zeigen, wenn wir mit ihnen verhandeln. und ich bekomme jedes mal aufs Neue Gänsehaut, auch wenn ich das Video mittlerweile mitsprechen kann. Mir wird dann immer wieder auf besondere Weise, wofür wir das gemacht haben, auch wenn wir jetzt eine Liga tiefer spielen.

Nervt Sie das Image des ehemaligen Pleite-Klubs, der jetzt den Neustart wagt?

Inzwischen interessiert mich das gar nicht mehr. Neulich habe ich in einer Agenturmeldung gelesen, dass wir immer noch ein insolventer Verein sind. Das ist ja nicht richtig. Aber ich fühle mich nicht genötigt, das an der entsprechenden Stelle anzumerken. Die Menschen hier rund um den Verein sehen das, was wir machen, positiv. Das ist relevant für uns.

Was war der wichtigste Meilenstein auf dem Weg dorthin?

Der erste war die bedingungslose Zusage von Norman Jakubowski, der zweite die Zusage von Trainer Christian Britscho. Ohne die beiden wären wir nicht da, wo wir sind. Sie haben große Netzwerke und nutzen sie für uns.

Welchen nächsten Meilenstein haben Sie sich gesetzt?

Wir wollen ein normales Jahr spielen, das wäre schön. Dann können wir weiterschauen.

Es ist eine Fortsetzung der Saison im Gespräch. Wie fit ist die Mannschaft?

Die Jungs sind gut drauf und haben die Zeit im Lockdown bisher so gut es irgendwie ging genutzt. Das ist zumindest der Eindruck, den wir haben.

Die vergangene Zeit in Wattenscheid war voller Veränderungen. Welche kommen noch?

Wir Vorstandsmitglieder arbeiten sehr viel. Wir wollen die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen und so vor allem die Verwaltung professioneller gestalten. Das kostet vermutlich Geld, aber ich hoffe, dass der Verein bald wieder in der Lage sein wird, das zu stemmen.

Was wird sich nie ändern?

Wir werden immer der ehemalige Bundesligist sein. Manchmal nervt das, manchmal macht uns das für den einen oder anderen Sponsor auch interessant. Es kann sein, dass es das Faustpfand ist. Aber wir brauchen ein anderes. Der Bundesliga-Aufstieg ist mehr als 30 Jahre her. Und dass wir die wohl beste Stadionwurst haben. Das wird sich auch nie ändern.

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Die Sparkasse Bochum äußerte sich zu dem konkreten Vorgang aufgrund des Bankgeheimnisses nicht, beantwortete die Anfrage der WAZ-Redaktion Bochum aber mit einer allgemeinen Auskunft: „Entscheidungen werden in unserem Hause grundsätzlich nicht willkürlich, sondern begründet getroffen.“

Kurz vor dem Wochenende informierte die SG Wattenscheid 09 über den Stand der Dauerkarten-Vergabe. Knapp 200 Reservierungen erreichten die Geschäftsstelle im Lohrheidestadion bis Freitagnachmittag. Am Donnerstag hatte der Oberligist mit der ersten Phase des Dauerkartenverkaufs begonnen.