Rouen. Beim ersten WM-Spiel der deutschen Handballer gegen Ungarn überzeugte Kapitän Uwe Gensheimer. Doch die Mannschaft ist als Kollektiv der Star.

Als Silvio Heinevetter die Treppe zur Lobby des Mannschaftshotels herunterkam, war er trotz seiner 1,94 Meter Länge schnell nicht mehr zu sehen. Dutzende Medienvertreter hatten sich um den Torhüter der Füchse Berlin versammelt, der neben Kapitän Uwe Gensheimer als Held aus dem Auftaktsieges der Deutschen Handball-Nationalmannschaft gegen Ungarn (27:23) hervorgegangen war.

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Heinevetter (32) beantwortete geduldig die zahlreichen Fragen, Gensheimer bevorzugte weiterhin die Stille. Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters war der 30-Jährige keine 24 Stunden vor dem Spiel gegen Ungarn nach Rouen gereist, der imponierende Auftritt mit 13 Toren trug die Aussage mit sich, die er auch der Mannschaft gegenüber formuliert hatte: „Er hat gefordert, dass man ganz normal mit ihm umgeht. Und das haben wir auch gemacht", sagt Julius Kühn, den während des Spiels eine Gänsehaut überkommen hat, ob der starken Leistung seines Kapitäns. „Wahnsinn, dass er dazu imstande war.“

Auch Bundestrainer Dagur Sigurdsson zeigte sich beeindruckt: „Er hat eine unheimlich schwere Woche hinter sich und hat das überragend gemacht. Einfach ohne Worte, wie er das schafft.“ Dann aber bemühte sich der Isländer auch im Sinne seines Kapitäns, die Helden von Freitag wieder hinter das Kollektiv zu rücken. „In so einem Turnier kommt in jedem Spiel ein neuer Held, das haben wir bei der EM in Polen ja auch gesehen“, sagte Sigurdsson.

Endspiel um den Gruppensieg gegen Kroatien

Schon an diesem Sonntag gegen Chile (14.45 Uhr, Livestream bei handball.dkb.de) kann sich ein anderer Spieler unvergessen machen, zum Beispiel Kai Häfner, dessen starke Leistung mit sieben Toren am Freitag etwas untergegangen war. Der 27-Jährige ist momentan wegen der verletzungsbedingten Ausfälle von Steffen Weinhold und Fabian Wiede der Alleinunterhalter im rechten Rückraum, er weiß ganz genau, wie schnelllebig es im Leistungssport zugehen kann. Die Europameisterschaft in Polen verfolgte er auf dem heimischen Sofa, bis Weinhold sich verletzte und er nicht nur nachreiste, sondern im Halbfinale das entscheidende Tor zum Sieg gegen Norwegen warf.

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„Wir sind sehr breit aufgestellt und schwer ausrechenbar. Das zeichnet uns aus, hoffentlich bis zum Ende “ sagte er. Jetzt folgen in der Gruppe mit Chile, Saudi-Arabien (Dienstag, 17.45 Uhr) und Weißrussland (Mittwoch,17.45 Uhr) zunächst drei vermeintlich schwache Gegner, bevor das erwartete Endspiel um den Gruppensieg gegen Kroatien aussteht (Freitag, 17.45 Uhr). „Aber das werden keine Selbstläufer, auch wenn es auf dem Papier vielleicht so aussieht“, warnte Häfner.

Dass ein Papier nicht immer aussagekräftig ist, zeigt auch die Spielstatistik: In der sieht es aus, als hätte der gesamte linke Rückraum um Paul Drux, Steffen Fäth (beide Füchse Berlin) und Kühn mit nur zwei Toren eine schwache Leistung abgeliefert. Doch Drux sieht das anders: „Ich bin kein Freund davon, das Papier nach dem Spiel anzuschauen und danach zu entscheiden, ob ein Spieler gut oder schlecht war“, sagte er. „Sicher hätten wir noch einige Tore mehr machen können, aber man muss aber auch sagen, dass wir viele Strafwürfe rausgeholt haben, die Uwe ja zum Glück alle verwandelt hat. Auch, wenn Julius, Steffen oder ich dann nicht in der Statistik auftauchen, hatten wir ja auch einen Anteil an dem Tor, genau wie wenn du Druck von links machst und dann der Rückraum Rechte das Tor macht.“

Gensheimer reist zur Beerdigung seines Vaters

Gleiches gilt für den Abwehrverbund, dem auch Finn Lemke, Simon Ernst und Patrick Wiencek angehören. Ohne ihre Vorarbeit könnte auch ein Uwe Gensheimer keine 13 Tore erzielen können. „Viele Mannschaften haben Spieler, von denen sie sehr stark abhängig sind, die dann zünden müssen“, sagt Drux. „Wir sind da sehr ausgewogen als Team. Das macht uns stark.“

Mit Chile trifft die deutsche Mannschaft auf einen Gegner, der seine Stärke ebenfalls aus der mannschaftlichen Geschlossenheit zieht. „Die haben nicht die ganz großen Einzelkönner, sondern überzeugen als Team“, sagt Heinevetter. Nach dem überraschenden Sieg der Südamerikaner gegen Weißrussland (32:28) warnte auch er davor, den Gegner nicht zu unterschätzen. Dennoch ist die Zielsetzung klar: Die Chancen auf den fest eingeplanten zweiten Sieg bezifferte Trainer Sigurdsson auf 70:30. „Wir sind routinierter, körperlich stärker, haben mehr Erfahrung und sind die besseren Handballer. Das müssen wir auf dem Platz zeigen. Ich bin mir aber sehr sicher, dass wir das auch machen werden.“

Sigurdsson hat für diese Partie keine Nachnominierung seines 15er Kaders vorgesehen, auch auf Gensheimer muss das Team nicht verzichten. Der Kapitän reist in der kommenden Woche zwar noch einmal zur Beerdigung seines Vaters nach Deutschland doch am Sonntag ist der Weltklasse-Linksaußen definitiv dabei.