Zagreb. . EM-Vorrunde endet ernüchternd für deutsche Handball-Europameister. Daniel Stephan erkennt eine Schwachstelle. Gegen Tschechien wird es ernst.

Die einen kamen, die anderen gingen. In der Empfangshalle des Teamhotels in Zagreb stand Nikola Karabatic, der wohl größte Handballstar der Welt, und plauderte mit seinen Teamkollegen. Die Atmosphäre war heiter. Frankreich war am Donnerstagmorgen als ungeschlagenes Team der Vorrundengruppe B in die kroatische Hauptstadt gekommen, um dort die Hauptrunde der Handball-Europameisterschaft zu bestreiten.

Auch die Deutschen stehen in der zweiten Runde des Turniers, für sie ging es an diesem Morgen aber ins rund eineinhalb Autostunden entfernte Varazdin im Norden Kroatiens. Entgegen der eigenen Erwartungen sind sie dorthin nur als Zweiter der Gruppe C gereist.

Hanning erlebt gedämpfte Atmosphäre

Und so wartete Bob Hanning, der gebürtige Essener und Vize-Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB), ungeduldig auf die Abfahrt des Mannschaftsbusses. Die Atmosphäre im deutschen Lager war gedämpft, die Vorrunden-Auftritte mit nur einem Sieg und zwei Unentschieden waren alles andere als eine Demonstration der Stärke.

Vor Hanning stand ein Glas Wasser. Der 49-Jährige fixierte es mit seinem Blick und stellte mit ernster Mine klar: „Wir müssen nun alle Spiele gewinnen. Aber für mich ist das Glas halbvoll.“ Demonstrierte Entschlossenheit vor der heißen EM-Phase: Heute kommt es im ersten von drei Hauptrundenspielen zum Duell mit Tschechien (18.15 Uhr/ZDF). Die Tschechen sind bisher die größte Überraschung des Turniers. In der Vorrunde schlugen sie Dänemark und Ungarn. Leichtfüßig und unbekümmert.

Die Tschechen traten auf wie Deutschland vor zwei Jahren, als der Außenseiter das Turnier gewann. Nun, 24 Monate später, fehlt dem deutschen Team Leichtigkeit.

DHB-Team überzeugt kämpferisch

„Wir haben uns alle mehr in der Vorrunde versprochen“, sagt Daniel Stephan. Der 44-Jährige ist als Zuschauer bei den deutschen EM-Spielen vor Ort. Die Fans erkennen ihn auf der Tribüne sofort, den gebürtigen Duisburger und langjährigen Spieler des einstigen Bundesligisten OSC Rheinhausen.

Den Welthandballer von 1998 und Europameister von 2004. Trotz unerfüllter Erwartungen: Stephan glaubt an die Wende. „Das Potenzial im Kader ist da. Der Halbfinaleinzug ist möglich, weil sich das Team noch steigern wird.“

Es gab durchaus Positives in der Vorrunde. Drei Teams sind noch ungeschlagen: Frankreich, Mazedonien – und die Deutschen. „Die Punktausbeute ist nicht optimal, aber wir haben die gleiche Ausgangslage wie Spanien und Dänemark in unserer Gruppe“, sagt Hanning. Auch die kämpferische Leistung stimmte seiner Meinung nach über weite Phasen. Beim lockeren 32:19-Sieg über Montenegro, aber vor allem beim 25:25 gegen Slowenien samt Aufholjagd und glücklicher Siebenmeter-Entscheidung. „Kämpferisch waren alle drei Spiele voll überzeugend“, meint auch Daniel Stephan.

Sicherheit durch Lemke

An anderer Stelle hakte es allerdings. Zunächst in der Abwehr, die gegen Montenegro kaum gefordert war und gegen Slowenien katastrophal agierte. Bundestrainer Christian Prokop reagierte, holte Finn Lemke aus Deutschland nach. Gegen Mazedonien stand die Abwehr wieder stabiler – auch dank der Präsenz des 2,10-Meter-Hünen Lemke. „Da hat der Bundestrainer seine Entscheidung richtig korrigiert“, meint Hanning. „Lemke ist international erfahren und der Anführer der Abwehr“, sagt auch Stephan. „Das Theater hätte man sich sparen können.“

Größere Sorgen aber macht der deutsche Angriff. „Wenn es mal nicht läuft, ist keiner da, der die Mannschaft mitnimmt. Im Rückraum fehlt ein Spieler mit Führungsmentalität“, sagt Stephan. Das Resultat: Viele Aktionen wirken verkrampft und hektisch. Es fehlen Struktur und Selbstvertrauen. „Wir müssen unsere innere Stärke wiederfinden“, sagt Hanning und blickt dabei auch auf Spielmacher Steffen Fäth und den Rückraumschützen Julius Kühn. „Fäth hat noch nicht abgerufen, was er kann. Auch Kühn kann mehr.“ Ohnehin gelte ab heute für alle: „Jeder muss sich steigern. Wir müssen jetzt liefern!“